16. Juni 2022

Heimattag des freudevollen Wiedersehens: 72. Pfingsttreffen der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl

„Selbst der Himmel hat Freudentränen vergossen!“, rief der Bundesvorsitzende Rainer Lehni bei seiner Festrede am Pfingstsonntag, dem 5. Juni, auf dem Weinmarkt in Dinkelsbühl aus. Der Himmel freute sich mit den Tausenden Siebenbürger Sachsen, die sich nach zwei Corona-Jahren im mittelfränkischen Dinkelsbühl wiedersahen. Selbst der anfangs starke Regen hielt die 2300 Trachtenträger nicht davon ab, am Festumzug durch die mittelalterliche Stadt teilzunehmen. Und als der blau-weiße Himmel Bayerns wieder sichtbar wurde, kam die volle Pracht der siebenbürgisch-sächsischen Tracht noch besser zur Geltung. Unter dem Motto „Wurzeln suchen – Wege finden“ wurde vom 3. bis 6. Juni 2022 ein niveauvolles und vielseitiges Programm gestaltet, das für jeden Geschmack etwas bot.
Während des Festumzuges kam ein junges Mergler ...
Während des Festumzuges kam ein junges Mergler Paar mit ihrem Kind ins Gespräch mit den Gästen auf der Festtribüne, in der ersten Reihe von links: Rainer Lehni, Joachim Herrmann, Bernd Fabritius, Heiko Hendriks mit Gattin und Bischof Reinhart Guib. Foto: Christian Melzer
Bischof Reinhart Guib, der auch die Predigt im Sonntagsgottesdienst gehalten hatte, überbrachte bei der Festkundgebung vor der Schranne den Pfingstgruß der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, die mit fünf Kirchenbezirken, acht Gemeindeverbänden, 234 Gemeinden und 10.842 evangelischen Seelen nicht mehr groß ist. Doch im Spruch zu Pfingsten heißt es: „Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der HERR Zebaoth.“ (Sacharja 4,6) Heer und Kraft sei der menschliche Irr- und Abweg, auf den Herrscher auch heute verfallen, „wie wir am Beispiel Russlands leider bitter erfahren müssen“, bedauerte der Sachsenbischof. Bei Gott zähle jedoch die Macht, „die den Kleinen, den Wenigen, denen, die ihn brauchen, Aufmerksamkeit schenkt, sie hervorhebt und wertschätzt. Es zählt die Macht der Liebe, nicht die Liebe zur Macht. Die Wurzeln unseres Lebens liegen in der Liebe.“ Gottes Kraft sei in den Schwachen mächtig, und deshalb ermunterte Bischof Reinhart Guib seine Landsleute, ihre Wurzeln weiterhin zu suchen „in und aus dem heimatlichen Siebenbürgen, über dem die Verheißung des Landes des Segens steht. Lasst euch von Gottes Geist anrühren und auch wieder den Weg finden zu dem Klein- und Weniggewordenen, dahin, wo Gottes Kraft und Gnade mächtig werden will.“

Bischof Reinhart Guib übermittelte den ...
Bischof Reinhart Guib übermittelte den Pfingstgruß der Heimatkirche. Foto: Christian Melzer
Rainer Lehni, Bundesvorsitzender des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, dankte in seiner Festansprache für die kulturelle Unterstützung, die die Siebenbürger Sachsen durch Bund und Länder erfahren. Die Siebenbürger Sachsen seien fest entschlossen, ihre Brückenfunktion in Europa weiter wahrzunehmen und ebenso ihre Gemeinschaft und Kultur zu pflegen. Der europäische Zusammenhalt sei angesichts des Ukraine-Kriegs von existenzieller Bedeutung, betonte Lehni. Zugleich forderte er Rentengerechtigkeit für die Aussiedler in Deutschland ein und kritisierte gegenüber den rumänischen Behörden die jahrelange Verzögerung bei der Rückgabe von im Kommunismus enteignetem Vermögen (siehe Festrede in der SbZ Online).

