19. August 2022

Herausragender Landespestarzt und erster Protomedicus Siebenbürgens: Adam Chenot (1722-1789)

„In der Reihe der bedeutenden Ärzte Siebenbürgens, die mit Aufbietung großer Erfahrung und ganzer Hingabe den Kampf gegen die aus dem benachbarten Osmanenreich (über die damals dazugehörigen Donaufürstentümer Walachei und Moldau – Anm. des Autors) eindringenden, immer wiederkehrenden Pestseuchen aufnahmen, ragte der aus Luxemburg stammende, aber in Siebenbürgen heimisch gewordene Arzt Dr. Adam Chenot besonders hervor. Dieser erfolgreiche Arzt hatte sich zur Lebensaufgabe gemacht, nicht nur das Eindringen dieser furchtbaren Seuche zu verhindern, sondern auch ihr Wesen, ihre Symptome sowie die wirksamen Methoden zu ihrer Bekämpfung wissenschaftlich zu ergründen“ (Franz von Killyen, 1970). Seuchenschutz wurde traditionell jeweils auf kommunaler Ebene (vor allem in Städten) durchgeführt und beschränkte sich auf die Sperre je eines Gebietes und gleichzeitig auf die Flucht vor der Seuche. Erst während der Habsburgerherrschaft (ab 1691) änderte sich die Lage in Siebenbürgen allmählich, insbesondere infolge der Tätigkeit hoch engagierter Pestärzte.
Adam Chenot: „Abhandlung von der Pest“, 1776 ...
Adam Chenot: „Abhandlung von der Pest“, 1776
Über den Wahl-Siebenbürger Adam Chenot ist bekannt, dass sein Vater Lambert und seine Mutter Maria (geb. Paquot) eine Mühle im luxemburgischen Habaru-Lavaux bei Arlon betrieben. Der Ort gehörte zum Herzogtum Lëtzebuerg (Luxemburg) und somit zu den damaligen (1714-1795) österreichischen Niederlanden. Heute ist sein Geburtsort Teil der belgisch-luxemburgischen Gemeinde Léglise in Wallonien (Südbelgien). Laut Taufschein wurde der Erstgeborene des Paares vor 300 Jahren, am 19. August 1722, geboren. Seine schulische Förderung erhielt er von seinem Onkel Abbé Paquot, Vikar und Schulmeister von Étalle, und später von seinem Vetter Jean Chenot, einem im niederländischen Leiden akademisch ausgebildeten und in Wien niedergelassenen Juristen. Er bekam „eine gelehrte Erziehung. 1746 folgte er seinem großen Landsmanne van Swieten nach Wien“ (Franz R. Seligmann, 1861). Mutmaßlich begann er also seine Studien in Leiden, dann soll er aber das Studium der Arzneikunst in der Kaiserstadt als „Schüler und bald Günstling“ Gerard van Swietens, des hochgelehrten kaiserlichen Leibarztes und Gesundheitsreformers, des Protomedicus imperialis, fortgesetzt haben. Nach seinem Doktorexamen (1755) wurde Chenot in März 1756 auf kaiserlichen Befehl, aufgrund einer Empfehlung seines mächtigen Förderers, zur Bekämpfung der in Siebenbürgen grassierenden Seuche als Pestarzt nach Kronstadt gesandt, um seinen Wiener Kollegen Dr. Johann Michael Hoffinger zu unterstützen. „Die Verhältnisse, die er (als Pestarzt), vorfand, waren verzweifelte. Sechs Monate lang hatte man sich hier, wie so oft anderwärts auch, die Wahrheit nicht eingestehen wollen, ja man bemühte sich sie zu verbergen. (…) Chenot, unermüdlich, dann, weil selbst angesteckt, dem Tode nah (während welcher Zeit sein treuer Freund und College Bruckmann für ihn wirkte), verbrachte eine entsetzliche und folgenreiche Zeit“ (Franz R. Seligmann, 1861) Erst im Februar 1757 konnte die Pest endlich zum Erlöschen gebracht werden. Die Zahl der Pestkranken im Burzenland gab Chenot mit 6677 an, von denen 4303 Personen starben (64,4 Prozent).

