14. September 2015

Freiwilliges Soziales Jahr in Mediasch

Janin Weisser (23 Jahre) stammt aus Königsfeld/Buchenberg im Schwarzwald und hat von August 2014 bis Juli 2015 ihr Freiwilliges Soziales Jahr in Mediasch abgeleistet. Im Folgenden schildert die angehende Studentin der Sozialwirtschaft in Kempten ihre Erfahrungen und Eindrücke.
Es ist nun weit über ein Jahr her, seit ich mich im März 2014 für ein Auslandsjahr entschieden habe. Die erste Bewerbungsfrist meiner Organisation war schon vorbei und ich bewarb mich für das Nachrückverfahren. Beim Auswahltag in Karlsruhe war schnell klar, dass die Chance, eine Stelle in Rumänien zu erhalten, ziemlich hoch war. Knapp eine Woche später dann die Bestätigung: Rumänien – Kirchengemeinde Mediasch. Schnell setzte ich mich an den Computer und googelte „Mediasch“. Für mich bildetet Mediasch ein Dreieck mit Hermannstadt und Kronstadt, wo ebenfalls weitere Freiwillige ihr Soziales Jahr leisten. Nach einer Woche Bedenkzeit war für mich klar: „Ja, ich lasse mich auf das Abenteuer Rumänien – Mediasch ein.“

Meine Entsendeorganisation ist die Arbeitsstelle „Frieden im Evangelischen Kinder- und Jugendwerk Baden“. In Zusammenarbeit mit ökumenischen Partnern bietet sie jungen Menschen im Alter von 18 bis 27 zusammen mit dem Freiwilligen Ökumenischen Friedensdienst (FÖF) die Gelegenheit, interkulturelle Erfahrungen in sozialen Projekten und Begegnungsstätten im Ausland zu sammeln. Der Dienst dauert zwölf Monate und wird als Beitrag zur Verständigung zwischen den Menschen und zum Frieden zwischen den Völkern gesehen. Der FÖF ist beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) als Träger des „weltwärts“-Programms anerkannt (weitere Informationen auf der Homepage: www.freiwillige-vor.org).

Insgesamt 38 Freiwillige trafen sich an drei Wochenenden, um sich intensiv auf den Dienst vorzubereiten. In der Ländergruppe „Rumänien“ bereiteten wir uns im Speziellen vor. So standen die Geschichte Rumäniens, im Besonderen die der Siebenbürger Sachsen, sowie die Geschichte der Minderheiten auf unserem Programm. In der Theorie habe ich zwar alles gehört, aber vorstellen konnte ich es mir zu diesem Zeitpunkt nicht. Noch heute bin ich fasziniert von den Minderheiten hier und wie das Leben miteinander und nebeneinander funktioniert. Besonders schön empfinde ich die Momente, wenn ich an einem Tisch sitze und ich Deutsch, Rumänisch, Ungarisch, Englisch und zwischendurch Sächsisch höre …
Janin Weisser. Foto: Moni Schneider-Mild ...
Janin Weisser. Foto: Moni Schneider-Mild
In Rumänien angekommen, hatte ich am Anfang erst einmal einen positiven Kulturschock. Man hat vorher seine Bilder im Kopf, die man gar nicht richtig fassen kann, und dann steht man in Hermannstadt auf dem Großen Ring, und man könnte fast meinen, man befindet sich in einem ganz anderen Land und nicht in Rumänien. Die erste Woche verbrachten wir acht Freiwilligen in Hermannstadt und besuchten alle Einsatzstellen. Mitte der Woche kam für mich Licht ins Dunkel. Mit meinem riesigen schweren Koffer beladen marschierte ich über den Kirchhof und schon von weitem wurde ich mit meinem Namen begrüßt. Die Herzlichkeit und Gastfreundschaft der Menschen hier in Mediasch machte es mir sehr leicht, mich schnell einzuleben und meinen Platz zu finden.

Aber wie sieht die Woche einer Freiwilligen hier aus? Zum Ende meines Dienstes kann ich sagen: Keine Woche gleicht der anderen. Was ich hier zuerst lernen musste ist, jede Woche so anzunehmen, wie sie ist, und bloß keinen exakten Terminplan bzw. Zeitplan zu erwarten. Mir ist es so einige Male passiert, dass ich montags dachte, dass wird eine entspannte Woche, und ich mich sonntags fragte, wo denn jetzt eigentlich meine Woche geblieben ist.

