10. August 2017

Unsere Heimat lebt! Starke Signale aus der siebenbürgischen "Haupt- und Hermannstadt"

In Hermannstadt fand vom 4.-6. August das 27. Sachsentreffen statt. Es stand unter dem Motto „In der Welt zu Hause – in Siebenbürgen daheim“. Schätzungen der Organisatoren zufolge reisten 12.000 Siebenbürger Sachsen allein aus Deutschland an, über zweihundert aus Österreich und mehrere Hundert aus den USA und Kanada, um sich in der „historischen Haupt- und Hermannstadt“ Siebenbürgens mit ihren Landsleuten zu vereinen. Es war das größte Sachsentreffen aller Zeiten in Rumänien. Viele Ausgewanderte nutzten die Gelegenheit, um ihren Kindern die Heimatorte ihrer Vorfahren zu zeigen. Die Begegnungen mit ihren noch etwa 12.000 in Siebenbürgen lebenden Landsleuten werden in den folgenden Tagen und Wochen in 66 Gemeinden weitergeführt.
Die hohe Präsenz ist ein Zeichen der Solidarität, des Gemeinschaftssinns, des grenzüberschreitenden Zusammenhaltens: Längst sind Zwistigkeiten der Ausgewanderten und Daheimgebliebenen überwunden – es ist zusammengewachsen, was zusammengehört. Beim diesjährigen Sachsentreffen ging es um die Stärkung dieser Gemeinschaft, aber auch darum, die nicht in Siebenbürgen geborene Jugend mit der Frage zu konfrontieren, was für sie Heimat, Gemeinschaft und das Bewahren der siebenbürgisch-sächsischen Identität bedeutet, erklärt der Vorsitzende des Siebenbürgenforums Martin Bottesch.

Sächsische Werte für ein gemeinsames „europäisches Haus“

„Ich bin beeindruckt, dass sich der Große Ring als zu klein erweist“, leitet Staatspräsident Klaus Johannis seine Ansprache am Samstagvormittag ein. „Aber vor allem freue ich mich, dass ich neben den Vertretern der älteren Generation auch viele Jugendliche und Kinder erblicke.“ Die „hospites saxones et flandrenses“ hätten die Basis einer starken sächsischen Gemeinschaft geschaffen, deren grundlegende Botschaft sei, für Freiheit zu kämpfen, den anderen zu respektieren, Solidarität und Toleranz zu üben, so das Staatsoberhaupt. „Ganz gleich, wie weit weg ihr von der einstigen Heimat lebt, bringen uns diese unersetzbaren Schätze Siebenbürgens wieder zusammen.“ „Erzählt euren Kindern und Enkelkindern vom Land der sieben Burgen“, fordert er auf. „Ermutigt sie, die Werte, die uns bekannt, beliebt und respektiert gemacht haben, zu kennen, zu schätzen und sich anzueignen.“
Staatspräsident Klaus Johannis und Gattin Carmen ...
Staatspräsident Klaus Johannis und Gattin Carmen wurden begeistert von Tausenden Siebenbürger Sachsen aus der ganzen Welt auf dem Großen Ring in Hermannstadt empfangen. Foto: George Dumitriu
Auf der Bühne am Großen Ring waren neben dem Präsidenten und seiner Gattin Carmen der deutsche Botschafter Cord Meier-Klodt, der österreichische Botschafter Mag. Gerhard Reiweger, der rumänische Botschafter in Berlin, Emil Hurezeanu, die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Gerda Hasselfeldt, der Präsident der weltweiten Föderation der Siebenbürger Sachsen und Verbandspräsident des Verbands der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Dr. Bernd Fabritius, MdB, der Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, Reinhart Guib, der Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, Dr. Paul Jürgen Porr, der Präsident des Hessischen Landtags, Norbert Kartmann, die Bundesvorsitzende des Verbands der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Herta Daniel, der Vorsitzende des Verbands der Heimatortsgemeinschaften in Deutschland, Hans Gärtner, der Bundesobmann der Siebenbürger Sachsen in Österreich, Manfred Schuller, die Vizepräsidentin der Alliance of Transylvanian Saxons in den USA, Monica Weber, der Abgeordnete der deutschen Minderheit im rumänischen Parlament, Ovidiu Ganț, die deutsche Konsulin in Hermannstadt, Judith Urban, die Vorsitzende des Kreisrats von Hermannstadt, Daniela Câmpeanu, die Vizepräfektin des Kreises, Olimpia Prislopean, und die Bürgermeisterin von Hermannstadt, Astrid Fodor vertreten.

