30. August 2009

Spitzengespräch zu Aussiedlerfragen im Bundeskanzleramt

Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel empfing am 24. August 2009 landsmannschaftliche Vertreter der Siebenbürger Sachsen, Banater Schwaben und Deutschen aus Russland zu einem Arbeitsgespräch im Bundeskanzleramt in Berlin. An dem einstündigen Gespräch beteiligten sich Bundesvorsitzender Dr. Bernd Fabritius seitens des Verbandes der Siebenbürger Sachsen, Bundesvorsitzender Bernhard Krastl (Landsmannschaft der Banater Schwaben), Bundesvorsitzender Adolf Fetsch (Landsmannschaft der Deutschen aus Russland) und der Parlamentarische Staatssekretär und Aussiedlerbeauftragte der Bundesregierung, Dr. Christoph Bergner. Erörtert wurden Fragen der Integration, der Berufs- und Ausbildungsanerkennung, der Aufnahme in Deutschland sowie die Lage der deutschen Minderheiten in den Herkunftsgebieten. Bundeskanzlerin Angela Merkel bekräftigte die historische Verantwortung Deutschlands gegenüber Aussiedlern, Spätaussiedlern und deutschen Minderheiten.
Dr. Bernd Fabritius berichtete über die Bemühungen zur Integrationssicherung für die mehrheitlich in Deutschland lebenden Landsleute. Die Eingliederung in den letzten Jahrzehnten sei erfolgreich verlaufen, die erzielten Ergebnisse müssten nun gesichert werden. Im Bereich der Rentenproblematik seien in den letzten Jahren Entwicklungen zu beobachten, die zu Unmut und erheblicher Unzufriedenheit unter den Betroffenen geführt haben. „Die Schmerzgrenze ist schon lange erreicht“, betonte Fabritius. Mit dem Rentenversicherungs-Altersgrenzenanpassungsgesetz am 9. März 2007 habe der Bundestag Übergangsvorschriften zu der Fremdrentenkürzung um 40 Prozent geschaffen, die nach wie vor als „sehr ungerecht empfunden werden“. Diese Regelungen würden nur deswegen nicht weiter auf dem Gerichtswege angegriffen, weil die Betroffenen ein Ende des Verfahrens nicht mehr erleben würden. Es bleibe Aufgabe der Politik, weitere Ungerechtigkeiten zu vermeiden.
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (Zweite von ...
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (Zweite von links) empfing die Bundesvorsitzenden Dr. Bernd Fabritius (Verband der Siebenbürger Sachsen, 2. von rechs), Bernhard Krastl (Landsmannschaft der Banater Schwaben, 3. von rechts) und Adolf Fetsch (Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, 1. von rechts) zu einem Arbeitsgespräch im Bundeskanzleramt in Berlin. Foto: Bundesbildstelle
Auch die besondere Bedeutung der Kulturförderung wurde angesprochen. Neben einer weiteren Unterstützung der zentralen Kultureinrichtungen in Gundelsheim sei auch eine verstärkte Förderung der kulturellen Breitenarbeit unerlässlich. Siebenbürgisch-sächsische Kultur werde in Deutschland noch gelebt, sei aber in Gefahr, wenn die Basisarbeit nicht unterstützt werde. Die bei den Landsmannschaften angesiedelten Kulturreferenten könnten ihre notwendige Arbeit nur dann verrichten und Projekte vorbereiten, wenn die zu Zeiten der rot-grünen Bundesregierung eingestellte Förderung erneut aufgenommen würde.

