3. Juni 2018

Initiative zur Stärkung der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft

Unter dem Titel „Siebenbürgen und die Siebenbürger Sachsen gehören zusammen!“ rufen die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien (EKR) und das Siebenbürgenforum alle ausgesiedelten Landsleute auf, mehr Schaffenskraft und Lebenszeit in Siebenbürgen einzusetzen. Die Gemeinsame Erklärung der beiden Organisationen wurde im Rahmen der sechsten Konsultation der EKR erörtert, die am 10. Mai in der Münchner Geschäftsstelle des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland stattfand. Die Bundesvorsitzende Herta Daniel konnte dabei Vertreter von neun siebenbürgischen Organisationen begrüßen. Bischof Reinhart Guib freute sich, dass erstmals auch die Siebenbürger Sachsen aus Österreich und der Schweiz bei den Gesprächen vertreten waren: „Wir gehören zusammen, wo immer wir sind.“
Nach der Wende von 1989 und dem EU-Beitritt Rumäniens im Jahr 2007 ist die siebenbürgisch-sächsische Gemeinschaft in Europa zusammengewachsen. Die Heimatkirche hat in den letzten Jahren mehrere Initiativen gestartet, um die Gemeinschaft, die das Kulturerbe (speziell die Kirchenburgen) trägt, zu stärken. 2011 wurden die Konsultationen mit anderen siebenbürgischen Einrichtungen sowie das Referat für Institutionelle Kooperation eingeführt, seit 2014 gibt es die Mitgliedschaft im Sonderstatus, um Kirchengemeinden in Siebenbürgen zu stärken, die Stiftung Kirchenburgen wurde gegründet. Allerdings brauchen die Kirchenburgen ebenso wie die siebenbürgisch-sächsische Kultur Menschen, die sie tragen und pflegen.

Bischof Reinhart Guib erläuterte, dass die Gemeinsame Erklärung der Heimatkirche und des Forums vor allem aus dem Geist des großen Sachsentreffens 2017 entstanden sei: Wie können wir diese positiven Effekte aufrechterhalten? Mit dem Aufruf wolle man sich offen für alle Siebenbürger Sachsen im Ausland zeigen, sie willkommen heißen und aufrufen, eine kürzere oder längere Zeit ihres Lebens in Siebenbürgen zu verbringen. „Wir haben so viel Positives, das tradiert werden kann. Es gibt eine Zukunft in Siebenbürgen, die natürlich anders ist als jene aus dem Jahr 1989. Welcher Reichtum, welche Freundschaften gibt es hier!“, sagte der Bischof und ergänzte: „Wir sind auf eure Hilfe, auf euer Mittun angewiesen.“

Pfarrer Dr. Stefan Cosoroabă, Referent für Institutionelle Kooperation der EKR, stellte klar, dass sich Menschen in Siebenbürgen in der heutigen Zeit der Mobilität selbstverständlich einsetzen könnten, ohne ihre Brücken in Deutschland abzubrechen. Die Lage in Rumänien werde im Papier weder nostalgisch noch idealisierend dargestellt, sondern einfach realistisch. Die Ansprechpartner des Forums und der Kirche seien gerne bereit, Interessenten bei ihrem Einsatz und Leben weiterzuhelfen (Die Erklärung wird in der Siebenbürgischen Zeitung, Folge 10 vom 20. Juni 2018 veröffentlicht).
Sechste Konsultation in München, von links: ...
Sechste Konsultation in München, von links: Martin Bottesch, Peter Dehmel, Dr. Konrad Gündisch, Marianne Hallmen, Friedrich Gunesch, Birgit Hamrich, Bischof Reinhart Guib, Herta Daniel, Dr. Stefan Cosoroaba˘, Astrid Weber, Dr. Berhold Köber, Erhard Graeff, Ilse Welther, Manfred Schuller und Dr. Johann Kremer. Foto: Siegbert Bruss
Die Teilnehmer der Konsultation begrüßten den Aufruf der Heimatkirche und des Forums, der erstmals in der Bundesvorstandssitzung am 3. März 2018 in München vorgestellt worden war. Erhard Graeff, Bundesgeschäftsführer des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, lobte das Papier: Es sei einmalig und gut, dass eine deutsche Gemeinschaft außerhalb Deutschlands ein solches Papier verfasst habe und um Landsleute werbe, die vor 40 Jahren einen Schlussstrich gezogen haben. Der Aufruf zeuge von Mut und einem starken Selbstbewusstsein der beiden Organisationen, die es verfasst haben. Die Bundesvorsitzende Herta Daniel hob die Selbstverantwortung jedes Einzelnen hervor, der seinen Wohnort frei bestimmen sowie Chancen und Risiken selbst abwägen kann.

Der Aufruf habe einen hohen symbolischen Wert, sagte Pfarrerin Birgit Hamrich, Vorsitzende des Evangelischen Freundeskreises. Ilse Welther, Vorsitzende des HOG-Verbandes, wies darauf hin, dass sich die Heimatortsgemeinschaften seit langer Zeit in Siebenbürgen engagieren, Kirchen renovieren, Friedhöfe pflegen, dass ausgesiedelte Siebenbürger Sachsen teilweise in ihren eigenen Häusern leben oder sich etwas anschaffen wollten. Bundesobmann Manfred Schuller aus Österreich kann sich sogar vorstellen, später, als Rentner diesem Aufruf Folge zu leisten.

