28. Juni 2001

Neue Stadtbahn für Kronstadt?

Nachdem im Vorjahr der Plan aufgetaucht war, die vor Jahrzehnten eingestellten Straßenbahnen in Hermannstadt zu reaktivieren, hat jetzt die Regionaldirektion Kronstadt der Rumänischen Eisenbahnen eine Studie über ein dortiges Straßenbahnnetz erarbeiten lassen. Die Umstellung des veralteten Nahverkehrsnetzes auf eine moderne Stadtbahn in Kronstadt hätte Pilotcharakter für ganz Rumänien.
Derzeit wird der Nahverkehr in der Zinnenstadt von 27 Buslinien mit einer Gesamtlänge von 400 Kilometern, 14 O-Buslinien mit einer Länge von 169,8 Kilometern und einer 13,4 Kilometer langen Straßenbahnlinie abgewickelt.
Die Nahverkehrsbetriebe in Kronstadt verfügen dabei ebenso wie die in Banater Städten über verhältnismäßig moderne Straßenbahnfahrzeuge, die sie bei der Umstellung des deutschen Straßenbahnnetzes auf Niedrigflurfahrzeuge um „ein Ei und ein Butterbrot“ erhalten haben. Schlechter sieht es bei den Omnibussen aus. Während in der Hauptstadt Bukarest schon weitgehend neue Fahrzeuge verkehren, sind die auf dem Lande und auch in den Großstädten des Landes eingesetzten Fahrzeuge meist äußerst betagt und klapprig. Ganz schlimm sieht es bei den Trolleybussen aus. Weil dieses Verkehrsmittel in Westeuropa kaum eingesetzt wird, stehen auch kaum ausgesonderte Fahrzeuge zur Verfügung. Schon deshalb wäre eine Umstellung des Nahverkehrs auf ein Stadtbahnsystem zweifellos für die geplagten Bürger eine gute Lösung. Um so mehr als die Rumänischen Eisenbahnen daran denken, gut erhaltene Dieseltriebwagen von der Deutschen Bundesbahn zu erwerben, die durch die Umstellung auf Fahrzeuge des Typs „Eurosprinter“ frei werden.
In Kronstadt beruht das Konzept auf historischem Vorbild. Zu einem großen Teil haben auf den vorgeschlagenen Strecken zu Beginn des 20. Jahrhunderts Straßenbahnen verkehrt. Die Studie schlägt drei Linien vor, die über den Hauptbahnhof die Vororte Weidenbach, Darste, Honigberg, Satulla, Cernatu, Turches und Sacele verbinden würden. Querverbindungen nach Zeiden und Zarnesti wären möglich. Für dieses Streckennetz wären nicht nur neue Schienen, sondern auch entsprechende Haltestellen erforderlich. Selbst bei einer Finanzierung aus Mitteln der Weltbank, der Europäischen Entwicklungsbank und durch PHARE-Zuschüsse scheint das Projekt jedoch für rumänische Verhältnisse zu teuer. Eine Fahrt von längstens 23 Minuten würde 10 000 Lei (80 Pfennig) kosten, während der Fahrschein im Stadtverkehr bislang für 3 500 Lei (28 Pfennig) zu haben ist. Für Westeuropa Kleckerbeträge, aber für rumänische Einkommensverhältnisse sind 10 000 Lei viel Geld. Erstaunlicherweise lässt die Studie die Zahl der möglichen Fahrgäste auch völlig offen.
Das Stadtbahnnetz hätte für Rumänien Pilotcharakter. Bislang gibt es ein solches nirgends – auch nicht in Bukarest, wenngleich die Hauptstadt über ein gut ausgebautes Untergrundbahnnetz verfügt, das derzeit erweitert wird.

Horst Schinzel

Schlagwörter: Kronstadt

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