12. November 2008

S-Bahn in Hermannstadt?

Wer als Autofahrer am 15. Oktober auf der Nationalstraße DN 1 hinter Schellenberg unterwegs war, staunte nicht schlecht. Zwei Männer mit Warnwesten und roten Fähnchen blockierten die Nationalstraße, um einem modernen Dieseltriebwagen der rumänischen Eisenbahngesellschaft CFR sicher den Weg in Richtung Heltau zu bahnen.
Diese Autofahrer und weitere Schaulustige entlang der Strecke wurden Zeugen der offiziellen Testfahrt einer möglichen Hermannstädter S-Bahn. „Wir wollen zeigen, dass ein regelmäßiger Zugbetrieb möglich ist“, erklärte Jens Kielhorn, Mitglied des Deutschen Wirtschaftsclubs Siebenbürgen (DWS) und treibende Kraft dieses Projekts. Die Zugfahrt hatte der DWS organisiert und finanziert. Anlass war die Eröffnung des Gewerbegebietes Zios in Salzburg, Endpunkt einer möglichen S-Bahnstrecke.

Zahlreiche Gäste waren der Einladung des DWS-Geschäftsführers Detlef Barthmes gefolgt und sorgten für einen gut gefüllten Zug. Gekommen waren Kreisratspräsident Martin Bottesch, der deutsche Generalkonsul Jean Pierre Rollin, Vertreter der rumänischen Eisenbahngesellschaft CFR sowie die lokale Presse.
Der Zug überquert die Europastraße bei ...
Der Zug überquert die Europastraße bei Schellenberg. Foto: Anselm Roth
Vorangetrieben wird die Idee einer S-Bahn für Hermannstadt seit 2006 von Jens Kielhorn, der früher für ein Eisenbahnunternehmen in Deutschland tätig war. Kielhorn möchte eine Alternative für die zunehmenden Verkehrsprobleme in der Stadt aufzeigen. Diese könnten nicht allein durch die im Bau befindliche Umgehungsstraße gelöst werden. Es gebe nur 20 Prozent Durchgangsverkehr. Mit 80 Prozent sorgen die Hermannstädter Autofahrer für den größten Anteil am lokalen Verkehr, zitiert er die Ergebnisse des Masterplans für den städtischen Verkehr in Hermannstadt.

Bereits 2009 soll nach dem Willen Kielhorns und seines Partners Jozsef Kolozsi ein regelmäßiger Zugbetrieb zwischen Heltau und Neppendorf aufgenommen werden. Kolozsi, Chef eines auf den Bau von Bahnstrecken spezialisierten Unternehmens, hat bereits seit 2006 die Strecke nach Heltau von der rumänischen Staatsbahn CFR gemietet. Seitdem hat er rund 400 000 Lei (umgerechnet rund 109 000 Euro) in die Modernisierung der Bahnanlagen investiert, beispielsweise in den Austausch von 2000 Schwellen. Nächstes Ziel ist es laut Kolozsi, einen gebrauchten Triebwagen zu erwerben, da die Anmietung der CFR-Züge für einen regelmäßigen Bahnbetrieb zu teuer sei. Sobald alle nötigen Genehmigungen vorliegen, soll ein Zug täglich zwölf Stunden zwischen Hermannstadt und Heltau fahren und 300-400 Fahrgäste pro Tag befördern.

Aus Sicht von Bürgermeister Klaus Johannis ist das Projekt eine Utopie, die frühestens in 15 oder 20 Jahren realisiert werden könne, wie er kürzlich auf einer Pressekonferenz verkündete. Von der Stadt gebe es für das Projekt keine Unterstützung, bestätigt Kolozsi. Diese ablehnende Haltung sei ein Problem. „Ohne finanzielle Unterstützung der Stadt lässt sich die S-Bahn langfristig nicht betreiben“, meint Kielhorn.

Das Hauptaugenmerk der Initiatoren liegt zunächst auf der Nutzung der bestehenden, aber bisher nicht bedienten Strecken. „Durch die Wiederbelebung des vorhandenen Netzes zwischen Hermannstadt, Heltau und dem Flughafen kann man testen, ob eine S-Bahn von der Bevölkerung angenommen wird“, so Jean Pierre Rollin, Vorsitzender des DWS. Damit würden in der Versuchsphase hohe Kosten für Investitionen in neue Trassen vermieden. Eine Strecke könnte von Heltau über den Hauptbahnhof zum Flughafen führen. Sinnvoll sei auch eine Verbindung von Salzburg nach Freck. Auf den einzelnen Strecken soll jeder Bahnhof angefahren werden. Für die Pendler in die Industriegebiete könnte eine in kurzen Abständen fahrende S-Bahn eine Alternative zum Auto werden, glaubt Kielhorn. Bis zu einem regulären Betrieb müsste gegenüber vom Flughafen ein neuer Haltepunkt am Gleis der Industriebahn errichtet werden. Die derzeitigen Betriebsabläufe der CFR erzwangen bei der Probefahrt einen längeren Aufenthalt in Neppendorf, der nach einer entsprechenden Vereinbarung mit der Bahngesellschaft entfallen könnte. So würde sich die Fahrzeit zwischen Hauptbahnhof und Flughafen von zwanzig auf zehn Minuten verkürzen.

Holger Wermke


Schlagwörter: Wirtschaft, Verkehr, Hermannstadt

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