16. Oktober 2007

Interview mit Volker Scherer: "Jubiläums"-Wirtschaftstag in Ludwigshafen

Am 21. November 2007 findet in Ludwigshafen der zehnte Wirtschaftstag Rumänien statt. Er wird von der IHK Pfalz organisiert und bietet deutschen Unternehmen, die an einem wirtschaft­lichen Engagement in dem südosteuropäischen Land interessiert sind, umfangreiche und praxisbezogene Informationen und Kontakte. Aus Anlass des 10. Jubiläums des Wirt­schaftstages hat Uwe Konst ein Interview mit Volker Scherer, Stellvertretender Leiter International der IHK Pfalz und „spiritus rector“ des dortigen „Kompetenzzentrum Rumä­nien“, geführt.
Herr Scherer, durch ihre Wirtschaftstage hat sich die IHK Pfalz zum Kompetenzzentrum Ru­mä­nien im deutschen IHK-Netzwerk entwickelt. Wo liegen die Anfänge dieser Fokussierung auf Rumä­nien?

Die Anfänge gehen zurück auf das Jahr 1996. Damals waren die Rahmenbedingungen in Ru­mänien äußerst schwierig, zudem war in Deutschland sehr wenig über das Land be­kannt. Trotz aller Skepsis organisierten wir einen der ersten größeren Rumä­nienwirt­schafts­tage in Deutschland und hatten mit einer Teilnehmerzahl von über 130 Perso­nen einen überraschend großen Zu­spruch, mit dem wir bei weitem nicht gerechnet hatten. Da offensichtlich ein großes Interesse an diesem Land bestand, boten wir mehrere Folgever­anstal­tungen und im Jahr 1997 auch die erste Koope­rationsreise an. Dabei entstanden zunehmend Kontakte und folglich dann auch das Kompe­tenz­zentrum Rumänien der IHK Pfalz. Inzwi­schen haben wir 17 Unter­neh­merreisen, 9 Wirt­schaftstage und mehr als 4000 Beratungen durchgeführt.

Welches sind die Schwerpunkte des 10. Wirt­schaftstages und wo können weitere Infor­ma­tionen angefordert werden?

Im Mittelpunkt der Veranstaltung stehen vor allem praktische Erfahrungen von Unterneh­men, die wir in insgesamt sechs inhaltlichen Blöcken an die Teilnehmer weitergeben möchten. Neben der Darstellung rechtlicher Rah­menbedingungen stehen u.a. auch die Themen Standort-, Personal- und Partnersuche sowie Strategien für Vertrieb und Einkauf im Mit­telpunkt. Als Ehrengast aus Rumänien erwarten wir in diesem Jahr Ovidiu Ganț, der als Mitglied des Europäischen Parlaments über die wirtschaftliche und politische Situation in Rumänien nach dem EU-Beitritt sprechen wird. Informationen zum Wirtschaftstag können im Internet unter www.pfalz.ihk24.de/rumaenien abgerufen werden oder natürlich auch bei mir oder meinen Kollegen.

Welche weiteren Rumänien-bezogenen Ange­bo­te gibt es bei der IHK Pfalz?

Unser Kompetenzzentrum Rumänien besteht seit mittlerweile zehn Jahren. In diesem Zeit­raum haben wir eine Art Baukastensystem entwickelt, das aus Unternehmerreisen, Wirt­schafts­tagen, Fachseminaren, Symposien, Vor­trägen und Sprechtagen besteht. Kernstück bleibt aber die Beratung zu allen Fragen eines unternehmerischen Engagements in Rumänien. Dabei möchten wir nicht nur Wissen vermitteln, sondern vor allem auch Erfahrungen von Unter­nehmen an Unternehmer weitergeben. Der Ge­danke des Austauschs steht auch bei unserem „Rumänienstammtisch“ im Mittel­punkt, den wir in unregelmäßigen Zeitab­ständen durchführen. Last but not least ist unser Internetangebot ein wichtiges Kommuni­kationsinstrument.

Durch diese intensive Beschäftigung mit Rumänien und seiner wirtschaftlichen Entwick­lung haben Sie einen umfassenden Eindruck von dem wirtschaftlichen Potential des Landes gewinnen können. Wo sehen Sie Rumänien im Jahr eins nach dem EU-Beitritt?

Der zum Jahresbeginn erfolgte Beitritt zur EU wird für einen zusätzlichen Schub sorgen, der die positive Entwicklung auch mittelfristig sichern wird. Insbesondere mittelständische Unternehmen haben es dadurch leichter, in Ru­mänien Fuß zu fassen oder mit rumänischen Partnern Handel zu betreiben. Rumänien darf sich aber auf diesen positiven Effekten nicht ausruhen, sondern muss die von der EU geforderten Reformen in den Bereichen Rechts­si­cherheit, Verwaltung und Bekämpfung der Korruption mit aller Entschlossenheit weiterführen. Es wäre schade, wenn durch parteipolitische Differenzen hier ein Reformstau entstehen würde, der die weitere Entwicklung verzögern oder gar gefährden würde.

