15. Dezember 2006

Kulturhauptstadt und EU-Beitritt im Mittelpunkt

Vom 1. bis 3. Dezember trafen sich Kulturreferenten aus ganz Deutschland in Leitershofen bei Augsburg, um sich mit dem „Fokus 2007: Hermannstadt und Rumänien“ auseinanderzusetzen und auszutauschen. Das Diözesan-Exerzitienhaus St. Paulus bot den perfekten Rahmen für ausgezeichnete Vorträge, zwanglosen Austausch und eine Fülle von Informationen, die auf das nächste Jahr und die zu erwartenden Anfragen der Öffentlichkeit vorbereiten sollten.
Nach dem Abendessen am Freitag, bei dem ein erstes „Beschnuppern“ stattfand, trafen sich die Teilnehmer zum ersten Mal im Tagungsraum. Nach einer kurzen Begrüßung durch den „Exerzitienmeister“, Bundeskulturreferent Hans-Werner Schuster, und Jürgen Scheiber, Vorsitzender der Kreisgruppe Augsburg, sowie einer kurzen Vorstellungsrunde begaben sich zur Einstimmung alle auf einen „Spaziergang durch Hermannstadt“.

Der Diavortrag des begeisterten Hobbyfotografen Roland Zink, 1940 in Hermannstadt geboren, bestand nicht nur aus selbst geschossenen Fotos, sondern beinhaltete auch zahlreiche Reproduktionen alter Postkarten mit Stadtansichten von Hermannstadt, die im Vergleich mit den neuen Aufnahmen zeigten, dass sich Stadtkern und Silhouette im Lauf der Jahre treu geblieben sind. Da viele Hermannstädter unter den Tagungsteilnehmern waren, entwickelten sich rasch Gespräche über gemeinsame Schulwege, Ausflüge in den Jungen Wald und andere Erinnerungen an die Zeit in Hermannstadt.

Teilnehmer der Kulturreferententagung in Leitershofen. Foto: Gerhard Schunn.
Teilnehmer der Kulturreferententagung in Leitershofen. Foto: Gerhard Schunn.

Der Samstag begann mit einem Vortrag des Architekten Dr. Hermann Fabini und seiner Frau Alida Fabini, die in Hermannstadt leben und daher „aus erster Hand“ die aktuelle Situation darstellen konnten. Im Vortrag „Die Baukunst der Siebenbürger Sachsen: Hermannstadt und Kirchenburgen. Ein Rück- und Ausblick“ wurde der bauliche Fortschritt an einzelnen Gebäuden in der Stadt und an verschiedenen Kirchenburgen, unter anderem Kerz, Birthälm und Stolzenburg, dokumentiert. „Vorher-Nachher-Bilder“ unterstützten die Ausführungen Fabinis, die von seiner Frau vorgetragen wurden. Das ernüchternde Fazit des Referenten: Geschäftemacherei und Willkür beherrschen die Sanierungs- und Restaurierungsmaßnahmen, Fachleute zur richtigen Einschätzung der Projekte fehlen, die Identität der siebenbürgischen Ortschaften mit ihren sächsischen Bauernhäusern verschwindet nach und nach durch atypische Fassadenanstriche, Aufstockung von Häusern, Vergrößerung der Fenster und Hinzufügung von Balkonen. Bei Hermannstadt lässt sich aber trotz aller negativen Prozesse feststellen, dass das Stadtbild sich durchaus sehen lassen kann – zumindest die Innenstadt ist nach außen hin bereit für ihre Rolle als Kulturhauptstadt 2007.