Die Idee für dieses bisher einzigartige Sachsentreffen wurde vor drei Jahren von Hans Gärtner, dem Vorsitzenden des HOG Verbands in Deutschland, geboren, verrät Bottesch. Für die gewaltige organisatorische Aufgabe zeichnet dieser und das Siebenbürgenforum in Rumänien verantwortlich. Bürgermeisterin Astrid Fodor erklärt, warum es für sie selbstverständlich war, dieses Großereignis in Hermannstadt zu begehen: Als eine der ersten, im 12. Jahrhundert von deutschen Siedlern gegründeten Niederlassungen, ist die Stadt seit dem Mittelalter politisches Zentrum der Siebenbürger Sachsen, seit 1867 Bischofssitz der Evangelischen Kirche A.B., seit 1990 Gründungsort und Sitz des deutschen Forums und war 2007 Kulturhauptstadt Europas, „dank des damaligen Bürgermeisters, unseres heutigen Staatspräsidents“, wie sie ergänzt.
Großer Aufmarsch der siebenbürgischen Trachten-, ...
Großer Aufmarsch der siebenbürgischen Trachten-, Tanz- und Musikgruppen aus der ganzen Welt. Foto: George Dumitriu
In den Ansprachen werden immer wieder die grenzüberschreitende Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen und das friedliche Miteinander der Ethnien, historisch fest verankert in Siebenbürgen, als beispielgebende und brückenbauende Werte für ein gemeinsames Europa erwähnt. Die Siebenbürger leben vor: Heimat kann vielfältig verstanden werden, die alte und die neue stehen nicht im Widerspruch zueinander, die große gemeinsame Heimat Europa schließt alle ein.

Herta Daniel, Bundesvorsitzende des Verbands der Siebenbürger Sachsen, fordert auf Deutsch, Rumänisch, Ungarisch, Englisch und Sächsisch auf, getreu dem gemeinsam gesungenen Siebenbürgenlied – „Siebenbürgen, süße Heimat unser teures Vaterland! Sei gegrüßt in deiner Schöne und um alle deine Söhne schlinge sich der Eintracht Band!“ – auch die anderen Nationalitäten in die Gemeinschaft einzubeziehen.

Der deutsche Botschafter Cord Meier-Klodt sah in der starken internationalen Präsenz ein deutliches politisches Signal: „Es wächst zusammen, was zusammengehört“ bezieht er sich auf den Titel des Interviews, das Dr. Bernd Fabritius der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien nach dem Heimattag in Dinkelsbühl gewährte, und bekräftigt: „Ich schließe mich dem an.“ Dass Rumänen und Bürger anderer Ethnien Seite an Seite an der Zukunft Europas bauen, erwarte vor allem die Jugend, mahnt er. Dem Nationalismus Schranken zu setzen, fordert auch Botschafter Reiweger: Die Siebenbürger Sachsen stünden dabei dem Gedanken einer EU-Identität besonders nahe.