Welche mittelfristige Entwicklung prognostizieren Sie für das südosteuropäische Land?

Ich sehe Rumänien insgesamt auf einem gu­ten Weg, der allerdings nach wie vor beschwerlich ist. Insbesondere muss nach meiner Auffassung der Übergang vom „Billiglohnland“ mit Schwerpunkten in der Lohnveredelung in eine moderne Industrie- und Dienstleistungs­gesellschaft konzeptionell in die Wege geleitet werden, um das derzeit vorhandene Wachstum langfristig zu sichern und den damit verbundenen Zuwachs an Wohlstand in breitere Be­völkerungsgruppen zu transportieren. Auf diese Weise wird es gelingen, die riesigen Unter­schiede in der regionalen Entwicklung des Lan­des zu überwinden. Ein effizienter Einsatz der bereitgestellten EU-Mittel wird diesen Prozess zusätzlich unterstützen.

Viele deutsche Unternehmen sind in dem Land bereits präsent. Einige davon werden bei dem Wirtschaftstag im November über ihre Er­fahrungen berichten. Lohnt sich der Markt­eintritt in Rumänien auch heute noch?

Gerade für mittelständische Unternehmen ist Rumänien derzeit besonders interessant und wird in Zukunft weiter an Attraktivität gewinnen. Durch den EU-Beitritt ist vieles einfacher geworden, ich denke hier beispielsweise an den Wegfall der problematischen Zollkontrollen. Neben der allgemein günstigen Ausgangs­situation haben aber auch einzelne Bereiche wie z.B. die Baubranche zurzeit besonders gute Möglichkeiten in Rumänien. Hier gilt es, die Chancen zu nutzen.

Welche Wünsche haben bereits in Rumänien vertretene deutsche Unternehmen und solche, die ein unternehmerisches Engagement planen, an die rumänische Regierung?

Für Unternehmen – seien es heimische oder deutsche – sind Rechtssicherheit, Transparenz und eine effiziente öffentliche Verwaltung unabdingbare Voraussetzungen für ihren langfristigen geschäftlichen Erfolg. Auf einem imaginären Wunschzettel würden diese Punkte daher ganz oben stehen, gefolgt von dem Wunsch nach objektiveren Steuerprüfungen, deren Ergebnis nicht bereits vor der Prüfung feststeht. Zudem gewinnt das Thema Ausbildung zunehmend an Bedeutung. Unternehmen wünschen sich hier eine strukturiertere und vor allem praxisnähere Ausgestaltung. Da dieses Defizit bisher nicht entschlossen genug angegangen wird, organisieren einige Großinvestoren eigene Aus­bildungsprogramme. Dies kann aber auf Dauer keine Lösung sein.

Als kleine Premiere ist in das Programm des diesjährigen Wirtschaftstages ein „Special“ über die Republik Moldau aufgenommen worden. Verzeichnen Sie ein steigendes Interesse an diesem neuen Nachbarn der Europäischen Union? Die Republik Moldau ist natürlich ein vergleichsweise kleines Land, hat aber nach meiner Einschätzung durchaus Chancen, zu einer interessanten Alternative in der Region zu werden. Da man in Deutschland noch relativ wenig über das Land weiß, möchten wir den Teil­nehmern unseres Wirtschaftstages zusätzlich die Gelegenheit bieten, sich in einem ca. 75-minütigen Workshop über die Chancen von Handel, Kooperation und Investition mit und in der Republik Moldau zu informieren.

Haben Sie bereits Pläne für Veranstaltungen zu Rumänien in 2008?

Wir werden wieder zwei Kooperationsreisen nach Rumänien durchführen. In Zusammen­arbeit mit dem „Mittel- und Osteuropazentrum Rheinland-Pfalz (MOEZ GmbH)“ wird die erste Reise vom 31. März bis 4. April stattfinden. Vor­aus­­sichtliche Ziele werden Arad, Großwardein (Oradea) und Klausenburg (Cluj) sein. Die zweite Reise soll im Oktober stattfinden, wobei die Zielregion noch offen ist. Wie immer werden wir die nächste Ausgabe unseres traditionellen Wirtschaftstags im November durchführen sowie verschiedene Seminare zu ausgewählten Themen im Programm haben. Möglicherweise legen wir einen besonderen Schwerpunkt auf die Branchen Umwelttechnik und Logistik, die wir als besonders interessant betrachten.

Herr Scherer, wir danken für das Gespräch.

Schlagwörter: Interview, Wirtschaft, Investitionen, deutsch-rumänische Beziehungen

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