Dr. Harald Roth gab in seinem Vortrag ausführliche Literaturhinweise zu Siebenbürgen und Hermannstadt, die der Vorbereitung auf das öffentliche Interesse im nächsten Jahr dienen. Eine Literaturliste mit bibliographischen Angaben und Hinweisen auf Bezugsadressen diente als Arbeitsgrundlage, bevor Dr. Roth dann in die Vorstellung seines neuen Buches „Hermannstadt. Kleine Geschichte einer Stadt in Siebenbürgen“ (siehe Rezension in dieser Zeitung) einstieg. Da es bisher kaum Darstellungen zur Stadtgeschichte Hermannstadts gibt, ist dieses Buch die beste Grundlage für alle, die sich einen Überblick über die Thematik verschaffen wollen. In groben Zügen skizzierte der in Schäßburg geborene Referent, Wissenschaftlicher Leiter des Siebenbürgen-Instituts an der Universität Heidelberg, die Entwicklung Hermannstadts von der Stadtgründung um 1150 als Hermannsdorf bis zur europäischen Kulturhauptstadt 2007. Einen besonderen Akzent legte Dr. Roth in seinem Vortrag auf die Deutschfreundlichkeit Hermannstadts und die Orientierung auf sowie die Zuwanderung aus deutschen Ländern, was die Stadt besonders geprägt hat. Zudem war Hermannstadt neben Kronstadt die am stärksten befestigte Stadt Siebenbürgens, was vor allem an der hohen wirtschaftlichen und politischen Bedeutung lag.

Die Vorträge am Samstagnachmittag waren hauptsächlich praktischer Natur. Dr. Swantje Volkmann vom Donauschwäbischen Zentralmuseum in Ulm und Marius Tataru vom Siebenbürgischen Museum in Gundelsheim präsentierten „Materialien zu Rumänien und Hermannstadt“, die im jeweiligen Museum bereits vorliegen bzw. zu Ausstellungen konzipiert und bereitgestellt werden können. Im Donauschwäbischen Zentralmuseum sind zwei Ausstellungen von besonderem Interesse: „Rumänien – eine europäische Kulturlandschaft“, die einen großen Anteil Material zu Siebenbürgen, besonders zu Schäßburg, Hermannstadt und verschiedenen Kirchenburgen, beinhaltet und „50 Jahre deutsches Staatstheater Hermannstadt – 425 Jahre deutsches Theater in Hermannstadt – Das deutsche Theater von Hermannstadt gestern und heute“, die die Bedeutung des Theaters für das städtische Leben Hermannstadts vom 16. Jahrhundert bis heute thematisiert. Ein weiteres Ausstellungsprojekt, das 2007 fertiggestellt wird und dann ebenfalls ausgeliehen werden kann, ist „Hermannstadt und Siebenbürgen – eine europäische Kulturlandschaft. Präsentation zur Kulturhauptstadt Europa 2007“.

Marius Tataru vom Siebenbürgischen Museum präsentierte fünf Ausstellungskonzepte, zu denen die Materialien in Gundelsheim vorhanden sind und die bei Interesse zusammengestellt werden können. Zur Auswahl stellte er die Themen Alt-Hermannstadt, Trachtenlandschaft Hermannstädter Gegend, siebenbürgisches Kunsthandwerk, kirchliche Baukunst in Hermannstadt und Dorflandschaften. Zu diesen möglichen Ausstellungen ist ausreichend Material im Museum und im Siebenbürgischen Archiv vorhanden. Interessenten sind allerdings aufgefordert, bei der Konzeption und Erstellung einen tatkräftigen und auch einen finanziellen Beitrag zu leisten. Ende 2007 soll zudem eine Ausstellung zum Thema „Siebenbürgische Möbellandschaften“ fertig gestellt sein.

Die Vorträge von Dr. Volkmann und Marius Tataru lösten rege Diskussionen unter den Teilnehmern aus. Technische Fragen zu Vorbestellung, Abholung, Ausleihzeitraum und Versicherung standen im Vordergrund und zeugten vom regen Interesse der Kulturreferenten, die ihre kulturellen Veranstaltungen im nächsten Jahr gern mit der einen oder anderen Ausstellung aus Ulm oder Gundelsheim bereichern möchten. Voraussetzung dafür sei allerdings, wie Volkmann betonte, die rechtzeitige Planung der Veranstaltungen, und auch Tataru bat um frühzeitige Information, falls eine Ausstellung organisiert werden solle.

Der Abend war verschiedenen DVD-Vorführungen gewidmet. Gezeigt wurde „Sibiu – City of Cultures“, die offizielle Präsentation zum Kulturhauptstadtjahr 2007, sowie eine DVD von Gerlinde Zach, Kulturreferentin der Kreisgruppe Gummersbach, die demonstrierte, mit welch einfachen Mitteln eine anschauliche Präsentation zu Hause am eigenen Computer erstellt werden kann. „Deutsche Spuren in Rumänien“, eine DVD von Martin Rill, die im Wort und Welt Verlag erschienen ist, bildete den Abschluss des Tagungsprogramms.

