3. Juli 2011

„Flügel hier“: Siebenbürgisch-sächsische Autorenlesung in Dinkelsbühl

Pegasus, das geflügelte Ross der Dichter, durfte seine Schwingen auch beim Heimattag der Siebenbürger Sachsen 2011 in Dinkelsbühl entfalten. „Flügel hier – Wurzeln dort. Brücken über Zeit und Raum“ war der Leitspruch dieser Tage. Er galt und gilt gerade auch für das dichterische Schaffen unserer Mundartautoren in prägender Weise. Davon konnte sich eine zahlreiche Zuhörerschaft am Pfingstsonntag im Evangelischen Gemeindehaus St. Paul ab 14 Uhr bei einer Lesung der Mundartautoren Hilda Femmig, Doris Hutter, Bernddieter Schobel, Günther Schuster und Dietrich Weber überzeugen. Alle fünf Autoren sind neben vielen anderen im 2010 erschienenen Sammelband „Sachsesch Wält“ vertreten.
In seiner Einleitung hat sich Bundeskulturreferent Hans-Werner Schuster auf das Wesentlichste beschränkt, damit, wie er sagte, in der zur Verfügung stehenden knappen Stunde den Autoren genügend Zeit für ihre Lesung bliebe. Er sprach vor allem über die Entstehung des Sammelbandes „Sachsesch Wält. Mundarttexte in der Siebenbürgischen Zeitung“ 2005-2010. Herausgegeben von Bernddieter Schobel, Hanni Markel und Hans-Werner Schuster mit Illustrationen von Renate Mildner-Müller und Wolfgang Untch. Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, München 2010, ISBN 978-3-9802015-6-8, 227 S., 9,90 € zzgl. Versand. Danach übergab er den Autoren das Wort. Ein informatives Faltblatt mit Portraitfotos und biographischen Daten der Autoren war im Raum ausgelegt worden.

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Hilda Femmig (geboren am 27. August 1926 in Neudorf bei Hermannstadt) las zum Thema „Mir än Europa“. Mit feinem Humor durchstreifte sie die Bandbreite dieses vielseitigen Zusammenhangs. Zitiert seien hier die Verse, die sich auf unsere Muttersprache bezogen:

Mir sälwest seng zesumme kunn,
wel mer et richtich fånden,
ze fliëjen as härz Mottersproch
en freje net: Wä long uch noch?


„Was sind Kåmpützen?“, fragte Dietrich Weber (geboren am 21. August 1938 in Schirkanyen, deshalb hier zugleich Vertreter des Burzenlandes) in die Runde. Die Antwort musste er selber geben: Kåmpützen sind Kohlrüben. In seinem Gedicht „De Kåmpütze-Kåchen“ beschrieb er dann die Kette von Missverständnissen, die sich beim Kauf im Supermarkt ergeben hatte, weil dieses Gemüses irrtümlich unter „Exoten“ und dementsprechend teuer geführt wurde. Ansprechend war das danach vorgelesene Liebesgedicht: „Wånn am Moi de Kirsche bloiën“.
Lesung in Dinkelsbühl, von links: Dietrich Weber, ...
Lesung in Dinkelsbühl, von links: Dietrich Weber, Bernddieter Schobel, Hilda Femmig, Günther Schuster. Foto: Konrad Klein.
Günther Schuster (geboren am 24. Oktober 1960 in Mediasch) las eigene Gedichte vor, die sich in tiefsinnigen Metaphern mit der Vergänglichkeit der Zeit beschäftigen. Danach wies er auf die einzige zurzeit regelmäßig erscheinende Publikation in siebenbürgisch-sächsischer Sprache hin, die Beilage zum „Mediascher Infoblatt“: „Der Tramiter“ (wird von Günther Schuster redigiert). Auf die Überlegungen Schusters, wie durch ein „Noasaksesch“ unser Dialekt in der heutigen Moderne überleben könnte, kann aus Raumgründen in diesem Bericht nicht näher eingegangen werden. Lediglich zwei Sätze aus dem Schlussteil seines Vortrags seien hier zitiert: „De ,Sachsesch Wält’ äs ener vun dese wichtijen uch richtije Wiëjen, dä mejlich sen. Eas Saksesch hut mindestens de sealf Liëwensberiëchtijung wä all dä vill ånder Dialekter uch Sprochen, dä än desem easem Lånd gesproche wärden.“

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Bernddieter Schobel (geboren am 10. Januar 1940 in Hermannstadt), seit fünf Jahren Mitbetreuer der Rubrik „Sachsesch Wält“ und Mitherausgeber des gleichnamigen Buches, erwähnte scherzhaft ein anderes Jubiläum, das in diesem Jahr gefeiert wird: 125 Jahre Automobil. Passend dazu hatte er aus seinen Trenjemahn-Gedichten diejenigen ausgewählt, in denen seltsame Erlebnisse der Trenjemahn im Auto berichtet werden. Lacherfolg hatte auch sein Vortrag siebenbürgisch-sächsischer Schüttelreime.

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Doris Hutter. Foto: Hans-Werner Schuster ...
Doris Hutter. Foto: Hans-Werner Schuster
Den „krönenden“ (wegen der schönen Bockelung) Schlusspunkt setzte Doris Hutter (geboren am 30. Mai 1957 in Agnetheln). Vor allem ihre geistreichen Kommentare zu verschiedenen Heimattagen gefielen. Sie werden deshalb als Gedichtbeitrag in dieser Folge unserer Rubrik gedruckt. Mit der Hoffnung, dass der siebenbürgisch-sächsische Pegasus seinen Flug durch moderne und postmoderne Zeiten traditionsbewusst und gleichzeitig wirklichkeitsnah fortsetzen möge, schließe ich meinen Bericht.

Bernddieter Schobel

Schlagwörter: Heimattag 2011, Mundart, Lesung

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Neueste Kommentare

  • 05.07.2011, 07:50 Uhr von der Ijel: --et äs jo ha det Produkt. Ech beholden et net fuir mech ellīn, ech gien et glech ... [weiter]
  • 05.07.2011, 07:41 Uhr von der Ijel: Et setj noh Fiurtschrätt eos. Der Härr Schobel kum mir viur wä as Buldogg, åf der Kollektiv, won ... [weiter]

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