Gegenstand der Gespräche waren auch die Brückenfunktion der deutschen Aussiedler sowie ihre Vernetzung mit den im Herkunftsgebiet lebenden Landsleuten. Gemeinsame Anliegen sollten aufmerksam verfolgt werden, sagte Dr. Fabritius. Zur Sicherung der materiellen Basis sei auch eine ordnungsgemäße Restitution von in Rumänien rechtswidrig enteignetem Vermögen wichtig. Die Restitutionspraxis in vielen Einzelfällen und die neueste rechtliche Entwicklung in diesem Bereich seien besorgniserregend. Besonders die heute in Deutschland lebenden Landsleute seien mit den sehr kurzen Antragsfristen sowie den lange dauernden und unübersichtlichen Verfahren in Rumänien überfordert. Hier sei eine Anpassung der Verfahren an europäische Rechtsstandards erforderlich. Auch müsse der Korruption in der Verwaltung und Verzögerung von Verfahren effektiver entgegengewirkt werden. Die Bundeskanzlerin nahm diese Anliegen aufmerksam zur Kenntnis.
Fototermin nach dem Gespräch im Bundeskanzleramt: ...
Fototermin nach dem Gespräch im Bundeskanzleramt: Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (4. von links), Aussiedlerbeauftragter Dr. Christoph Bergner (1. von links), Bundesvorsitzender Dr. Bernd Fabritius (Verband der Siebenbürger Sachsen, 2. von rechts), Bernhard Krastl (Landsmannschaft der Banater Schwaben, 2. von links) und Adolf Fetsch (Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, 1. von rechts). Foto: Siebenbürgische Zeitung
Zudem sprach Fabritius die missverständliche Verwendung des Begriffes „Migranten“ mit Bezug auf Aussiedler an. Deutsche, die im Zusammenhang mit dem Kriegsfolgeschicksal z.B. aus Siebenbürgen oder dem Banat nach Deutschland gekommen seien, könnten nicht mit wirtschaftlichen Migranten oder nichtdeutschen Kriegsflüchtlingen gleichgestellt werden. Deutsche Aussiedler entstammen dem gleichen Kulturkreis und werden aus Gründen historischer Verantwortung in Deutschland aufgenommen. Dadurch seien andere Integrationsvoraussetzungen und Möglichkeiten gegeben. Bundeskanzlerin Merkel und der Aussiedlerbeauftragte Bergner bestätigten, dass dieser Unterschied wichtig sei und auch beachtet werden müsse. Eine entsprechend missverstandene Formulierung im Mikrozensusgesetz habe nur statistische Hintergründe und setze die unterschiedlichen Personengruppen keinesfalls gleich.

Der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Banater Schwaben, Bernhard Krastl, hob die Bedeutung der Sozialeinrichtungen für die deutsche Minderheit in Rumänien hervor. Hier seien weiterhin Unterstützung aus Deutschland und die solidarische Mitfinanzierung durch den rumänischen Staat erforderlich. Staatssekretär Dr. Bergner bestätigte, dass die im Bundeshaushalt angesetzten Mittel weiterhin dafür zur Verfügung stünden.
Blick auf das Bundeskanzleramt in Berlin. ...
Blick auf das Bundeskanzleramt in Berlin.
Bundesvorsitzender Adolf Fetsch schilderte die Probleme der aus Russland zugezogenen Deutschen. Besonders die fehlende Anerkennung von im Herkunftsgebiet erworbenen Ausbildungs- und Studienabschlüsse stellten ein erhebliches Integrationshemmnis dar. Es sei erforderlich, bald eine einheitliche Regelung herbeizuführen. Auch die Belange der Jugend und spezifische Integrationsprobleme wurden erörtert. Merkel ermutigte alle jungen Aussiedler und Spätaussiedler, sich mit Freude in die deutsche Gesellschaft einzubringen und dabei eigene Bräuche und Traditionen aus den Herkunftsgebieten zu pflegen.
Abschließend dankte Fetsch namens aller Gesprächsteilnehmer Bundeskanzlerin Merkel sowie Staatssekretär Bergner für die beständige Unterstützung und unterstrich damit den einvernehmlichen und abgestimmten Einsatz der drei landsmannschaftlichen Verbände für die Belange ihrer Landsleute. Das Gespräch verlief in einer ausgesprochen konstruktiven und freundlichen Atmosphäre.

Die Bundeskanzlerin erklärte nach dem Gespräch: „Die Belange der Aussiedler und Spätaussiedler sind für mich ein wichtiges Anliegen. Seit 1950 sind 4,5 Millionen Menschen aus den Ländern Mittel-, Ost- und Südosteuropas als Aussiedler und Spätaussiedler nach Deutschland gekommen. Sie sind mit ihrem Können, ihrem Fleiß und ihrer kulturellen Tradition eine Bereicherung für unser Land. Die große Mehrzahl von ihnen ist hervorragend integriert. Viele von ihnen sind mit ihren Sprachkenntnissen und ihrem kulturellen Hintergrund zugleich wichtige Brückenbauer in die Länder Mittel-, Ost – und Südosteuropas. Unsere Politik für Aussiedler und Spätaussiedler und auch für die deutschen Minderheiten in Mittel-, Ost- und Südosteuropa wird geleitet vom Bewusstsein unserer besonderen historischen Verantwortung.“

Schlagwörter: Bundesregierung, Verband, Aussiedlerfragen

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