Innenminister Joachim Herrmann würdigte in seiner Festrede den großen Beitrag der Vertriebenen und Aussiedler in ihrer neuen bayerischen Heimat. Seit Jahrzehnten gestalten auch die Siebenbürger Sachsen unser Land mit und bereichern es mit ihrer Kultur. „Die alte Heimat tragen Sie nach wie vor fest im Herzen, aber Sie lieben inzwischen genauso auch Ihre neue Heimat.“ Das Motto des Heimattages 2022, „Wurzeln suchen – Wege finden“, richte sich insbesondere an die Jugend, die „heute so zahlreich und wie immer in schmucker Tracht auf dem Heimattag präsent ist“. Die Siebenbürger Sachsen seien echte Brückenbauer zwischen ihrer alten Heimat in Rumänien und ihrer neuen in Bayern: „Sie leben uns auf vorbildliche Weise vor, was Heimat ausmacht und warum wir sie in der heutigen Zeit mehr denn je brauchen“, so der Innenminister. Zur Stärkung des kulturellen Erbes fördere der Freistaat unter anderem das Kulturwerk der Siebenbürger Sachsen mit Sitz in der Karlstraße in München. Aber auch im Hinblick auf die rentenrechtliche Benachteiligung setze sich Bayern weiter für eine gerechte Lösung ein: Eine Verbesserung bei der Rente für deutsche Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler bleibe das vorrangige Ziel der Bayerischen Staatsregierung und dafür werde er weiter kämpfen, betonte Herrmann (siehe Ansprache in der SbZ Online).

Auch Dr. Bernd Fabritius, Präsident des Bundes der Vertriebenen, forderte in seiner Festrede eine Gleichbehandlung der Aussiedler und Spätaussiedler im geplanten Härtefallfonds und darüber hinaus eine gerechte Neuregelung im Rentenrecht. Er kritisierte die jüngste Entscheidung der Bundesregierung, die Projektförderung für die Kulturarbeit der Vertriebenen und Aussiedler um über eine Million Euro zu kürzen. Den Heimattag in Dinkelsbühl bezeichnete er als „schlüssig, stimmig und wunderbar“ und pries ihn als passenden Ort, um die siebenbürgisch-sächsische Kultur und Identität zu pflegen. Der Bund der Vertriebenen (BdV) sei der einzige repräsentative Dachverband der Vertriebenen, Aussiedler und Spätaussiedler in Deutschland, betonte der BdV-Präsident. Der erzwungene Heimatverlust bedeute ein kollektives Trauma bis in die dritte Generation. Aus diesen Erfahrungen heraus fordere der Bund der Vertriebenen „ein weltweites, sanktionsbewehrtes Vertreibungsverbot“ (Festrede in der SbZ Online).
Aus Siebenbürgen angereist war die Tanzgruppe ...
Aus Siebenbürgen angereist war die Tanzgruppe „Goldregen“ aus Sächsisch-Regen, gefolgt im Trachtenumzug von der Dinkelsbühler Knabenkapelle. Foto: Siegbert Bruss

Eröffnungsveranstaltung am Samstag

Zur Eröffnung des Heimattages am Samstag, dem 4. Juni, in der Schranne hieß Oberbürgermeister Dr. Christoph Hammer alle Gäste in ihrer Stadt Dinkelsbühl herzlich willkommen. Man hätte zwei Mal Vorlieb nehmen müssen mit Online-Heimattagen und Videobotschaften aus dem Spitalhof versandt. Das könne man mit einer Präsenz-Veranstaltung wie heute nicht vergleichen. „Der Mensch ist ein soziales Wesen, er muss sich austauschen, sich kennenlernen, miteinander kommunizieren, damit etwas Vernünftiges herauskommt. Sprache und Austausch sind die Grundlage jedes Verständnisses und gedeihlichen und gemeinsamen Miteinanders.“ Deshalb finde er es toll, „dass Dinkelsbühl dieses Pfingstwochenende wieder das Zentrum der Siebenbürger Sachsen weltweit ist. Wir sind in der Stadt ausgebucht, wir danken für den starken Wirtschaftsfaktor!“ Es erfülle ihn mit Stolz, Bürgermeister einer Stadt zu sein, in der Entscheidungen von europapolitischer Tragweite getroffen worden sind. Auch die Aufnahme Rumäniens in die Europäische Union habe ihren Nährboden in Dinkelsbühl, zeigte er sich überzeugt. Der Oberbürgermeister zeigte sich dankbar, dass er durch die Siebenbürger Sachsen viele Menschen kennen gelernt und bereichernde Erfahrungen gemacht habe. Er sei sieben oder acht Mal in Siebenbürgen gewesen, vor allem in Schäßburg, der Partnerstadt Dinkelsbühls. Er habe sich so begeistern lassen „von diesem Virus des Karpatenbogens“, dass er auch mit dem Rad hingefahren sei.

