27. Oktober 2022

Starke Frauen in Ost und West – Vorbilder und Emanzipation: Siebenbürgische Frauenreferentinnen tagten

Vom 7.-9. Oktober hatte Bundesfrauenreferentin Christa Wandschneider zum Seminar „Starke Frauen in Ost und West – Vorbilder und Emanzipation“ nach Bad Kissingen eingeladen. Veranstaltet wurde das Seminar vom Bundesfrauenreferat unseres Verbandes in Zusammenarbeit mit der Bildungs- und Begegnungsstätte „Der Heiligenhof“. In gemeinsamer Arbeit und anhand von interessanten Frauenbiografien und Referaten sowie mit viel Musik wurden intensive Gespräche geführt. Die Tagung schaffte eine gute Grundlage, um Netzwerke zu knüpfen und gemeinsame Ziele zu erreichen.
Die siebenbürgische Frauentagung im „Heiligenhof“ ...
Die siebenbürgische Frauentagung im „Heiligenhof“ in Bad Kissingen war von viel Musik, Gesang und Tanz geprägt. Das Bild zeigt eine spontane Gesangseinlage unter der Leitung von Edith Toth (Mediasch) während einer Pause. Foto: Katharina Drotleff
In ihrer Begrüßung hob Christa Wandschneider die aktive Rolle der Frauen im Gemeinschaftsleben hervor. Als „Hüterinnen der Tradition“ und im Mittelpunkt der eigenen Familie engagieren sie sich vielfältig in sozialen Bereichen und tragen unsere Gesellschaft mit. Bei dem spannenden Seminar, das einen weiten, komplexen Themenbereich umspannte, wurden auch Vertreterinnen der evangelischen Frauenarbeit in Siebenbürgen willkommen geheißen. Edith Toth, Helga Meitert und Hedda Martin bereicherten das Treffen mit ihren lebendigen Berichten der beeindruckend vielfältigen Aktivitäten in Siebenbürgen.

Für die Vorstellungsrunde hatten Susanne Mai (Regensburg) und Christa Wandschneider ein besonderes Format gewählt. Jede Teilnehmerin bekam einen bunten Fußabdruck und sollte darin neben Namen und Herkunftsort auch kurz ihre bisherigen Ehrenämter zusammenfassen. Es wurde sicht- und fassbar, wie groß unser „Frauen-Fußabdruck“, wie wichtig und vielfältig das Engagement der Frauen im Rahmen unserer Gemeinschaft und Gesellschaft ist.

Begeisternde Sing- und Bewegungseinheiten, geleitet durch Edith Toth, holten uns ab und führten die Gruppe der Seminarteilnehmerinnen als Gemeinschaft zusammen.

Mit dem nachdenklichen und nachwirkenden Gedicht „Schale der Liebe“ von Bernhard von Clairvaux leitete Susanne Mai ein weiteres Thema ein: die Problematik der Vereinbarkeit von Familie, Arbeit und Ehrenamt. Zu den Fragen „Was gibt mir Kraft?“, „Was raubt mir Kraft?“, „Wie füllen wir unsere emotionale ,Schale‘?“ besprachen die Frauen diese Thematik. Eine „Schale füllen“ heißt auch, Kraftquellen zu finden und zu nutzen. Aus der Freude an ehrenamtlichen Tätigkeiten und den persönlichen Netzwerken, die dabei gebildet werden, erhält man Kraft zurück.

Edith Toth (Mediasch) nahm uns zum Themenbereich „Gaben fördern, Auf-Gaben wahrnehmen im Amt und Ehrenamt“ mit. Bei den vielen Aufgaben, die sie selbst wahrnimmt als Kirchenmusikerin, Musiklehrerin, engagierte Musikerin bei „Ärzte im Krankenhaus“, dem Weltgebetstag der Frauen usw., verschwimmen die Grenzen zwischen Amt und Ehrenamt oft. In einem zweiten Teil stellte sie die Frauenarbeit der Evangelischen Kirche in Rumänien vor, in deren Vorstand sie tätig ist. Rüstzeiten, Diakoniefortbildungen, Wandertage, Handarbeitskurse, Brotback- und Hanklich-Kurse, Schreibwerkstätten, Kaffee- und Kommunikationstraining sind nur einige der zahlreichen und sehr gut angenommenen Aktivitäten. Bemerkenswert ist auch die selbstverständliche Vielsprachigkeit bei diesen Veranstaltungen, die als Geschenk empfunden wird. Die Anwesenden waren von der Vielfalt dieses ehrenamtlichen Engagements äußerst beeindruckt und begeistert.

Eine bedeutende siebenbürgische Frauengestalt, deren Engagement bis zum heutigen Tage spürbar ist, wurde von Enni Janesch (Drabenderhöhe) vorgestellt: „Adele Zay – Eine siebenbürgisch-sächsische Pädagogin und Frauenrechtlerin“. Das Leben und Wirken dieser unerschütterlichen, klugen und visionären Pädagogin, Kämpferin für Gleichberechtigung, Frauen- und Kinderrechte stellte sie in einem beeindruckenden Vortrag dar. Adele Zay setzte sich für das Frauenwahlrecht innerhalb der Evangelischen Kirche ein, sprach mehrere Sprachen und unterrichtete etliche weitere Schulfächer. Entsprechend den Fröbelschen Prinzipien bildete Adele Zay aus reinen Kinder-Verwahranstalten Kindergärten mit Spiel- und Singeinheiten mit entsprechender Förderung der Kleinstkinder und prägte nachhaltig die Erziehungsprinzipien. Zays Verdienste wurden mehrfach gewürdigt, nicht zuletzt durch die Namensgebung des „Adele-Zay-Hilfsvereins“, des Trägervereins des Alten- und Pflegeheims in Drabenderhöhe.

