9. August 2008

Lyrisch-musikalischer Streifzug durch Rumänien

Am 18. Juli fand eine lyrisch-musikalische Ver­anstaltung, ein symbolischer Streifzug durch Rumänien, in Stuttgart statt. Es war eine Pre­miere in dieser Besetzung in der GEDOK-Gale­rie (siehe Siebenbürgische Zeitung vom 16. Juli, der Artikel wurde in der Online-Ausgabe laut Statistik knapp 800 Mal angeklickt). Nach Meinung der zahlreichen Teilnehmer war es eine sehr gelungene Veranstaltung.
Schon kurz vor Beginn war kein Platz mehr im Saal für verspätete Besucher. Das Publikum erlebte, dass Rumänien nicht bloß ein wirtschaftlich bedeutsamer Absatzmarkt in Osteuro­pa ist, sondern vor allem ein Land mit einer tief verwurzelten Kultur und einer Gesellschaft, die verschiedene Traditionen beispielhaft vereint, was man von einer europaweiten Gesellschaft erst erhofft. In der großen Mehrheit waren Bundesbürger anwesend, welche die Kultur des neuen EU-Landes Rumänien näher kennen lernen wollten, obwohl sie kein Rumänisch verstan­den. Dazu hörte man manchmal auch siebenbürgisch-sächsische und rumänische Wörter im Publikum. Das Publikum merkte gleich, dass die vier jungen Künstlerinnen „Profis am Werk“ sind. Birgit Welther war für die Konzeption zuständig, und ihr ist es zu verdanken, dass die Künst­lerinnen in dieser Veranstaltung vereint aufgetreten sind. Sie trug auch die Lyrik der großen rumänischen Dichter Mihai Eminescu, George Coșbuc, Vasile Alecsandri u.a. vor. Hede Beck, Schauspielerin und Regisseurin (SWR), las Birgit Welthers beeindruckende Übersetzungen. Am meisten beeindruckte das Gedicht „Wir wollen Land“ von Coșbuc, das so manchem Leser aus der Übersetzung von Alfred Margul-Sper­ber bekannt sein dürfte. „In der Originalfassung klingt es noch beeindruckender“, mutmaßten viele Zuhörer, die die rumänische Sprache nicht verstanden. Lyrische Werke wie „Mama“ und „Die Alten“ sind heute wie damals aktuell, da sie vor allem Menschen mit Migrationshinter­grund über die sozialen Themen Entwurzelung, Generationenkonflikt, Altersvorsorge oder Adop­tion direkt oder indirekt ansprechen.

Musik begeisterte

Dazu war die musikalische Begleitung durch TANGOTOPIA beispielhaft. Ina Henning, ehema­lige Dozentin an der University of Toronto, eine Künstlerin mit zahlreichen Solokonzerten, u. a. in der Carnegie Hall New York und Walter Hall Toronto, lockerte die Atmosphäre immer wieder auf dem Akkordeon auf, etwa durch die hervorragende Nachahmung eines Dudelsacks im Lied „Rustem Oltenesc“. Den Höhepunkt der musikalischen Begleitung bildete Nikola Lutz, vielseitige Musikerin und Dozentin an der Mu­sikhochschule Stuttgart. Am Saxophon beeindruckte sie das Publikum in „Turceasca“ durch die tiefen Bass­töne, eine mögliche Anspielung auf dunkle Momente in der Geschichte Rumä­niens. Als Zugabe für das begeisterte Publikum stellte sie die optimistische Stimmung mit „Țără­neasca“, auf dem Sopransaxophon gespielt, her und bewies dabei erneut ihre „Fingerfertigkeit“. Den lyrischen Ausklang bildete das gleichzeitig in Rumänisch und Deutsch vorgetragene, stimmungsvolle Gedicht „Somnoro­ase păsărele“ (Verschlafene Vöglein) des rumänischen Natio­naldichters Eminescu, das durch seine simple Thematik und zugleich tiefe Sensibilität beeindruckte.

Tanzpaar gewünscht

Mancher Zuhörer wünschte lieber ein Vortra­gen der Verse im Wechsel in beiden Spra­chen, um so den sensiblen Klang einer romanischen und einer germanischen Sprache noch einmal abschließend wahrzunehmen. Nach Meinung mancher Teilnehmer wäre bei zukünftigen Auf­tritten auch ein Tanzpaar in den verschiedenen Trachten Rumäniens live oder auf Video eine willkommene Ergänzung, um auch einen weiteren Teil der Tradition dieses südosteuropäischen Landes näher vorzustellen. Tatsächlich interpre­tierten die Musikerinnen rumänische, heitere Hochzeitslieder oder auch Trauerlieder, „bocete“, die manchem Zuhörer von rumänischen Beerdigungen bekannt sein dürften.
Wir wünschen Frau Welther und ihrem Team weiterhin viel Erfolg, also viele ähnliche Auf­tritte, mit denen sie das Publikum sicher erfreuen wird (anscheinend sind inzwischen mehrere Meldungen aus Norddeutschland eingegangen). Übrigens, die jungen Künstlerinnen haben alle siebenbürgisch-sächsische Familiennamen, ob­wohl keine nach eigener Meinung diesbezüglich Verbindung zu Siebenbürgen hat außer Birgit Wel­ther aus Agnetheln – eventuell eine He­raus­for­derung für die Sektion Genealogie des Ar­beits­kreises für Siebenbürgische Landeskunde? Für nähere Informationen siehe auch www.gedok.de oder www.myspace.com/tangotopia oder Sie schicken eine E-Mail an bwelther [ät] gmx.de.

Michael Schuller

Schlagwörter: Konzert, Lesung

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