Trachtenumzug im Zeichen des Regenschirms: ...
Trachtenumzug im Zeichen des Regenschirms: Chefredakteur Siegbert Bruss musste zeitweilig unterm Schirm seine Aufnahmen schießen. Foto: Konrad Klein
Dr. Christoph Hammer erinnerte an die Worte der damaligen Präsidentin des Bayerischen Landtags, Barbara Stamm, beim Heimattag 2015: „Die Eingliederung der Flüchtlinge und Vertriebenen wurde zu einer großartigen Erfolgsgeschichte. Die Integration ist auf bewundernswerte Weise gelungen.“ Die Siebenbürger Sachsen seien eine Bereicherung in doppelter Hinsicht: „Einerseits haben die Städte, wo Sie sich angesiedelt haben, insbesondere auch Dinkelsbühl, von Ihnen profitiert. Andererseits haben Sie auch eine gelungene Reintegration in Ihre Heimat vollzogen. Ich habe bei Ihnen nie einen Revanchismus erlebt gegen die rumänische Staatsregierung, einen Groll für das, was passiert ist. Sie waren immer nachdenklich und versöhnlich mit Blick auf die Zukunft.“ Angesichts des Krieges in der Ukraine erhielten die mahnenden Worte, die die Redner beim Volkstrauertag und am Pfingstsonntagabend bei der Gedenkstätte der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl im Laufe der Jahre gesprochen haben, eine ganz besondere Bedeutung. „Vieles Besinnen in der Vergangenheit stellt sich heute, leider Gottes, als absolut berechtigt heraus. Ich wünsche mir, dass dieses Miteinander, das Sie betreiben, auch Vorbild sein sollte für andere entscheidende Menschen“, sagte der Oberbürgermeister (Lesen Sie das Grußwort in der SbZ Online).

Es sei ein Markenzeichen der Siebenbürger Sachsen, wahre Europäer zu sein, betonte Natalie Pawlik, MdB, Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, bei der Eröffnung des Heimattages. In ihrer Festansprache zeigte sich die 29-jährige SPD-Politikerin beeindruckt von dem kulturellen und gesellschaftlichen Einsatz der Siebenbürger Sachsen. Sie würdigte ihre Rolle als europäische Brückenbauer und bedankte sich für ihre offene, solidarische Haltung gegenüber Flüchtlingen. Die neue Bundesbeauftragte kündigte an, sich für Anliegen der Aussiedler in der Politik und Öffentlichkeit persönlich stark zu engagieren (siehe Festansprache in der SbZ Online).
Der Festumzug mit 2.300 Teilnehmern war stark ...
Der Festumzug mit 2.300 Teilnehmern war stark geprägt von der mitausrichtenden HOG-Regionalgruppe Hermannstadt-Harbachtal, hier die HOG Großau. Foto: Christian Melzer
Der Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland leiste mit seinen Verbindungen und Möglichkeiten „europäische Verständigungspolitik und Friedenspolitik im Kleinen mit großer Wirkung“, betonte Heiko Hendriks, Beauftragter des Landes Nordrhein-Westfalen für die Belange von deutschen Heimatvertriebenen, Aussiedlern und Spätaussiedlern, bei der Eröffnung des Heimattages. Nordrhein-Westfalen bekenne sich mit Stolz zur Patenschaft, die das Land 1957 für den Verband der Siebenbürger Sachsen übernommen habe. Hendriks berichtete in seiner Festansprache mit viel Empathie über das erfolgreiche Wirken der Siebenbürger Sachsen. Auch politisch macht er sich stark für sie und forderte eine Korrektur des Fremdrentengesetzes, um die Rentenungerechtigkeit bei Aussiedlern und Spätaussiedlern zu beseitigen (Festansprache in der SbZ Online).