Zum Thema „Journalistinnen in deutschen Medien in Siebenbürgen“, das von Beatrice Ungar (Hermannstadt) nicht persönlich vorgetragen werden konnte, schickte uns die Referentin ein von Christel Ungar-Ţopescu aufgezeichnetes Interview. Sie nahm uns virtuell in die Redaktion der Hermannstädter Zeitung mit, eine mit vier Frauen besetzte Redaktion, deren Chefredakteurin Beatrice Ungar ist. Sie gewährte uns Einblicke in ihre spannende, immer hochaktuelle Arbeit und stellte interessante Eckdaten vor. Die Hermannstädter Zeitung kann auch online gelesen werden, bei großen Events sendet sie sogar live auf Facebook. In einem weiteren TV-Interview erzählte Ildiko Schaffhauser spannend und humorvoll von den Anfängen der Deutschen Sendung im rumänischen Fernsehen bis hin zu der Arbeit nach der Wende.

Von starken Frauen, die das Schicksal ihrer Familien in die Hand nehmen mussten, um zu überleben, handelt das Buch „Die Stille bei Neu-Landau“ der Journalistin Katharina Martin-Virolainen (Eppingen). Die Autorin las aus ihrem autobiografisch gefärbten Roman, der vom Schicksal der deutschen Minderheit in der Schwarzmeerregion handelt. Verlust von Heimat, Flucht, Sprachlosigkeit und Neuanfang sind Themen, die uns allen nicht fremd sind und bei denen lebendig mitdiskutiert wurde. Mit der Kurzgeschichte „Die Tränen meiner Großmutter“ nahm uns Martin-Virolainen auf eine tiefe Seelenreise zu den unbewussten Geräuschen, Bildern und Gerüchen unserer Kindheit mit.

Frauenvereine in Siebenbürgen und Frauenpersönlichkeiten in unserer siebenbürgischen Welt sind Forschungsthemen von Dr. Ingrid Schiel, Geschäftsführerin des Siebenbürgen-Instituts an der Universität Heidelberg in Gundelsheim. In ihrem interessanten Vortrag „Für unsere Frauen. Aus der Geschichte des Frauenreferates des Verbandes der Siebenbürger Sachsen“ verdeutlichte sie die Bildung der ersten Frauenvereine aus den Nachbarschaften heraus sowie deren rechtliche Stellung, ihren Kampf um Gleichberechtigung, Stimm- und Wahlrecht. Frauen haben in unserem Verband wichtige Beiträge geleistet: Helene Schlandt leitete die erste Frauengruppe der Landsmannschaft und gründete 1952 das Siebenbürgische Heimatwerk. Luise Treiber-Netolitschka und Lore Connerth-Seraphin legten den Grundstock für das Siebenbürgische Museum. Es folgten weitere engagierte Frauen, die es wert sind erfasst zu werden und deren Beitrag für unsere Gemeinschaft gewürdigt werden sollte. Erst 1983 wurde mit Ingrid von Friedeburg-Bedeus eine Frau zur stellvertretenden Bundesvorsitzenden unseres Verbandes gewählt. Anhand des Stammbaums von Ingrid von Friedeburg-Bedeus gewährte uns Jutta Tontsch (Hamburg) einen Einblick in die Arbeit der Genealogen der Siebenbürger Sachsen.

Am Sonntag folgte ein gemeinsamer Gottesdienst mit den Genealogen, musikalisch begleitet von Edith Toth. Anschließend stellte uns Dekanin Birgit Hamrich (Hünstetten) starke Frauengestalten aus der Bibel vor. Rebekka, selbstbewusst und unternehmungslustig, Ruth und Noomi, Schwiegertochter und Schwiegermutter, die ein schweres Schicksal im Vertrauen zusammenschweißt, und „Die Namenlose“, eine Mutter, die mutig und hartnäckig für ihr Kind kämpft.

Dank unseren Musikerinnen Edith Toth und Angelika Meltzer (am Samstagabend auch Werner Schmitz von den Genealogen) konnte die Tagung mit viel Musik, Gesang und Tanz begleitet werden. Herzlichen Dank an Ilse Hommen für ihre erfahrene administrative Hilfe sowie an Katharina Drotleff, die uns Schätze vom Siebenbürgisch-Deutschen Heimatwerk in Drabenderhöhe mitgebracht hatte. Der reichhaltige Büchertisch von Ingrid Schiel mit ausgesuchten Büchern und Mappen für die Frauen sowie der Büchertisch vom Heiligenhof boten viel Material zum Ansehen, Mitnehmen oder Erwerben. Birgit Hamrich stellte uns ihren FrauenKirchenKalender 2023 vor, der mit dem passenden Thema „wertvoll“ herauskommt.

Die Darstellung der Frauengestalt Christiane von Goethe durch Eva Piringer (München) musste krankheitsbedingt ausfallen, was von allen sehr bedauert wurde.

Die hervorragenden Referate sowie das rege Interesse der Teilnehmenden haben das Seminar im „Heiligenhof“ zu einer gelungenen Veranstaltung werden lassen. Es war ein harmonisches, bewegtes und bewegendes Wochenende, an dem viel siebenbürgische Gemeinschaft erlebt und gelebt wurde. Wir sind mit „vollen Schalen“ und vielen Ideen im Gepäck heimgefahren.

Für die Förderung des Seminars sei dem Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat, dem Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales, dem Kulturwerk der Siebenbürger Sachsen und dem Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V. gedankt.

Ute von Hochmeister

Eine Bildergalerie zur Tagung finden Sie hier.

Schlagwörter: Frauen, Tagung, Bad Kissingen, Verband, Geschichte

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