Natürlich hat meine Woche hier eine grobe Struktur. Eine Art von „Pfarrermontag“ hat auch die Freiwillige und so beginnt der Montag ruhig. Nur am späten Nachmittag trifft sich der Mediascher Kirchenchor zur Probe. Dienstagmorgens heißt es für mich früh aufzustehen, um ja zum siebten Glockenschlag in der Sakristei zu sitzen, denn hier findet die wöchentliche Morgenandacht statt. Im Anschluss treffen sich alle Mitarbeiter vom Kirchhof und man erfährt, welche Pläne für die Woche gemacht wurden. Den Dienstagmorgen verbringe ich dann auf dem Kirchhof mit allerlei Aufgaben, denn es gibt immer etwas vorzubereiten. Am Dienstagnachmittag treffen sich Frauen und es wird gemeinsam gebastelt, Tee getrunken und erzählt. Egal ob basteln, nähen, malen oder gestalten – Mediasch gibt mir die große Chance, meine in mir schlummernde Kreativität zu entfalten. In dieser Zeit hier ergab sich eine Kooperation mit einer Behinderteneinrichtung in Mediasch. Zur Eingliederung in die deutsche Gemeinschaft holte ich jeden Dienstag eine Sächsin ab und begleitete sie ins Frauentreffen.

Mittwochs ist der „Diakonietag“. Das heißt, ich arbeite nicht nur für die Gemeinde, sondern auch für die Diakonie Mediasch und besuche siebenbürgisch-sächsische Senioren und tausche mich mit ihnen aus. Für mich ist es eine gute Möglichkeit, mehr über die bewegte Geschichte der Siebenbürger Sachsen zu erfahren. Ich bin immer wieder überrascht, wie offen und gastfreundlich ich in den verschiedensten Häusern aufgenommen werde. Meist komme ich unangemeldet, doch gibt es einige Haushalte, in denen ich mich telefonisch anmelden soll. Dort kann ich dann fast immer mit einem Kaffee und Gebäck rechnen.

Donnerstags sind meine festen Termine, die wöchentliche Besprechung mit Pfarrer Gerhard Servatius-Depner, die Bibelstunde und abends Jugendchor. Freitags findet die Jugendstunde statt, in die fünf bis zehn Jugendliche kommen. Was wir immer machen, ist gemeinsam zu singen. Anschließend planen wir dann Aktivitäten, backen Pizza oder besuchen verschiedene Veranstaltungen. Auch am Sonntag gibt es allerlei Chancen, mich einzubringen. Möglichkeiten sind: den Kindergottesdienst zu halten, mit den Pfarrern zu den Gottesdiensten auf die umliegenden Dörfer zu fahren, im Mediascher Gottesdienst im Chor mitzusingen oder aber mit der Kantorin Edith Toth oder Pfarrer Servatius-Depner Duette auf der Querflöte zu spielen.

Neben meinen fixen Terminen ist es aber auch wichtig, spontan zu bleiben. Man geht hier durchs Kirchenjahr und bereitet die unterschiedlichsten Feste vor. So wird es nicht langweilig, da immer wieder unterschiedliche große und kleine Projekte anstehen. Die Highlights in Mediasch sind das traditionelle Lebkuchenbacken und die intensive Vorweihnachtszeit, die Vorbereitung und Durchführung des ökumenischen Weltgebetstag der Frauen, die Gemeindefeste und die Kinderbibeltage. Sowohl unter der Woche als auch am Wochenende geschieht viel in der Gemeinde. Zusätzlich kann ich aber an Wochenenden auch verschiedene Rüstzeiten bzw. Freizeiten besuchen, sei es eine Chorfreizeit, das Multiplikatorinnentreffen für den Weltgebetstag, Konfirmandenrüstzeiten oder Freizeiten des Landes-Jugend-Mitarbeiter-Kreises. Es gab für mich viele Möglichkeiten, neue Menschen kennenzulernen und Kontakte zu knüpfen.

Heute ist Mediasch alles andere als ein weißer Fleck auf der Landkarte. Es ist ein Fleckchen Erde, das voller verschiedener Farben ist. Ich fühle mich hier sehr wohl und willkommen. Ein Jahr in Rumänien verändert, ja, aber nicht aufdringlich, sondern nach und nach. Ich erlebe mich spontaner, selbstständiger und entspannter. In der sächsischen Elegie heißt es „anders rinnt hier die Zeit“ und auch das durfte ich erleben, ein ganz anderes Zeitgefühl und -erleben. Auf der anderen Seite die bewegte Geschichte dieses Landes. So manches Erlernte aus dem Geschichtsunterricht sehe ich nun mit ganz anderen Augen. Und wenn man Mediasch und Siebenbürgen mal verlässt, kann man hier so viele weitere schöne Flecken entdecken, sei es das Donaudelta oder die Bukowina, der Geheimtipp oder die touristische Attraktion. Ein Jahr reicht nicht aus, um alles zu sehen, was dieses Land ausmacht, aber es ist ein guter Anfang. Und so sitze ich nun hier mit der Gewissheit, dass ich diesen bunten Flecken Erde bald wieder besuchen und weiter erforschen will.

Schlagwörter: Soziales, Mediasch

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