Nach seinem Einsatz im Burzenland kehrte Chenot, anders als seine anderen Kollegen, nicht in die Hauptstadt zurück, sondern nahm die Ernennung zum Sanitätsphysikus des Großfürstentums mit dem Amtssitz in Hermannstadt an. Dort heiratete er 1761 Katharina, die Tochter des örtlichen Stabsphysikus Laurentius Stocker, mit der er drei Söhne (Joseph Ernst, *1762, Johann Nepomuk, *1768, Anton Ignaz, *1772) und zwei Töchter (Magdalena, 1763-1765, und Theresia Magdalena, *1770) hatte. Er stieg bald zum Vorsitzenden der Sanitätskommission Siebenbürgens (Consensus medicorum) auf. Die Familie „de Chenot“ wohnte im Baussner’schen Haus in der Reispergasse und zählte zu der deutschsprachigen römisch-katholischen Bürgergemeinschaft und zur Elite der Provinzhauptstadt zur Zeit des Gouverneurs Samuel von Brukenthal. Unter den Mitgliedern der Freimaurerloge lässt sich sein Name nicht finden. Adam Chenot veröffentlichte 1766 sein der Kaiserin gewidmetes wissenschaftliches Werk „Tractatus de peste“, das große Erfolge verbuchte und von Maria Theresia mit 400 Gulden prämiert wurde. Auf kaiserliche Anweisung wurde es 1776 auch in deutscher Übersetzung in Dresden unter dem Titel „Abhandlung von der Pest“ veröffentlicht. Erstaunlich ist, dass keine zeittypischen Porträts von den Chenots übermittelt sind. Am 22. September 1775 starb seine Gattin „Catharina de Schenot, nata Stogger“ (laut Kirchenmatrikel) mit nur 45 Jahren und wurde im Kloster der Ursulinerinnen bestattet. Am 8. Oktober 1776 heiratete er Catharina Weyrauch, die Witwe des 1773 verstorbenen Hauptmanns Wilhelm Rösler. Diese Ehe blieb kinderlos. Das weitere Schicksal seiner Nachkommen ist derzeit unbekannt.

„Adam Chenot‘s hinterlassene Schriften“, 1798 ...
„Adam Chenot‘s hinterlassene Schriften“, 1798
Das südliche Siebenbürgen wurde 1770 erneut von einer Pestwelle heimgesucht. Der erfahrene und angesehene Pestarzt Chenot bekämpfte mit strengen und wirksamen Maßnahmen sowohl an der gesamten Grenzlinie als auch im Landesinneren die Ausbreitung der Pest. „Dank seiner Autorität befolgten die militärischen Kommandostellen willig seine Anordnungen. Ein ununterbrochener, fester militärischer Pestkordon, der vom Roten-Turm-Pass entlang des Altflusses bis ins Szeklerland errichtet wurde, riegelte diese von der Pest befallenen Gebiete vom übrigen Siebenbürgen ab. Nach Chenots Anweisungen wurden zahlreiche Pestlazarette (Pesthäuser) für die Untersuchung und Isolierung von Kranken errichtet. (…) Das weitere Eindringen der Pest war damit endgültig verhindert. Aber auch die Zahl der von Pest befallenen Personen blieb auf nur wenige hundert Fälle beschränkt, von denen die meisten mit dem Leben davonkamen“ (Franz von Killyen, 1970). Chenot gibt 1643 Erkrankte und 1204 Todesopfer (73,2%) an, was eine relativ geringe Opferzahl bedeutet (Arnold Huttmann, 1991). Das erfolgreiche Bekämpfen der Pestwelle von 1770 bis 1771 veranlasste Kaiserin Maria Theresia, den Landessanitätsarzt Adam Chenot mit dem Verdienstorden 1. Klasse auszuzeichnen. Bald wurden seine Leistungen auch von Kaiser Joseph II., der 1773 in Siebenbürgen weilte und ihn persönlich kennenlernte, mit der Beförderung zum Protomedicus von Siebenbürgen honoriert. Er war der Erste, der 1774 dieses höchste Amt im Sanitätsdienst erhielt, und als solcher setzte sich engagiert für die Modernisierung des Gesundheitswesens Siebenbürgens ein. Die kaiserlichen Gesundheitsbehörden ermutigten Mediziner, Heilwässer zu untersuchen. So erließ auch Chenot 1774 ein Dekret des Guberniums, das jedoch die Magistrate, nicht die Ärzte, anwies, „Aufzeichnungen über die in ihrem Bezirk vorkommenden Mineralwässer zu erstellen; notieren Sie Ort und Region des Vorkommens und vermerken Sie jeweils, ob und für welche Krankheiten es verwendet wird.“ Er ordnete auch an, Ärzte und Chirurgen zu befragen.

