2. April 2007

Sonnenblumen und Charakterköpfe - Erinnerungen an Trude Vandory

Womit hatte sie mich bloß geködert, damals, in einer Zeit, in der Schokolade Mangelware und Gameboys noch nicht erfunden waren? Das kaum fünfjährige, quirlige Kind zu überreden, an mehreren Tagen Modell zu sitzen, ist gewiss keine leichte Aufgabe gewesen. Ich vermute, dass sie mir nebenbei Geschichten erzählte und das mit sehr viel Humor, eine Eigenschaft, die zu ihr gehörte wie Spachtel und Pinsel.
Heute noch rieche ich den Duft des in nasse Tücher gehüllten Tons und der Ölfarben, steigt mir der intensive Geruch von Firnis und Schellack in die Nase, sobald ich nur an sie denke. In ihrer bunten Welt, in ihrer „Menagerie“, wie sie es nannte, fühlte ich mich sofort heimisch, nachdem ich sie einmal betreten hatte.

Trude Vandory: Kinderportrait, Gips, 1966.
Trude Vandory: Kinderportrait, Gips, 1966.


Geboren am 23. August 1906 als Trude Hein in Obersedlitz bei Aussig in Nordböhmen, verbrachte sie ihre Kindheit und Jugend in Graz, wohin die Familie schon bald umsiedelte. Dort besuchte sie nach dem Gymnasium vier Jahre lang die Kunstgewerbeschule, Klasse Bildhauerei. Zwanzigjährig heiratete sie den aus Schäßburg stammenden Arzt Dr. Hans Gustav Vandory und folgte ihm daraufhin in das ferne und ihr völlig unbekannte Siebenbürgen. Es wurde ihr zur zweiten Heimat, die sie erst im hohen Alter, im Jahre 1990, schweren Herzens verlassen sollte.

Nach zahlreichen, wechselnden Wohnorten siedelte sich die Familie schließlich mit ihren drei Kindern in Marktschelken an. Schon früh fand Trude Vandory Kontakt zum Kreis der Hermannstädter Künstler um Hans Hermann. Seit 1947 war sie Mitglied des Verbandes Bildender Künstler in Rumänien und Gründungsmitglied der Filiale Hermannstadt. Nach dem frühen Tod ihres Mannes fand sie dort, im Kollektivatelier in der Berggasse, auch erste Aufträge als Bildhauerin.
Trude Vandory in ihrem Atelier in Marktschelken, Mitte der siebziger Jahre.
Trude Vandory in ihrem Atelier in Marktschelken, Mitte der siebziger Jahre.


Alljährlich war sie bei den Ausstellungen der bildenden Künstler mit mindestens einer Arbeit vertreten, mal mit einer Reliefplastik Bauernszenen darstellend, einem Holzschnitt, etwa „Frauendorfer Kirchenburg“ oder „Schäßburger Bergkirche“, einer siebenbürgischen Landschaft oder einem in Öl gemalten, farbenprächtigen Blumenstrauß. In den Pressenotizen jener Tage wurde immer wieder – vor allem – ihre bildhauerische Leistung hervorgehoben. Unter ihren Händen entstanden neben Serienerzeugnissen und Bodenvasen auch bemerkenswerte Skulpturen und Büsten, so z. B. zwei Bach- Köpfe, eine Porumbescu-Büste, eine Porträtbüste Käthe Kollwitz (Trude Vandorys großes Vorbild), die lachende und die weinende Maske am Staatstheater (heute Radu-Stanca-Theater) in Hermannstadt, und vor allem zahlreiche Kleinplastiken, jene Arbeiten, die ihr ganz besonders lagen „Lachendes Bauernpaar“, „Flöte spielender Hirte“, „Zigeunerwagen“, „Mutter mit Kind“, „Singende Kinder“ „Bäuerin am Feld“, „Weinlese“ u. v. m.
Trude Vandory: Frauendorfer Kirchenburg, Holzschnitt.
Trude Vandory: Frauendorfer Kirchenburg, Holzschnitt.


Ausdrucksstark und mit viel Liebe zum Detail gestaltet, zeugen ihre Darstellungen auch von einer ordentlichen Portion gesunden Humors, ohne den das Leben in jenen Jahren wohl noch um ein Vielfaches schwieriger gewesen wäre. „Die Lebensechtheit dieser Arbeiten rührt wohl daher, dass die Künstlerin mit offenen Augen durch die Welt geht und das Wesentliche zu erfassen und einzufangen weiß“, bemerkte Elke Sigerus in der „Woche“ vom 23. Mai 1975 anlässlich eines Besuchs im Atelier der Künstlerin und im Hinblick auf die erste Eigenausstellung in der Sirius-Galerie im August desselben Jahres, mit der sie sich erstmals auch einem breiten Publikum vorstellte. Was allerdings der Öffentlichkeit größtenteils unbekannt geblieben ist: Trude Vandory hat auch eine beträchtliche Anzahl an Gedichten hinterlassen. Wenn Ewald Zweier, langjähriger Reporter, einmal schrieb, man empfinde beim Betrachten ihrer Bilder und Plastiken „unbedingte Verbundenheit und ihren Respekt gegenüber diesem Sachsenvölkchen und allem Wertvollen dieses Landes“ („Neuer Weg“, 30. März 1984), so spürt man in ihrer Lyrik den zutiefst empfindenden Menschen, die „Seele“, die jedes künstlerische Schaffen erst ermöglicht. Letztes Jahr wäre Trude Vandory hundert Jahre alt geworden. Auf ihrem Grab blühten wie jedes Jahr Sonnenblumen, jene Blumen, die sie am meisten geliebt und so oft gemalt hat.

Monika Kafka


Schlagwörter: Künstler, Hermannstadt

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