7. Februar 2025
Einzigartiges Zeitdokument: Amateuraufnahme von der Aushebung vom 13. Januar 1945 im Hause Hann von Hannenheim
Es gibt von Russlanddeportierten überraschend viele Gruppen- und Einzelbilder, aufgenommen in sowjetischen Fotostudios, bei kulturellen Veranstaltungen oder in der Freizeit, und auch – freilich seltener – bei der Arbeit, soweit politisch unbedenklich oder propagandistisch nützlich. Aber es gibt keine einzige Aufnahme von den dramatisch-emotionalen Augenblicken der Aushebung selbst. Das untenstehende Foto ist, so gesehen, eine Ausnahme und meines Wissens das einzige seiner Art.

Gerne hätten wir mehr über die Umstände gewusst, unter denen das leider unscharfe, etwas verrissene Foto entstand. Die Frauen blicken jedenfalls zur Kamera, was dafür spricht, dass das Foto nicht heimlich aufgenommen wurde, was schon rein technisch unmöglich gewesen wäre, denn „Heimchen“, passionierter Amateurfotograf, besaß eine nicht eben unauffällige Agfa-Klappkamera (einige seiner Ausflugsbilder aus den 1930er Jahren sind abgedruckt in Mircea Dragoteanus Hohe-Rinne-Dokumentation „Întruparea muntelui în suflet“, 2022).
Leider wurde dieses Bild für die Beteiligten zum Abschiedsbild für immer. Inge v. Hannenheim (1924-1948) starb im Arbeitslager in Jenakijewo wegen einer zu spät behandelten Magen-Darm-Erkrankung, Schwester Trudi (1926-2019) kam von dort im Januar 1947 mit einem Krankentransport mit schwerer Gelbsucht nach Frankfurt/ Oder. Nach mehreren Heimkehrversuchen entschloss sie sich, in (West-) Deutschland zu bleiben und heiratete 1951 Dipl.-Ing. Hans Christian Kimm, den Sohn des Zeichners Fritz Kimm (ihr Sohn Dr. Florian Kimm ist der Besitzer des hier vorgestellten Fotos).

Das Hannenheimische Haus in der Schwimmschulgasse war übrigens jenes, in dem der nachmalige Journalist und Schriftsteller Hans Liebhardt (1934-2017) als Kostjunge von 1947 bis 1949 in die sprichwörtlich weite Welt hinein startete. „Das Leben im Hause Hannenheim scheint für mich wichtiger gewesen zu sein als die Schule an sich“, scherzte er in einer seiner ADZ-Glossen. Keine Frage, für den dreizehnjährigen Jungen aus Großpold war dies eine prägende Zeit mit vielerlei Anregungen. In die Wege geleitet und mit ihrem Ersparten möglich gemacht hatte das seine über alles geliebte Großmutter, weil „Hanzi“ damals schon elternlos war (sein Vater war auf der Krim gefallen, die Mutter war bereits 1939 gestorben, „diese zwei Jahre im Hause Hannenheim in Hermannstadt waren für mich hervorragend“, stellte er rückblickend in einem Interview mit der Fotografin und Publizistin Christel Wollmann-Fiedler kurz vor seinem Tod fest (vgl. Hermannstädter Zeitung vom 26. Januar 2018).
Konrad Klein
PS. Der im Text erwähnte Bildbesitzer Dr. Florian Kimm hatte erst kürzlich der neuen Schatzkammer des Siebenbürgischen Museums einen kostbaren Frauendolman der Kronstädter Patrizierin Justina Seuler v. Seulen als Dauerleihgabe überlassen, es ist jener, der auch auf Robert Wellmanns berühmtem Gemälde „Die Bockelung“ abgebildet ist, siehe Siebenbürgische Zeitung Online vom 5. Juli 2024.Schlagwörter: Deportation, Fotografie, Geschichte, Konrad Klein
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