8. März 2008

Leserecho: Polemica in nuce

Zu Michael Kroners Besprechung des Romans "VLAD: Die Dracula-Korrektur" und der Entgegnung des Schriftstellers Dieter Schlesak "Als Roman, nicht als Geschichtstraktat zu lesen" meldet sich der Historiker und Belletrist Carl Gibson mit folgendem Leserbrief zu Wort.
Die Polemik „Korrektur der Dracula-Korrektur“, Siebenbürgische Zeitung Online vom 2. Februar 2008, lässt erkennen, dass Schlesak mit seinem Buch einen kleinen Coup gelandet hat und dass er wirkt.

Da spricht der in Siebenbürgen geborene, etablierte Dichter, ein Poet, der in den letzten Jahrzehnten auf Wanderschaft ein immenses Werk gezaubert hat, ein Werk tiefschürfender Offenlegung und Wahrheitssuche in vielen Bereichen. Der poeta doctus.

Der Historiker Michael Kroner erwartet ein abstraktes Traktat, während Schlesak auf wissenschaftlicher Grundlage die Arbeit am Mythos, die freie Auseinandersetzung mit einem europäischen Mythos der Neuzeit in literarischer Form anstrebt, um ein Klischee zu korrigieren, und ein komplexes Gesamtbild des Gewaltherrschers Vlad Țepeș erarbeitet!

Kroner wirft Schlesak trivialste Unwichtigkeiten vor, um ihn zu diskreditieren und das Werk polemisch herabzuwürdigen, versagt aber selbst, wenn er mit Gegenbeweisen zum Gegenschlag ausholt. Nahezu jede seiner Gegenthesen unterstreicht nur die eigene Unflexibilität in literarischen Dingen. Dieter Schlesak, dessen Vlad-Korrektur auf einer in Jahrzehnten gewachsenen Dokumentation beruht, die unter den Titel Tod und Teufel im Pop-Verlag erscheinen wird, ist gut gewappnet. Der „Polemiker“ erledigt sich selbst! Kleinlich und unflexibel schon auf ästhetischer Ebene, wenn er an erotischen Phantasien, sexuellen Szenen, Praktiken und sonstigen Unappetitlichkeiten Anstoß nimmt. Schlimmer ist, dass er sich im Faktischen der eigenen Domäne selbst entlarvt! Einige Beispiele: Ein Leben im Dreck und in der Scheiße sei nicht typisch für die Straßen von Schäßburg im 15. Jahrhundert – die Pest und andere Krankheiten resultierten nicht daher. Richtig ist das Gegenteil. In ganz Europa damals.

Die als reinwaschende Apologie des Sachsentums inszenierte Schmähschrift gegen Schlesaks gerade erst prämiertes Werk enthält noch manche fragwürdige Behauptungen. Die Siebenbürger Sachsen hätten diesen blutrünstigen Vampirismus keinesfalls in Pamphleten übertrieben. Auch läge die in Vlad konzentrierte Brutalität nicht in der Zeit! Das Gegenteil ist der Fall! Und Schlesaks Sachsen-Abneigung? Ihm, der seine Heimat bestimmt nicht weniger liebt als Kroner, davon zeugt sein Werk, so etwas zu unterstellen ist höchst abwegig.

Das komplexe Erscheinungsbild einer historischen Persönlichkeit gestalten! Das hat Schlesak getan – als Mann der Wissenschaft (Doctor honoris causa der Universität Bukarest) – aber mit der Freiheit des Dichters!

Vlad Dracula ist inzwischen ein großer Mythos – denn viel vom Bösen, von Macht und Ohnmacht, von Licht und Finsternis spiegelt sich in ihm – Faust und Don Juan und dahinter selbst noch Ahasverus. Engstirnigkeiten und Provinzialismen halten dort nur auf, wo Analyse und Kunst gefragt sind.

Carl Gibson, Bad Mergentheim

Schlagwörter: Leserecho, Schlesak

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Neueste Kommentare

  • 09.03.2008, 19:53 Uhr von lori: Hallo Allerseits, Einen "Dr. hc." mit "Mann der Wissenschaft" gleichzusetzen ist schon ein ... [weiter]

Artikel wurde 1 mal kommentiert.

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