Bekanntlich setzte sich Chenot in den 1770er Jahren mit modernen Argumenten unermüdlich für die Verkürzung der Quarantänezeit von sechs auf nur drei Wochen ein. Die im Bereich der Pestabwehr kaum erfahrenen Wiener Professoren taten seine Forderungen zynisch als Theorie ab, obwohl er doch ein Vierteljahrhundert lang unmittelbar an der Pestfront gekämpft hatte. Kaiser Joseph II berief ihn 1783 zum Kontumazexperten am Hofkriegsrat in Wien. Eine Genugtuung für Chenot muss es gewesen sein, dass die 1785 kaiserlich erlassene Kontumazordnung für die türkischen Grenzen in erheblichem Maße seine Anschauungen, gebündelt im sog. Normativ Chenots, berücksichtigte, selbst wenn diese nicht durch offizielle Kundgebung bekannt gemacht werden durften. Neben der Halbierung der Quarantäne auf drei Wochen wurde die Öffnung des Grenzverkehrs außerhalb der Pestzeiten als sinnvolle und wesentliche Erleichterung des ohnehin schwer betroffenen Wirtschaftslebens vor Ort wahrgenommen. Der nun seit Herbst 1783 in Wien lebende, reformfreudige Chenot gab nicht auf und zeichnete seine Erfahrungen und wissenschaftlichen Überlegungen zur Pestepidemie von 1770 bis 1771 auf, um diese zu veröffentlichen. Das ist ihm aber krankheitsbedingt verwehrt geblieben. Aus seinen nachgelassenen Manuskripten hatte den Traktat der Pester Medizinprofessor Franz von Schraud, ein Verehrer Chenots, im Jahr 1799 in Ofen (Buda) unter dem Titel „Historia pestis Transylvanicae annorum 1770 et 1771. Opera posthumum iussus regio“ herausgegeben. Ebenfalls aus seinem Nachlass wurde sein Pestnormativ (1785) als „Unterricht zur Grundlegung einer politischen Anordnung wider die androhende und ausgebrochene Pestseuche“ erst 1798 in Wien veröffentlicht.

Der Autor starb im Ruhestand, vereinsamt und von seinen Kollegen nicht entsprechend gewürdigt, am 12. Mai 1789 und fand seine Ruhestätte auf dem Wiener Friedhof Matzleinsdorf (seit 1923 öffentliche Parkanlage). Adam Chenots Lebensarbeit war nicht umsonst, wenn er auch nicht alles verwirklicht sah, was er für notwendig hielt, erlebte er die Abschaffung der langen Quarantänefristen an der Militärgrenze durch Umsetzung seines Normativs noch selbst. Zweifelsfrei verdiente er in vollen Zügen, für seine herausragenden Leistungen wie auch zukunftsweisenden Anschauungen und Reformen, von der bedeutenden Wiener Medizin-historikerin ehrenvoll als „der beste Pestexperte der Zeit“ (Erna Lesky 1959) gewürdigt zu werden.

Priv.-Doz. Dr. med. Robert Offner

Schlagwörter: Wissenschaft, Medizin, Porträt, Geschichte, Luxemburg

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  • 19.08.2022, 10:38 Uhr von Äschilos: Ich vermisse die Quellen der Zitate. [weiter]

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