Konrad Gündisch war der Meinung, dass sich eher ältere Leute durch den Aufruf angesprochen fühlen und dass für sie Altenheime, medizinische Betreuung und andere Angebote vonnöten seien. Die Initiatoren des Papiers stellten klar, dass sie mit ihrem Aufruf durchaus auch junge Leute und Familien ansprechen wollten.

Ein weiterer thematischer Schwerpunkt der Konsultation waren die Kurzberichte der teilnehmenden Organisationen. Daraus ging hervor, dass sich die Siebenbürger Sachsen überall für den vielfältigen Erhalt ihrer Kultur engagieren, aber auch einen Rückgang an Mitgliedern zu beklagen haben. So zählt der Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland rund 20000 zahlende Mitglieder (Familien), die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien 12000 Seelen (davon 1000 Mitglieder im Sonderstatus aus Deutschland), das Siebenbürgenforum hat 2608 Mitglieder und 300 Sympathisanten, der Bundesverband der Siebenbürger Sachsen in Österreich 1300 Mitglieder, während der Verband der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften zurzeit 129 Mitglieder hat, das sind Heimatortsgemeinschaften, die je ein paar hundert Mitglieder zählen.

Herta Daniel wies auf die erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit des Verbandes hin, der immer mehr als ernstzunehmender Partner wahrgenommen werde. Als Anerkennung wertete sie auch die Berufung von Dr. Bernd Fabritius zum Aussiedlerbeauftragten der Bundesregierung. Über die Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD) sprach deren Schriftführerin Astrid Weber, die zugleich Vorsitzende der Kreisgruppe München ist: „Wir versuchen die siebenbürgisch-sächsischen Werte an die junge Generation weiterzugeben, und bieten ihnen breit gefächerte Freizeitaktivitäten an.“ Johann Kremer, Vorsitzender des Sozialwerks der Siebenbürger Sachsen, dankte für die gute Zusammenarbeit mit der EKR und dem Forum, die die Listen der Bedürftigen erstellen.

Dr. Berthold Köber, Vorsitzender von der Gemeinschaft Evangelischer Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD, betonte, dass sich sein Verein dafür einsetze, die Folgen der Polarisierungen aus den achtziger Jahren zum Thema Bleiben oder Gehen abzubauen. Dr. Konrad Gündisch berichtete über die Forschungs- und Dokumentationsarbeit des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrates, deren stellvertretender Vorsitzender er ist, sowie über den Um- und Ausbau von Schloss Horneck. Hier wurden wesentliche Fortschritte verzeichnet, nachdem die Siebenbürger Sachsen in einer beispielhaften, grenzübergreifenden Gemeinschaftsaktion im Sommer 2015 das Schloss aus der Insolvenzmasse aufgekauft hatten.

Seit dreieinhalb Jahren ist der Verein der Siebenbürger Sachsen in der Schweiz – Kirchenburgen in Siebenbürgen aktiv, berichtete deren Vorsitzende Marianne Hallmen. Es sei gelungen, viele Förderer, auch Schweizer Freunde, für die Orgeln in Großscheuern und Stolzenburg zu gewinnen. Der Verein beteiligt sich, gut vernetzt mit anderen Organisationen, an Ausstellungen, Tagungen, Lesungen mit Bezug zu Siebenbürgen.

DFDS-Vorsitzender Martin Bottesch lud zum 28. Sachsentreffen am 22. September 2018 in Mediasch ein, das im Zeichen des 100-jährigen Bestehens des modernen Rumänien steht. Wann das nächste große Sachsentreffen stattfinden wird, steht noch offen. Eine Entscheidung darüber werde das Siebenbürgenforum im nächsten Jahr treffen, sagte Bottesch. Bedrückend für die deutsche Minderheit sei, dass der Regierungspartei PSD nahe stehende Medien eine weitere Verleumdungskampagne gegen das Deutsche Forum gestartet hätten und dieses als „Naziorganisation“ verunglimpften.

Bischof Reinhart Guib berichtete über gemeinschaftsfördernde Maßnahmen der EKR wie die Reihe „12 Apfelbäumchen für ein klares Wort“, an der viele siebenbürgische Organisationen beteiligt waren. Geplant sei nun die Veranstaltungsreihe „Gesichter – Grenzen – Geschwister“ zusammen mit evangelischen Kirchen und Gemeinden im Banat, aber auch mit jenen in der Bukowina, Bessarabien und Altrumänien (Muntenien, Walachei, Dobrudscha), die nach 1918 in die EKR hinzukamen, sowie den evangelischen Kirchen aus dem ehemaligen Österreich-Ungarn, von denen man durch die neue Grenzziehung getrennt wurde.

Die Konsultation erwies sich auch diesmal als gutes Forum, um Vernetzungsmöglichkeiten zu erörtern. Die siebenbürgischen Organisationen sehen sich dabei nicht als Konkurrenz, denn es sei „genügend Raum für alle, sich zu engagieren“, wie Pfarrerin Birgit Hamrich betonte. Drei Gesprächsrunden wurden bisher in München (2011, 2013 und 2018), eine in Drabenderhöhe (2012) und zwei in Bad Kissingen (2014, 2015) abgehalten – die achte Konsultation wird voraussichtlich in zwei Jahren stattfinden.

Siegbert Bruss

Schlagwörter: Kirche, EKR, Konsultation, München

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