2. Oktober 2009

Handballmeister 1959! Das Ereignis unserer Jugend in Hermannstadt

Unglaublich: 50 Jahre sind seither ins Land gezogen. Allein schon ob dieser beeindruckenden Zahl sah ich Anlass genug, der Aufforderung von Schnapsi (Rolf Schnaep) und Pisu (Gert Sten­zel) zu folgen, um unsere treuen Handballfans an das Großereignis unserer Jugend zu erinnern.
Unsere Geschichte nahm ihren Lauf Mitte der fünfziger Jahre, natürlich in Hermannstadt, in unseren dortigen Gymnasien. Damals wurde Handball noch auf dem großen Feld gespielt und erfreute sich besonders in den deutschen Schu­len großer Beliebtheit. Bekanntlich waren sie die Wiege des Handballs in Rumänien. Kurz zu­vor absolvierten Johann (Purschi) Schuster und Eugen Trofin das Sportinstitut in Bukarest. Beide hatten sich bereits als Studenten dem Handball verschrieben und beiden sollte eine glänzende Trainerkarriere auf höchstem Niveau beschieden sein. Damit waren natürlich alle Bedingungen einer enormen persönlichen, sportlichen Rivali­tät zwischen den ehemaligen Stu­dienkollegen erfüllt. Hinzu kam, dass Buka­rest sehr bemüht war, jedem zu beweisen, dass nicht nur in Her­mannstadt Handball gespielt wird.

Wieder nach Hermannstadt zurückgekehrt, machte sich Purschi Schuster sofort an die Arbeit, um eine Jugendmannschaft aufzubauen. Seine Handballbegeisterung und sein Talent, andere für den Handball zu begeistern, waren außergewöhnlich, so wie seine Art, Jugendliche im positiven Sinne zu beeinflussen. An einem schönen Tag im Jahr 1956 erschien er im Ursu­linenkloster (unser Gymnasium), um unter uns Achtklässlern für seine geplante Jugendmann­schaft zu werben. Allzu viele waren es nicht, die sich beim ersten Training auf dem „Electrica“-Sportplatz einfanden. Die Werbeak­tion für un­sere Mannschaft wurde auch auf unsere Freun­de vom Brukenthal-Gymnasium und der Abendschule ausgeweitet. Schließlich hatte Purschi seine Mannschaft beisammen und wir konnten mit den vielleicht inhaltsreichsten Trainingsein­heiten unserer Handballerkarriere beginnen. Wir wurden zu fairen Sportlern, aber auch zu echten Freunden erzogen. Mann­schafts­geist war kein leeres Wort. Die Freund­schaft wurde da­mals nicht nur auf dem Rasen gepflegt. Sie hatte auch im allgemeinen Umgang miteinander einen hohen Stellenwert. Erstaun­lich, wie wirksam der Trainer „Zuckerbrot“ und nicht die „Peitsche“ verteilte. Nach guter Leis­tung lud er uns in die Konditorei „Eule“ zu einer leckeren „Amandine“ oder „Eclaire“. Bald wa­ren wir so weit, dass wir auf lokaler Ebene auch gegen Senioren­mann­schaften antreten konnten und siegten.

Der Schwachpunkt unserer Mannschaft war ihre mangelhafte physische Stärke. Deshalb hat­ten in unserer Spielweise taktische Mittel immer höchste Priorität. Von den taktischen Vor­gaben unseres Trainers waren wir absolut überzeugt. Seine väterliche Art, uns zu lenken, war einzigartig. Vor allen Dingen wurde uns eingepaukt, dass ein Spiel in der Verteidigung gewonnen würde. Hinzu kam noch, dass wir jederzeit mit „Köpf­chen“ spielen müssten, weil unsere Mus­keln klein wie eine Semmel, unsere Köpfe aber so groß wie ein Laib Brot wären. Letzteres ist eine rumänische Re­densart, die im Sport oft zitiert wurde und uns besonders schmeichelte. Ein so plastisch ausgedrücktes Kompliment verfehlte sein Ziel natürlich nicht.

Als Folge der großen internationalen Erfolge im Handballsport jener Jahre beschloss die Rumänische Handballföderation für die Spiel­zeit 1958/1959 erstmalig auch für Junioren eine Landesmeisterschaft zu veranstalten. Der Austra­gungs­­modus sah Ausscheidungsspiele zwischen den Regio­nal­meistern vor. In der Vorschluss­phase siegten wir in allen Spielen und standen schließlich in der Endrunde. An ihr nahmen sechs Mannschaften teil, die in zwei Gruppen aufgeteilt wurden. Das Glück war uns hold: Das Finale wurde in Hermannstadt ausgetragen, auf unserem altehrwürdigen Turnschulgrund.
Ehrentafel für die 1959 errungene Junioren ...
Ehrentafel für die 1959 errungene Junioren-Landesmeisterschaft.
In den Wochen vor den Spielen schwebten wir Spieler buchstäblich auf „Wolke Sieben“. Auch die Begeisterung unserer Fans war riesengroß. Zu ihnen zählten unsere Mitschüler, alle Hand­ballbegeisterten unserer Stadt und nicht zuletzt unsere stolzen Eltern. In unserem ersten Grup­penspiel besiegten wir Luceafarul Pitești mit 19:4, und darauf Technometal Temesvar, mit 17:11. Damit standen wir sensationell im Finale, ausgerechnet gegen den Schülersportklub aus Bukarest, trainiert von Eugen Trofin, spä­te­re Trainerlegende und zeitlebens Erzrivale unseres Trainers. Die Bukarester waren uns bekannt. Technisch waren sie uns überlegen. Im Tor stand der spätere zweifache Welt­meister Valentin Samungi und ihr Spiel wurde äußerst intelligent von Apostu geleitet. Unser Trainer ließ sich seine Anspannung nicht anmerken. Unermüdlich war er dabei, uns Mut zu machen, uns von unseren Vorzügen zu überzeugen.