Die bayerische Aussiedlerbeauftragte Sylvia Stierstorfer, die sich als Kümmererin für die Vertriebenen und Aussiedler versteht und einsetzt, freute sich über die tolle Jugendarbeit, die die Siebenbürger Sachsen leisten. „Bleiben Sie weiterhin so engagiert, so motiviert. Halten Sie in diesen bewegten Zeiten zusammen. Der Frieden in Europa ist das Wichtigste, das es zu verteidigen gilt, und dafür setzen wir uns alle gemeinsam ein“, betonte die CSU-Politikerin in ihrem Grußwort (siehe SbZ Online).

Präsidialberater Sergiu Nistor übermittelte Grüße ...
Präsidialberater Sergiu Nistor übermittelte Grüße von Staatspräsident Klaus Johannis. Foto: Siegbert Bruss
Rumänien war beim Heimattag in Dinkelsbühl durch zahlreiche Gäste vertreten. Präsidialberater Sergiu Nistor übermittelte Grüße von Rumäniens Staatspräsident Klaus Johannis. Thema des Heimattages sei die Verbindung zwischen den Wurzeln der Identität und den Zielsetzungen, auf denen die Zukunft einer Gemeinschaft aufgebaut ist. „Genauso wie Siebenbürgen im Geist und der Seele eines jeden von Ihnen präsent ist, so schätzen wir in Rumänien den Beitrag der Siebenbürger Sachsen zur Modernisierung Rumäniens, den Beitrag der deutschen Minderheit zur Festigung der nationalen Einheit und zum EU-Beitritt des Landes.“ „Krieg und Barbarei“ seien vor hundert Tagen nach Europa zurückgekehrt, bedauerte Nistor. Dadurch seien unsere gemeinsamen europäischen Werte bedroht. Die Identität der ethnischen Gemeinschaften müssten geschützt und ihr kultureller Dialog gefördert werden. Präsident Klaus Johannis setze sich daher in dem Programm „Das gebildete Rumänien“ u.a. für interethnische und interreligiöse Verständigung ein. Sergiu Nistor betonte, dass Rumänien die deutschen Namen der von Siebenbürger Sachsen bewohnten Ortschaften zu würdigen wisse und dass die Kirchenburgen von In- und Ausländern bewundert würden. Es stelle sich heraus, „dass die Tatkraft und der rege Geist der Siebenbürger Sachsen starke Wurzeln haben, welche einen Bogen über Zeit und Raum spannen, auf denen die würdevolle und blühende Zukunft der Nation beruht, die Brukenthal und Oberth hervorgebracht haben“, sagte Nistor.

Daniela Gîtman, Staatssekretärin im rumänischen Außenministerium, betonte die Bedeutung von Kultur als gemeinsamer Nenner, der uns unabhängig von Religion und Sprache verbinde. Die Diplomatin bezeichnete die Siebenbürger Sachsen und die rumänische Diaspora als „Schatz und Katalysator der deutsch-rumänischen Beziehungen“ sowie „wahre Botschafter des Landes“. Die Siebenbürger Sachsen seien ein Fortschrittsträger. Durch ihre Ernsthaftigkeit, Disziplin und Hingabe seien sie ein Vorbild, eine Inspirationsquelle. Die deutsch-rumänische Regierungskommission habe bei ihrer jüngsten Sitzung in Berlin die Jugend als Priorität für die Zukunft festgelegt. „Unsere Pflicht ist es, unserer Jugend sowohl Wurzeln als auch Flügel zu verleihen“, sagte Gîtman. Namens der rumänischen Diplomatie dankte sie den Siebenbürger Sachsen dafür, dass sie ihre Kultur, Bräuche und Identität pflegen, und sicherte ihnen auch künftig Unterstützung zu.