Der Sonntag stand im Zeichen Rumäniens und des nahenden EU-Beitritts. Bevor jedoch die Referentin Dr. Anneli Ute Gabanyi mit ihrem Vortrag beginnen konnte, gaben Rosl Potoradi und Walter Schlandt Besinnliches zum 1. Advent zum Besten. Ein zweistimmiges Flötenstück und eine kurze Geschichte über die Entstehung des ersten Adventskranzes stimmten auf den Tag ein. Dann ging es in medias res. Anneli Ute Gabanyi bot mit ihrem Vortrag „Rumänien am Vorabend des EU-Beitritts“ eine Fülle von Informationen zu Vorgeschichte und Verlauf des EU-Beitritts von Rumänien und dokumentierte den EU-Integrationsprozess, „ein Buch mit sieben Siegeln“, wie sie lächelnd zugab, verständlich und umfassend. Die Geschichte Rumäniens, die sie kurz und prägnant präsentierte, ist als Baustein zum Verständnis ebenso wichtig wie die vielen Verhandlungen, Klauseln und Verträge im Vorfeld eines EU-Beitritts, mit denen sie sich ausführlich auseinandersetzte und dabei aus ihrem reichen Erfahrungsschatz als Wissenschaftliche Referentin der Fachgruppe EU-Erweiterungspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin schöpfen konnte.

Ein Schwerpunkt des Vortrags waren die Korruptionsvorwürfe, die in Zusammenhang mit Rumänien immer wieder von den Medien zur Sprache gebracht wurden und werden. Gabanyi führte aus, dass die Korruption in Rumänien das Ergebnis zweier struktureller Faktoren sei: der Schwäche der öffentlichen Verwaltung und des Justizsystems. Verantwortlich für die hohe Medienpräsenz des Themas ist allerdings die Perzeption der Korruption, die – im Gegensatz zum Phänomen selbst – anhand von repräsentativen Umfragen gemessen werden kann. Die Mehrheit der rumänischen Bürger empfindet ihre Regierung als korrupt, was auch den am häufigsten genannten Grund für den EU-Beitritt Rumäniens erklärt: Die Rumänen hoffen mit Hilfe der EU-Mitgliedschaft auf ein Ende der Korruption und wollen – und das ist der zweitwichtigste Grund für die Zustimmung zum Beitritt –, dass die europäische Identität ihres Staates auf dem gesamten Kontinent anerkannt wird. Eine rege Diskussion schloss sich an den Vortrag an, die vom hohen Interesse der Tagungsteilnehmer einerseits und der ausgezeichneten Darbietung der Referentin andererseits zeugte.

Vor dem abschließenden Mittagessen blieb nur noch wenig Zeit für ein kurzes Resümee von Hans-Werner Schuster, der die Tagung souverän organisiert und geleitet hatte und zum Abschluss auf die Schwerpunkte der landsmannschaftlichen Arbeit im nächsten Jahr hinwies: die öffentliche und medienwirksame Rolle Hermannstadts als Kulturhauptstadt 2007 und der Festakt zum 50-jährigen Bestehen der Patenschaft von Nordrhein-Westfalen über die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, der im Mai im Landtag in Düsseldorf begangen wird.

Informationen en masse konnten die Kulturreferenten am Sonntag von der Tagung ebenso mit nach Hause nehmen wie das Gefühl, genug Zeit zum Austausch mit den anderen Teilnehmern gehabt zu haben. Mehrere Stunden im Programm waren den Berichten aus der Arbeit der einzelnen Kulturreferenten gewidmet, in denen man sich viele Anregungen aus anderen Kreis- und Landesgruppen holen und wertvolle Kontakte knüpfen konnte.

Doris Roth


Die Tagungsunterlagen liegen beim Kulturreferat vor und werden in Kürze im Internet unter www.siebenbuerger.de, Bereich "Land und Leute", veröffentlicht.

Schlagwörter: Tagung, Kulturhauptstadt, EU-Beitritt, Landsmannschaft

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