24. Mai 1959: Vor einer für den Turnschul­grund übergroßen, euphorischen Kulisse wurde das für uns schönste Spiel unserer Jugend ange­pfiffen. Zur Mannschaft zählten: im Tor Rudolf Klubitschko und Wolfgang Böhm; Verteidiger: Helmut Schuller, Dieter Theil, Dieter Zinz, Hans-Jörg Sigerus, Klaus Stenzel, Dieter Borger; Stürmer: Emil Pantazopol, Gerd Stenzel, Rolf Schnaep (Mannschaftskapitän), Dieter Zikeli, Dieter Neumann, Dieter Stenzel.

Das Spiel konnten wir nur durch überlegene Taktik, unbändigen Willen, Disziplin und vorbildliche Kondition gewinnen. An diesem Tage stimmte in unserem Spiel absolut alles. Petrus hatte dafür gesorgt, dass das Spielfeld nach heftigem Regen völlig aufgeweicht war. Die Platz­verhältnisse kamen unserer einfachen Spielart äußerst zugute. Unsere Gegner waren in der zweiten Spielhälfte konditionell völlig am Ende. Ein mir auch heute noch im Gedächtnis eingebrannter Spielzug führte über nur drei Sta­tionen zum Tor: Rudi Klubitschko bringt den Ball ins Spiel indem er Ditz Neumann bedient. Dieser überbrückt fast das gesamte Spielfeld mit seinem Zuspiel auf Puiu Pantazopol und unser kleinster Stürmer lässt dem gegnerischen Tor­wart keine Chance. Nach dem Schlusspfiff des wirklich unparteiischen Schiedsrichters war eine kleine Sensation perfekt. Wir gewannen das Spiel mit 12:8, nachdem es zur Halbzeit noch 6:5 gestanden hatte. Unser gesamtes Umfeld war begeistert von unserer Leistung. Nicht nur unser kleiner Sportklub „Voința“ schenkte uns größte Aufmerksamkeit. Wir hatten das Gefühl, die ganze Stadt sei stolz auf uns. In dem Schau­fenster unseres Vereins auf dem Kleinen Ring wurde eine Ehrentafel der Meister ausgestellt, gekrönt von der damals üblichen Losung: „Pri­mii in sport, primii in producție“, übersetzt: „Die Ersten im Sport (sind auch) die Ersten in der Produktion“. Das bedarf heute wohl keines weiteren Kommentars.

Das Spiel war der Startschuss zu einer internationalen Trainerkarriere. In dieser Mann­schaft wuchsen Spieler heran, die über viele Jahre Hermannstadt im Handball auf höchster Ebene vertreten haben. Die Begeisterung für den Hand­ball unter den Schülern erlebte einen Höhe­punkt. Es gab keinen Mangel an Nach­wuchs mehr. „Purschi“ konnte noch manchen Spieler von Format ausbilden. Wie sehr wir unserem Trainer ans Herz gewachsen waren, bezeugt auch sein letztes Interview, das er am 8. September 2000 der Hermannstädter Zeitung gab. Darin nennt er uns alle namentlich und er­klärt, dass diese Spielergeneration in den nachfolgenden Jahren den Kleinfeldhandball ge­prägt habe. Dies ist wohl die höchste Auszeich­nung für uns, seine Spieler.

Im folgenden Jahr erlebte unsere Sportart eine grundlegende Veränderung. Die IHF be­schloss, das Handballspiel auf dem Großfeld durch den Kleinfeldhandball zu ersetzen. Damit hatte sich unsere Mannschaft den Titel des ersten und letzten Juniorenmeisters auf dem Großfeld in der rumänischen Handballgeschich­te gesichert. Heute, nach fünfzig Jahren, darf ich wohl im Namen aller meiner Mannschafts­kollegen sprechen und gestehen, wie dankbar wir dafür sind, immer wieder in den nimmer ver­blassenden Erinnerungen an unseren Trai­ner und unseren Sieg schwelgen zu können. Jeder von uns hat bis auf den heutigen Tag einige kleine schwarz-weiß Photos und das Lan­des­meister­trikot als Erinnerungsstücke an dieses Erlebnis aufbewahrt.

Rudolf Klubitschko

Schlagwörter: Sport, Handball, Jubiläum

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