Iulia-Ramona Chiriac, Leiterin der Vertretung der ...
Iulia-Ramona Chiriac, Leiterin der Vertretung der Europäischen Kommission in Bukarest. Foto: Christian Schoger
„Ich habe Sie vermisst und freue mich sehr auf das heutige Wiedersehen mit Ihnen!“, begrüßte Iulia-Ramona Chiriac die Gäste des Heimattages. Sie sei als Leiterin der Vertretung der Europäischen Kommission in Bukarest gekommen, aber „in erster Linie als Freundin Ihrer Gemeinschaft“, die sie sehr schätze. Bis Juli 2021 war Chiriac ein knappes Jahrzehnt lang als Konsulin und dann als Generalkonsulin von Rumänien in Bayern tätig. So lernte sie die Siebenbürger Sachsen näher kennen. Drei Hauptqualitäten ihrer Gemeinschaft hätten sie immer wieder beeindruckt und in ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung beeinflusst. Die erste Eigenschaft betreffe die konstante Auseinandersetzung mit der Identität – verdeutlicht auch durch das Motto Heimattages „Wurzeln suchen – Wege finden“ – sowie die unermüdliche Suche nach der idealen Balance zwischen Vergangenheit/Wurzeln/Herkunft und Zukunft. Als zweite außergewöhnliche Eigenschaft der Siebenbürger Sachsen erwähnte Chiriac das Hauptaugenmerk, das sie auf Tradition und Werte legen. Drittens werde alles, was die Siebenbürger Sachsen anbieten – die Heimattage in Dinkelsbühl, die Siebenbürgische Zeitung, Veranstaltungen, Kooperationen und so weiter –, „stets auf höchstem Niveau der Professionalität und mit viel Engagement organisiert“. All das basiere auf Freiwilligenarbeit. Zudem würdigte Iulia-Ramona Chiriac die Stadt Dinkelsbühl und Oberbürgermeister Dr. Christoph Hammer: „Ich war schon oft hier und habe Sie als Verfechter der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft und des Wertes des Multikulturalismus erlebt. Sie, die Stadt Dinkelsbühl, sind ein Spiegel, in dem wir mit Stolz auf Europa blicken, denn hier bei Ihnen in Dinkelsbühl sind Europa und die europäischen Werte zu Hause!“

Unterstaatssekretär Thomas Șindilariu setzt ...
Unterstaatssekretär Thomas Șindilariu setzt sich für Minderheitenrechte in Rumänien ein. Foto: Christian Schoger
Thomas Șindilariu, Unterstaatssekretär im Departement für Interethnische Beziehungen in der Regierung Rumäniens, erläuterte zunächst die historischen Hintergründe seiner Arbeit. Die Siebenbürger Sachsen gehören ebenso wie die anderen deutschen Gemeinschaften zum festen Teil der Gründungsgeschichte des modernen Rumäniens. „Der Integrationswille von 1918 enthielt auch den Willen zur politischen Selbstvertretung der deutschen Gemeinschaft Rumäniens. Ein Punkt hierbei war, in der Regierung ebenfalls permanent als Bindeglied zwischen Gemeinschaft und Regierung vertreten zu sein.“ Diese Vertretung, die in den 1920er und 30er Jahren von Lutz Korodi und Rudolf Brandsch wahrgenommen wurde, setze er als Unterstaatssekretär im Rahmen des Departements für Interethnische Beziehungen in der Regierung Rumäniens fort. Das Department sei „die Schnittstelle zwischen staatlichem Regierungshandeln und Selbstorganisation der 20 staatlich anerkannten und im Rat der Nationalen Minderheiten vertretenen ethnischen Gemeinschaften Rumäniens“. Wurzeln spielten bei der Umsetzung der Minderheitenrechte eine zentrale Rolle, „und mehr noch das Finden der Wege zu den Wurzeln“, betonte Șindilariu. Das Motto des Heimattages „Wurzeln suchen – Wege finden“ habe ihn sofort an das Kronstädter und Zeidner Wappen erinnert. „Unser Schul- und Kirchenreformator, Johannes Honterus, ist ganz und gar nicht unschuldig daran, dass unter den ursprünglich allein auf den Wappen stehenden Kronen auch Wurzeln aufgetaucht sind.“ Honterus‘ Grundgedanke wird dabei gewesen sein: „Es kommt auf die Wurzeln an, damit die Kronen erreicht werden können!“