Einen Vergleich der Lebensqualitäten zieht Forumsvorsitzender Dr. Paul Jürgen Porr: Auch wenn Rumänien gegen sein schlechtes Image kämpft und die derzeitige Regierung die schlechteste seit dem Umbruch sei, stellt er die Frage: „Ist es anderswo besser?“ Der Ukraine-Konflikt liegt nur auf Eis, gibt er zu bedenken. In Mitteleuropa stellen nationalistische Tendenzen und Anti-EU Stimmung die Europäische Union vor eine Zerreißprobe, die mit dem Brexit gipfelt. An den Grenzen zur EU warten Millionen von Flüchtlingen. Und in den USA, einst Schutzmacht von Freiheit und Demokratie, herrscht ein unberechenbarer Präsident. Die Gier globaler Finanzmärkte und Hedge Fonds werde bald die nächste Finanzkrise auslösen, hinzu kommt der Klimawandel ... „Unser Zuhause, Europa, ist nicht gerade ein trautes Heim“, resümiert Porr und mahnt: „Das Haus muss sich auf Grundwerte besinnen, um weiter bestehen zu können.“

„Die Geschichte von der Heimat, die lebt“

„Die Geschichte von der Heimat, die lebt“, erzählt Bischof Guib während des Festakts. Und von den „Apfelbäumchen der Hoffnung“, in Anlehnung an das Luther-Zitat „Wenn ich wüsste, dass morgen der jüngste Tag wäre, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“ Selbst wenn Kirchtürme einstürzen und von früher 200 Pfarrern nur noch 32 Deutsch predigen, sieht er Hoffnung für die Kirche: Einige Sachsen sind zurückgekehrt und helfen, die Gemeinschaft wieder zu stärken. Ausländer finden „aus Übersattheit den Weg ins urige Siebenbürgen“. Die Kirchen füllen sich von neuem, auch mit anderssprachigen Nachbarn und Freunden. Mit EU-Mitteln oder auf Initiative der HOGs werden Kirchenburgen restauriert – das Programm „Entdecke die Seele Siebenbürgens“ macht es möglich. Die Stiftung Kirchenburgen mit den Staatspräsidenten Deutschlands und Rumäniens als Schirmherren sichert deren Nutzung und Erhalt. Heute sind sie nationales Kulturgut – manche sogar Weltkulturerbe.

Hoffnung macht auch die anhaltende Beliebtheit des deutschen Schulsystems: Über 22.000 Kinder im ganzen Land wollen Deutsch lernen. Über 100.000 Familien würden, so eine Umfrage, ihre Kinder in eine deutschsprachige Schule geben – dabei gibt es gerade mal 40.000 Deutsche in Rumänien, zeigt der Bischof auf. Hoffnung macht, dass Siebenbürgen nach der Auswanderungswelle wieder Einwanderungsland sein kann – „auch in der heutigen politischen Konstellation“, betont er. „Es geht weiter in Siebenbürgen! Anders! In einer viel bunteren Gesellschaft als der von Johannes Honterus und Stephan Ludwig Roth“, resümiert Bischof Guib. „Die Heimat hat sich verändert – aber sie ist nie minderwertiger geworden.“ „Apfelbäumchen der Hoffnung säumen den Weg“, stellt er immer wieder fest.

Streicheleinheiten für die siebenbürgische Seele

Über 17.000 Sachsen aus Deutschland, Österreich und Übersee sind ins Land ihrer Wurzeln gekommen, „um hier ihre siebenbürgische Seele zu streicheln“, wie es Hans Gärtner ausdrückt. „Das hat es in Europa noch nicht gegeben!“

Monica Weber, Vizepräsidentin der Alliance of Transylvanian Saxons in den USA, erklärt, dass seit gut 115 Jahren in 23 lokalen Gruppen sächsisches Brauchtum gepflegt wird: „home made Wurst” und „Hanklisch“, „Trachtenballs and Traubenfest“, ein „North American Heimattag“. Manche Familien sprechen sogar noch Sächsisch zu Hause.

