15. Mai 2007

Mutterland Kunst

Eine sehenswerte Schau von Werken Gert Fabritius’ im Kleihues-Bau in Kornwestheim ist nach einer Laufzeit von drei Monaten mit einem Paukenschlag beendet worden. Schon die Ausstellung selbst war eines gehörigen Trommelwirbels wert. Viele der hier gezeigten Bilder und Objekte des Künstlers waren erst in den letzten Jahren entstanden, so dass die jüngste Entwicklung des Künstlers auf dem Fuße mitverfolgt werden konnte. Kurz bevor die Ausstellung ihre Pforten schloss, setzte die Abschlussveranstaltung am 6. Mai durch die Präsentation gleich zweier Ergebnisse langwieriger Forschungsarbeit echte Glanzlichter auf die Ausstellung.
Das Publikum war zahlreich gekommen und nahm diese Gaben mit Applaus an. Zum einen wurde der Begleitkatalog zur Ausstellung der Öffentlichkeit übergeben. Der beinahe bibliophil gestaltete Band enthält neben einem Katalogteil mit Farbabbildungen fast aller ausgestellten Werke zwei lesenswerte Aufsätze von Günter Baumann und Irmgard Sedler. Die darin eröffneten Schlaglichter auf geistige und biographische Bezüge in den Werken Gert Fabritius’ ermöglichen auf knappem Raum einen verdichteten Zugang zu den Bilderwelten des Künstlers. Fabritius war anwesend und signierte auf Wunsch jedes erstandene Exemplar.


Szene aus dem im Kornwestheim aufgeführten „Lied vom König und dem Tod“ mit Engel (Bettina Schubert). Königin (Heidi )und Tod. Foto: Peter Mann
Szene aus dem im Kornwestheim aufgeführten „Lied vom König und dem Tod“ mit Engel (Bettina Schubert), Königin und Tod. Foto: Peter Mann

Zum anderen wurde ein ehemals im deutschsprachigen Raum Siebenbürgens verbreitetes Mysterienspiel, das „Lied vom König und vom Tod”, zur Aufführung gebracht – und hier handelt es sich wohl um etwas, was man als ausgesprochenes Rarum im zeitgenössischen siebenbürgisch - sächsischen Theaterrepertoire bezeichnen muss. Zunächst nach Jahrhunderten der lebendigen Tradition beinahe ausgestorben, ist dieser Brauch, wie so viele, in der kollektiven Erinnerung inzwischen verblichen. Aus diesem Grund musste das Spiel samt seiner historischen Aufführungspraxis erst wieder mühsam aus archivalischen Quellen rekonstruiert werden, bevor es neu aufgeführt werden konnte. Eine Schauspielgruppe aus deutschen Berufsschauspielern und Laien hatte das Stück in einer modernen Bearbeitung einstudiert, so dass an diesem Abend endlich die „moderne Uraufführung eines alten Stückes” (I. Sedler) gelang.

Ein Theaterstück im eigentlichen Sinne ist das „Lied vom König und vom Tod” nicht. Vielmehr handelt es sich um eine szenische Aufführung, die in wichtige Brauchhandlungen der Gemeinschaft und in den Festzyklus des Kirchenjahres (z.B. Aufführungen am Aschermittwoch, Hochzeiten) eingebettet wurde. Zur Aufführung gebracht wurde sie ursprünglich von den Bruder- und Nachbarschaften der sächsischen Gemeinden. Die Kernhandlung blieb, trotz regionaler Varianten, im allgemeinen stets die gleiche: Nach einem Streitgespräch, das zwischen einem König und dem personifizierten Tod – in Versen – ausgefochten wurde, muss sich der König trotz vehementer Weigerung dem Tod ergeben. Zusätzliche Figuren wie ein Engel – als Sprecher – und Soldaten, die einen zeitgeschichtlichen Bezug, z.B. zu den Türkenkriegen, setzten, sowie ein hilfloser Doktor als burleske Figur konnten zur Handlung hinzutreten und fehlten auch an diesem Abend nicht. Die Handlung ist symbolisch zu verstehen: Der Tod, den der König schließlich stirbt, steht stellvertretend für die Unausweichlichkeit des menschlichen Todes schlechthin. Damit wird dem Publikum die Drohung des eigenen Todes eindringlich vor Augen und Ohren geführt, um es zu einem gottesfürchtigen und bußfertigen Leben aufzurufen.

Die moderne Bearbeitung des Spiels für die Aufführung während der Finissage (Regie: Bettina Schuber) trug der historischen Aufführungspraxis durch die auf Symbolik abzielende Verlangsamung von Gestik und Handlung Rechnung. Sie durchbrach aber auch den ursprünglich statisch-rituellen Charakter des Spiels in mehrfache Richtung, vor allem zugunsten einer gesteigerten – und übersteigerten – Dramatisierung. Die moderne Theaterkunst ließ jedoch die alte tiefe Ernsthaftigkeit der beschwörenden Wortwechsel zwischen König und Tod mit magischer Eindringlichkeit hindurchscheinen.

Der Sinn der Aufführung des Mysterienspiels vor dem Hintergrund der Ausstellung lag, wie angemerkt wurde, zunächst in dem expliziten Bezug zu einer seiner jüngsten Bildserien. Mit der Betitelung des „Zieder Totentanzes” schlägt Gert Fabrius einen allusiven Bogen zu einer handschriftlich erhaltenen Regianweisung für ein solches Mysterienspiel aus Zied.

Die Gründe für die Referenz, die Gert Fabritius diesem „Lied von dem König und dem Tod” erweist, beschränken sich aber letztlich nicht nur auf den „Zieder Totentanz”. Ein übergreifendes Grundmotiv im Oeuvre von Gert Fabritius, die als existentielles Dilemma und gleichfalls mit Lust am Sinnlichen wahrgenommene Schöpfung muss in gewisser Hinsicht ihr Echo im „Lied vom König und vom Tod” wiedererkennen, und zwar in seiner Botschaft, dass das Leben von Anbeginn die Kraft finden muss, im Angesicht des Todes zu bestehen. Das künstlerische Schaffen ist selbst ein solcher Ort der Kraft. Wie Picasso „gegen die Zeit”, dem Tod zum Trotz, anmalte, wie Rose Ausländer Schutz im „Mutterland Wort” fand, so scheint Gert Fabritius ihn im „Mutterland Kunst” zu finden. Unser Wunsch bleibt es, ihn auf der Reise durch diese eine seiner Heimaten weiterhin begleiten zu dürfen.

Frank-Thomas Ziegler

Schlagwörter: Künstler, Theater, Ausstellungen

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