Șindilariu erwähnte des Weiteren das am Tag zuvor, am 3. Juni, unterzeichnete Protokoll der deutsch-rumänischen Regierungskommission für Anliegen der deutschen Minderheit in Rumänien. An herausragender Stelle sei der gemeinsame Wille festgehalten worden, die Jugend in Deutschland und Rumänien den gemeinsamen Wurzeln näher zu bringen. Dies könne nur gelingen „durch konkretes Handeln, durch Einsatz in den Herkunftsgemeinden und fundiertes Kennenlernen der faszinierenden Geschichte, Kultur und Gegenwart Siebenbürgens“. Geeignete Anlässe dafür seien der Siebenbürgische Kultursommer vom 27. Juli bis 15. August 2022 und die 36. Siebenbürgische Akademiewoche ab 4. Oktober in Schäßburg, zu denen der Historiker herzlich einlud.
Zu den Ehrengästen zählten auch die ...
Zu den Ehrengästen zählten auch die Ehrenvorsitzende des Verbandes, Herta Daniel, aus Hermannstadt angereist der Vorsitzende des Siebenbürgenforums, Martin Bottesch, mit Kreisrätin Christine Manta-Klemens und aus Österreich der Bundesobmann Manfred Schuller (von links). Foto: Konrad Klein
Zum Siebenbürgischen Kultursommer lud auch Martin Bottesch, Vorsitzender des Siebenbürgenforums, ein. Der Anklang sei erfreulich, über hundert Gruppen haben sich angemeldet. „Wir arbeiten gemeinsam daran, etwas von der siebenbürgischen Kultur in die Zukunft zu retten. Das können wir nur gemeinsam tun. Die Wurzeln suchen wir in Siebenbürgen, die Wege können wir nur zusammen finden“, sagte Bottesch. Am Abend zuvor hatte er die Stimmung im Festzelt auf dem „Schießwasen“ miterlebt. Er könne mit Freude sagen, dass die Siebenbürger – zumindest vom Gemüt her – die Pandemie überwunden hätten. Sie feierten wieder so wie vor zwei oder drei Jahren.

Bundesobmann Konsulent Manfred Schuller überbrachte Grüße der Landsleute aus Österreich und ganz besonders vom Ehrenbundesobmann Kons. Dr. Fritz Frank (98). Ihm fehle die Gemeinschaft. Wenn man nach Dinkelsbühl komme, dann erfahre man einfach Gemeinschaft, betonte Schuller. Er wünschte sich mehr Wurzeln-Suchende in Österreich, mehr Anfragen. Deshalb seien die siebenbürgischen Verantwortlichen bemüht, diese Wege aufzuzeigen. So werden bis Ende Oktober 2022 in der Ausstellung „Dirndl trifft Tracht“ in Bad Ischl/Salzkammergut, der Europäischen Kulturhauptstadt 2024, auch siebenbürgische Trachten gezeigt. Ebenso setze sich der VLÖ, der Dachverband der Landsmannschaften, im Dialog mit den Politikern aller Parteien dafür ein, dass das Thema Flucht und Vertreibung in die Geschichtsbücher Österreichs aufgenommen werde. Das sei ein wesentlicher Beitrag für die nächsten Generationen.

Das Motto des Heimattages, „Wurzeln suchen – Wege finden“, greife eine bekannte Gegebenheit aus der Natur auf und mache sie zum Bild für unser Leben, sagte Dr. Berthold Köber, Vorsitzender der Gemeinschaft evangelischer Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD – Hilfskomitee. So wie ein Baum über seine Wurzeln Wasser und Nährstoffe erhalte, so bräuchten auch die Menschen Wurzeln. „Sie machen unser Leben in der Gesellschaft möglich und geben uns die nötige Standfestigkeit, damit wir bestehen können.“ Als unsere Wurzeln bezeichnete Dr. Köber die Dreiheit von Familie, Volk und Glauben. Aus dem Glauben, der Verbundenheit mit Gott, erwachse die Kraft, um die Herausforderungen des Lebens zu bestehen. „Diese Wurzeln sind es, die unser Leben und Handeln, unser Tun und Lassen und unsere Entscheidungen bestimmen. Es sind zugleich die Faktoren, die unsere Identität ausmachen.“ Das Motto des Heimattages ermutige, „uns diese Wurzeln bewusst zu machen und sie zu pflegen“. Das sei auch das bleibende Anliegen des Hilfskomitees in seinem 75-jährigen Wirken, wobei es den Akzent stärker auf die geistliche Dimension setze. Das gleiche Anliegen verfolgten auch der Verband, die Heimatortsgemeinschaften und anderen siebenbürgischen Institutionen, wobei deren Akzent stärker auf der Kultur liege.
Großscheuerner Trachtengruppe beim Umzug. Foto: ...
Großscheuerner Trachtengruppe beim Umzug. Foto: Lukas Geddert
Zur Eröffnung des Heimattages begrüßte Michael Konnerth, Vorsitzender der HOG-Regionalgruppe Hermannstadt-Harbachtal, des Mitausrichters des Pfingstfestes, die Gäste im Schrannen-Festsaal. „Großen Herausforderungen begegnet man am besten nicht alleine, sondern mit einem starken Partner an seiner Seite.“ Das gelte zweifelsohne auch für uns als Verband und Veranstalter des Heimattages. So konnte er, erstmalig in der Geschichte des Heimattages, die Partner und Sponsoren des Heimattags willkommen heißen: Michael Schmidt von der M & V Schmidt Stiftung und Initiator der Kulturwoche Haferland, Hans Tekeser von Alzner Automotive, Erhard Schuller von SEA Erhard Schuller Elektrotechnik, Hans Georg Göbbel vom Architekturbüro Göbbel und Erhard Bartesch von Raumausstatter Erhard.