„Leider haben die totalitären Regime des vergangenen Jahrhunderts die Freiheit und die Identität der Siebenbürger Sachsen sowie der anderen Minderheiten und der rumänischen Mehrheit fast bis zu ihrer Auslöschung in Frage gestellt“, bedauert Staatspräsident Klaus Johannis. Das kommunistische Regime sei verantwortlich für „die Spaltung unserer Gemeinschaft, die schmerzhaft sowohl von den Ausgewanderten als auch von den Hiergebliebenen empfunden wird.“ Doch alte Wunden heilen: „Ein Jahrhundert danach, im neu geschaffenen europäischen Raum, bin ich als der Präsident Rumäniens überzeugt, dass wir guten Grund haben, den kommenden Generationen Argumente und Fakten zu bieten, um das hundertjährige Rumänien als einen Ort der Chancen und des Wohlstands wiederzuentdecken“, fügt er an. Dieses hundertjährige Rumänien soll nächstes Jahr den Ort und das Motto für das Sachsentreffen 2018 in Mediasch liefern, stellt Ovidiu Ganț in Aussicht.
Vor dem ehrwürdigen Bischofspalais, dem ...
Vor dem ehrwürdigen Bischofspalais, dem geschichtsträchtigen Brukenthal-Museum, dem Forumssitz oder dem Rathaus feiern Jung und Alt ausgelassen bis in die späte Nacht hinein. Foto: George Dumitriu
Symbolisch lädt der sächische rumänische Staatspräsident seine ausgewanderten Landsleute ein, Hermannstadt als Heimat wiederzufinden. Dr. Bernd Fabritius greift den Faden später auf: „Ich nehme diese Einladung dankend für alle Siebenbürger Sachsen in aller Welt an.“ Und bekräftigt: „Wir wollen wieder in Hermannstadt zu Hause sein!“

Bewegend und ein Signal an die Jugend

Nach dem dreitägigen Programm mit Ausstellungen, Buchvorstellungen, einer großen Trachtenparade, Kinderprogramm und Freiluftkonzerten, Festreden und Ehrungen – die Honterus-Medaille wurde in diesem Jahr an Stadtpfarrer i.R. Wolfgang Rehner verliehen; mit dem Ernst-Habermann Preis der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung wurde der Fotograf Kilian Müller geehrt – traf man sich zum krönenden Abschluss im Brukenthalpalais in Freck zum gemütlichen Beisammensein und der Aufführung des sächsischen Singspiels „Bäm Brännchen“.
Als krönender Abschluss des Sachsentreffens wurde ...
Als krönender Abschluss des Sachsentreffens wurde im Brukenthalpalais in Freck das sächsische Singspiel „Bäm Brännchen“ aufgeführt. Foto: George Dumitriu
Drei Tage lang tobt das Leben in und um Hermannstadt, vor allem auf dem Großen Ring: Tagsüber defilierten dort stolze Trachtenträger, plaudernd werden Mici, Bier und Limonade unter Zeltdächern genossen, von einer Veranstaltung zur anderen gehetzt und tapfer den Temperaturen von weit über 30 Grad getrotzt. Abends bis spät in die Nacht entfesselt sich dann ungehemmt die siebenbürgische Seele: Vor dem ehrwürdigen Bischofspalais, dem geschichtsträchtigen Brukenthal-Museum, dem Forumssitz oder dem Rathaus wiegen sich Oma und Opa, tanzen Jugendliche ausgelassen ab, hüpfen junge Mütter und Väter mit ihren Knirpsen auf den Schultern gemeinsam zu Schlagern und Oldies. „Es war ein unglaublich bewegendes Wochenende in Hermannstadt, in dem wir die siebenbürgische Identität in ihrer rumfassenden Form erleben und erfassen konnten“, resümiert Dr. Bernd Fabritius. „Dass so viele Landsleute aus den USA, Kanada, Deutschland und Österreich gekommen sind, ist bewegend und ein Signal an die Jugend. Es ist wichtig, dass wir das, was unsere Seele ausmacht, an die Jugend weitergeben, und dass dies möglich ist, konnten wir hier in Hermannstadt feststellen.“

Nina May

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Schlagwörter: Sachsentreffen, Hermannstadt, Klaus Johannis, Bernd Fabritius, Herta Daniel, Forum, HOG-Verband

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