26. Juli 2012

Medche, wällt te’n Kanter niëhn?

Veröffentlicht wurde dieses Scherzlied mit dem Titel „Wahl“ bereits von Friedrich Wilhelm Schuster (1824-1912) in „Siebenbürgisch-sächsische Volkslieder, Sprichwörter, Räthsel, ­Zauberformeln und Kinder-Dichtungen“, Hermannstadt 1865, S.112-115 und 451f.
Medche, wällt te’n Kanter niëhn?

Medche, wällt te’n Kanter niëhn?
– Näi, Motter, näi!
Em hießt mich dro de Kanterän
uch de Hiebesbackerän:
Näi, Motter, näi!

Medche, wällt te’n Schnegder niëhn?
– Näi, Motter, näi!
Em hießt mich dro de Schnegderän
uch de Hisefläckerän:
Näi, Motter, näi!

Medche, wällt te’n Däschler niëhn?
– Näi, Motter, näi!
Em hießt mich dro de Däschlerän
uch de Hobbelspeenfriëßerän:
Näi,Motter, näi!

Medche, wällt te’n Kierschner niëhn?
– Näi, Motter, näi!
Em hießt mich dro de Kierschnerän
uch de Blommestickerän:
Näi, Motter, näi!

Medche, wällt te’n Schoster niëhn?
– Näi, Motter, näi!
Em hießt mich dro de Schosterän
uch de Tockefläckerän:
Näi, Motter, näi!

Medche, wällt te’n Schilmiester niëhn?
– Näi, Motter, näi!
Em hießt mich dro de Schilmiesterän
uch de Hangerlegderän:
Näi, Motter, näi!

Medche, wällt te’n Präddijer niëhn?
– Näi, Motter, näi!
Em hießt mich dro de Präddijerän
uch de Fännenkziëhlerän:
Näi, Motter, näi!

Medche, wällt te’n Farr niëhn?
– Näi, Motter, näi!
Em hießt mich dro de Farrerän
uch de Medeschloerän:
Näi, Motter, näi!

Medche, wällt te’n Gebouren niëhn?
– Cha, Motter, cha!
Em hießt mich dro de Gebëierän
uch de flëißich Kireschnegderän:
Cha, Motter, cha!

Der maßgebliche Herausgeber unserer Mundartlieder und Sammler des gesamten deutschen Liedschatzes in Siebenbürgen, Gottlieb Brandsch (1872-1959), behält den thematischen Titel bei und druckt es als erstes der „Hochzeits- und Ehestandslieder“ in mehreren Text- und Melodievarianten erneut in: „Siebenbürgisch-deutsche Volkslieder. I. Band. Lieder in siebenbürgisch-sächsischer Mundart“, Hermannstadt 1931, S. 98-100. Es gehört zu unseren am besten dokumentierten Liedern; zwischen 1850 und 1908 wurde es aus mehr als vierzig Orten bezeugt. G. Brandsch vermutet einen Zusammenhang von Text und Melodie mit einem bereits im 15. Jahrhundert handschriftlich verbreiteten lateinischen Studentenlied.

Während die angesprochene Wahl durchgehend schließlich auf Bauer/Bäuerin fällt, führt bei Schuster (Nr. 48 A, Mühlbach) der Pfarrer eine sozial absteigende Reihe der angebotenen Kandidaten an, im nahen Gergeschdorf (Nr. 48 B) jedoch in beliebiger Ordnung der Prediger und in der Ausgabe Brandsch noch häufiger der Kantor. Die übrigen gedruckten Varianten nennen keine Maiden-schlagende Pfarrerin (Medeschloerän), warten dafür aber mit anderen launigen Zuordnungen auf: Forreran – Fannenkziëhleran, Schilmiesterän – Lousknäckerän, Schümesterän – Präbäntefriëßerän, Fliescherän – Bälebrutschlerän, Kierschnerän – Zirmknäpperän, Däppnerän – Liehmkniëderän, Richteran - Kainjderbuederan, Orjnistan – Wasserschläperan und so weiter (S. 100). Unser Text folgt der Strophenanordnung in „Siebenbürgen Land des Segens. Ein Liederbuch“, bearbeitet und herausgegeben von Erich Phleps, vierte Auflage Innsbruck 1986, Nr. 65, S. 72-73.

Hanni Markel und Bernddieter Schobel

Schlagwörter: Mundart, Gedicht, Saksesch Wält

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