7. Mai 2006

Josef Haltrich: Bedeutender Volkskundler und Märchensammmler

Der bedeutende Volkskundler und Märchensammmler starb vor 120 Jahren, am 17. Mai 1886, in Schaas. Mit der für ihn kennzeichnenden Bescheidenheit und Uneigennützigkeit hätte Josef Haltrich nicht verstanden und nicht akzeptiert, dass die Bergschule heute seinen Namen und nicht den seines berühmten Schwagers Georg Daniel Teutsch trägt. Erstaunt hätte ihn auch die heutige Straßenbezeichnung im Nordwesten von Berlin "Haltrich-Weg".
Friedrich Teutsch hat in seiner Georg-Daniel-Teutsch-Biographie warme Worte zu Haltrichs Wesen gefunden, wenn er schreibt: "Ein Mann, der sein Leben lang sich ein kindliches Gemüt bewahrte, rein im Herzen, allem Bösen so völlig fremd, dass er niemals Lüge und Bosheit, auch wo sie ihn selber traf, begreifen konnte. In seiner Kindheit hatte er sich an den Märchen erhoben, die sie dem aufhorchenden Knaben erzählten, auf der Universität hatte er sich mit Schuster und Müller das Wort gegeben, er solle die Märchen, Schuster die Lieder, Müller die Sagen des Volkes in der fernen Heimat sammeln, ein Hauch des Märchens ist seinem Wesen immer eigen geblieben. [..] ein Mann mit kindlichem Herzen und dem starken Glauben an den Sieg des Guten in der Welt, der seine Ideale aus aller Brandung des Tages gerettet hatte, an der Wissenschaft und Poesie immer aufs neue entzündete."

Josef Haltrich, gemalt von Arthur Coulin für die Aula der Schäßburger Bergschule (1902). Als Vorlage diente eine Fotografie, die Ludwig Schuller bereits 1859 aufgenommen hatte.Foto: Bildarchiv Konrad Klein
Josef Haltrich, gemalt von Arthur Coulin für die Aula der Schäburger Bergsachule (1902). Als Vorlage diente eine Fotografie, die Ludwig Schuller bereits 1859 aufgenommen hatte. Foto: Bildarchiv Konrad Klein
Am 22. Juli 1822 in Reen geboren, besuchte Josef Haltrich das Gymnasium von Schäßburg und studierte anschließend in Leipzig. In die Heimat zurückgekehrt, wurde er nach den Wirren der Revolution von 1848/1849, in denen sein Vaterhaus bis auf die Grundmauern abbrannte, Professor (ab 1850) und Rektor (ab 1869) der Bergschule, dann Pfarrer in Schaas. Dort starb er vor 120 Jahren am 17. Mai 1886. Seine schriftlich ausgearbeiteten Predigten sind durch Unverständnis leider größtenteils verloren gegangen. Erhalten ist seine "Abschiedsrede" in der Pfarrkirche von Schäßburg vor dem Umzug nach Schaas, in der er sein pädagogisches Vermächtnis entwirft.

Haltrich gehört zu den bedeutendsten siebenbürgisch-sächsischen Volkskundlern des 19. Jahrhunderts. Sein bekanntestes und volkstümlichstes Werk ist die Märchensammlung "Deutsche Volksmärchen aus dem Sachsenlande in Siebenbürgen", die 1856 auf Vermittlung der Brüder Grimm im Springer-Verlag in Berlin erschien und insgesamt acht Auflagen erlebt hat (Berlin, Wien, Hermannstadt, München, Bukarest). Seine folkloristische Thematik ist weit gespannt: Tiermärchen, Volkswitz und Volkshumor, die Welt der Märchen und unserer Kinder, Kinderspiele und Kinderreime, Waisenlieder, Aberglauben, Sprichwörter und Redensarten, Inschriften an Haus und Gerät u.a. J. Wolff hat 1885 im C. Graeser-Verlag diese "Kleineren Schriften" Haltrichs in einem stattlichen, über 500 Seiten starken Band in neuer Bearbeitung mit dem Titel "Zur Volkskunde der Siebenbürger Sachsen" herausgegeben. Unvergessen sind auch Haltrichs Vorarbeiten zu einem siebenbürgisch-sächsischen Wörterbuch, einem Monumentalvorhaben, das erst in der Gegenwart schrittweise verwirklicht werden kann. Haltrich war Mitglied zahlreicher Gremien, so des Gelehrtenausschusses des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg und des Ausschusses des Vereins für Siebenbürgische Landeskunde.

Haltrichs zahlreiche Arbeiten erschienen verstreut in verschiedenen Publikationen und sind heute zum Teil schwer zu erreichen. Es wäre im Dienste der landeskundlichen Forschung, wenn ein Sammelband mit einer Auswahl seiner Werke zusammengestellt und herausgegeben würde.

Walter Roth

Links:

Sächsische Volksmärchen von Josef Haltrich im Projekt Gutenberg

Volksmärchen von Josef Haltrich, dokumentiert von Alexander Haltrich

Sächsische Volksmärchen aus Siebenbürgen, Download im epub-Format

Schlagwörter: Porträt, Literaturgeschichte, Haltrich

Bewerten:

3 Bewertungen: ++

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.