Michael Konnerth lud ganz besonders ein zur Brauchtumsveranstaltung „Se kit, se kit …“ – De Wusch uch Nået äm Hårbåchtool von Doris Hutter sowie zu den Ausstellungen „Die HOG-Regionalgruppe Hermannstadt-Harbachtal stellt sich vor“ und „Samuel von Brukenthal. Eine Dokumentation“, um nur einige der vielen Programmpunkte zu erwähnen, die die HOG-Regionalgruppe beisteuerte.
Bundesvorsitzender Rainer Lehni (Erster von ...
Bundesvorsitzender Rainer Lehni (Erster von rechts) zeichnete Günther Melzer, Hans-Detlev Buchner und Hermann Depner (von links nach rechts) mit dem Goldenen Ehrenwappen des Verbandes aus. Foto: Siegbert Bruss
Der Bundesvorsitzende Rainer Lehni ehrte während der Eröffnungsveranstaltung drei besonders engagierte Mitarbeiter, die die neuen Medien und die Digitalen Heimattage 2020 und 2021 entscheidend mitgestaltet haben. „Diese erfreuliche Entwicklung verdanken wir einem kompetenten Team von Webmastern, die reibungslos zusammenarbeiten und sich hervorragend im Bereich der neuen Medien einsetzen. Unter der Regie des Bundesinternetreferenten unseres Verbandes, Robert Sonnleitner, wirken hier seit über zwei Jahrzehnten Gunther Krauss, Hans-Detlev Buchner und Günther Melzer mit, unterstützt seit einigen Jahren von Hermann Depner“, sagte Lehni. Mit dem Goldenen Ehrenwappen des Verbandes würdigte er – begleitet von dem begeisterten Applaus des Publikums – Hans-Detlev Buchner, Hermann Depner und Günther Melzer.

Die Siebenbürgisch-Sächsische Jugend in Deutschland (SJD) gestaltete in bewährter Weise viele Teile des Programms mit (separater Bericht folgt in der morgigen SbZ Online).

Zum niveauvollen Programm des Heimattages gehörten Ausstellungen, Konzerte, Vorträge, Tanzveranstaltungen, eine engagierte Podiumsdiskussion zum aktuellen Thema „Identität in neuer Umgebung“ und – als kultureller Höhepunkt – die Preisverleihungen am Pfingstsonntag in der St.-Pauls-Kirche (S. 6-7). Der Siebenbürgisch-Sächsische Kulturpreis 2021 ging an Prof. Dr. Erika Schneider und Dr. Sigrid Haldenwang, der Unternehmer Michael Schmidt wurde mit der Stephan-Ludwig-Roth-Medaille ausgezeichnet und Hans-Martin Tekeser erhielt die Carl-Wolff-Medaille, die erstmals gemeinsam vom Verband und der Carl Wolff Gesellschaft verliehen wurde.

Ein besonderer Dank gilt dem Kulturwerk der Siebenbürger Sachsen, das die kulturellen Veranstaltungen des Heimattages aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales gefördert hat.

Siegbert Bruss

Schlagwörter: Heimattag 2022, Festumzug, Dinkelsbühl, deutsch-rumänische Beziehungen, Brauchtumspflege

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