16. August 2004

Aussiedleranerkennung weiterhin problematisch

In dieser Zeitung wurden in den Jahren 2002 und 2003 mehrere Artikel zu dem in der Zwischenzeit gescheiterten Zuwanderungsgesetz veröffentlicht. Nach dreijährigem Parteienstreit wurde am 9. Juli 2004 ein " neues“ Zuwanderungsgesetz verabschiedet, das am 1. Januar 2005 in Kraft treten wird. Eine detaillierte Kommentierung wird gegebenfalls zu einem späteren Zeitpunkt nachgereicht. An dieser Stelle versucht Bundesrechtsreferent Dr. Johann Schmidt bereits eine Prognose hinsichtlich der Auswirkungen des Zuwanderungsgesetzes, das auch die Bedingungen für die Aufnahme der deutschen Spätaussiedler betrifft, die im Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetz (BVFG) festgelegt sind. Bezug genommen wird insbesondere auf das Antwortschreiben des Leiters der Bayerischen Staatskanzlei, MdL Erwin Huber, vom 19. Juli 2004 auf das Schreiben des Bundesvorsitzenden vom 1. April 2004 (siehe Bericht in der Siebenbürgischen Zeitung Online vom 29. März 2004).
Die CDU/CSU-Bundesfraktion weist in einer Pressemitteilung 851/17. Juni 2004 darauf hin, dass bei den Verhandlungen mit der Regierung wesentliche Verbesserungen zu Gunsten der Gruppe der deutschen Spätaussiedler erzielt werden konnten. Im Einzelnen seien dies:

Beim Führen des Abstammungsnachweises (§ 96 BVFG) bleibt es bei der bisherigen gesetzlichen Regelung, wonach in besonders gelagerten Fällen auch auf die Generation der Großeltern beim Führen eines Abstammungsnachweises zurückgegriffen werden kann. Hier hatte der Entwurf des Zuwanderungsgesetzes der Bundesregierung vorgesehen, dass künftig nur noch die Elterngeneration bei der Führung des Abstammungsnachweises Berücksichtigung finden kann.

Bei dem für die Familienangehörigen und Abkömmlinge des Spätaussiedlers vorgesehenen Sprachtest werden künftig Grundkenntnisse der deutschen Sprache verlangt. Der Sprachtest wird wiederholbar sein. Diese Regelung ist ebenfalls der Hartnäckigkeit der Union zu verdanken. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung hatte das höhere Niveau ‚ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache‘ und keine Wiederholbarkeit des Sprachtests vorgesehen. Hier hat die Union viel für die Aussiedlerfamilien erreicht.

Außerhalb des Gesetzes konnte in Verhandlungen mit Bundesinnenminister Schily erreicht werden, dass der Beirat für Vertriebenen-, Flüchtlings- und Aussiedlerfragen beim Bundesminister des Innern per Ministererlass erhalten bleibt. Damit kann dieses wichtige Integrationsgremium seine Arbeit fortsetzen. Das Zuwanderungsgesetz hatte eine Streichung dieses Beirates vorgesehen.


Obige Gesichtspunkte können allenfalls eine positive Auswirkung bei dem Zuzug der Deutschen aus Russland spielen. Wenn die derzeitige Praxis allerdings im Hinblick auf die Anforderungen bei Sprachkenntnissen in den beim Spätaussiedler durchzuführenden Sprachtests berücksichtigt werden, wird weiterhin mit einer großen Anzahl von Ablehnungen der Aufnahmeanträge zu rechnen sein. Bei zuzugswilligen deutschen Volkszugehörigen aus Rumänien spielen obige Gesichtspunkte bislang keine entscheidungserhebliche Rolle. Dies wird auch nach Inkrafttreten des neuen Zuwanderungsgesetzes so bleiben.

Wie bereits mehrfach in dieser Zeitung berichtet, erfolgen die Ablehnungen – insbesondere auch in Bayern - der Spätaussiedlerbewerber aus Rumänien derzeit überwiegend mit dem Argument der fehlenden Benachteiligung in Rumänien wegen des deutschen Volkstums. Daher hatte der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen, Dipl.-Ing. Arch. Volker Dürr, in einem Schreiben an den Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Edmund Stoiber auf die unbefriedigende Situation hingewiesen und insbesondere auch darauf, dass Spätaussiedlerbewerber aus Rumänien, die einen Aufnahmebescheid nach alter Behördenpraxis erhalten haben und eingereist sind (Aufnahmebescheid ausgestellt vor dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.03.1998, wonach die so genannte persönliche Vereinsamung nicht mehr als Benachteiligung im Sinne des § 4 Abs. 2 BVFG gilt) abgelehnt werden. Bedauert wurde in dem Schreiben auch, dass der Freistaat regelmäßig gegen positive, zu Gunsten der Antragsteller verkündete erstinstanzliche Urteile, Rechtsmittel einlegt und dass im Rechtmittelverfahren das Schicksal im Wesentlichen davon abhängig ist, ob über das Berufungsverfahren ein neuer Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes, der in Ansbach installiert wurde, zu entscheiden hat. Die diesbezüglichen Entscheidungen fallen überwiegend negativ, somit zu Lasten der Antragsteller aus. Anders ist die Entscheidungspraxis des 11. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes in München, in dem wiederholt positive erstinstanzliche Urteile zu Gunsten des Antragstellers bestätigt wurden (siehe Veröffentlichung in dieser Zeitung).

Der Bundesvorsitzende Volker Dürr bat in seinem Schreiben an den Ministerpräsidenten zu prüfen, ob der Freistaat Bayern sich nicht doch in der Lage sieht, die von ihm eingelegten Rechtsmittel zurückzunehmen, nachdem ja immerhin der Freistaat Bayern im Aufnahmeverfahren in den vorliegenden Fällen seine Zustimmung erteilte. Des Weiteren wurde zu bedenken gegeben, dass bei der restriktiven Anwendung des Bundesvertriebenengesetzes für Vertriebenenbewerber aus Rumänien im Hinblick auf die Problematik der Benachteiligung gem. § 4 Abs. 2 BVFG Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes ausgehöhlt sein dürfte und somit leer läuft. Hier wurde angeregt, eine Gesetzesinitiative auf Bundesebene zu veranlassen, mit dem Ziel, dass bei dem betroffenen Personenkreis, für den die deutsche Volkszugehörigkeit unstreitig ist, zumindest die deutsche Staatsangehörigkeit zugesprochen wird, selbst ohne vertriebenenrechtliche Anerkennung.

Der Ministerpräsident dankte für das Schreiben des Bundesvorsitzenden vom 1. April 2004 in dem eingang erwähnten Schreiben des Leiters der Bayerischen Staatskanzlei, MdL Erwin Huber. Leider enthielt das Antwortschreiben keinerlei positive Lösungsansätze. Im Gegenteil, es wurde als Erklärung für die Schaffung des Rechtsinstitutes der „Benachteiligung“ auf den Asylkompromiss aus dem Jahre 1992 hingewiesen und auf den Umstand, dass die Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1991 und 1992 mit Ungarn, Polen, der damaligen Tschechoslowakei und Rumänien Nachbarschaftsverträge geschlossen habe, die einen Schutz deutscher Minderheiten garantieren würden. Auch wenn dem so richtig ist, hätte jedoch berücksichtigt werden müssen, dass z.B. bis heute ein Minderheitenschutzgesetz in Rumänien nicht zustande gekommen ist. Des Weiteren wird in dem Antwortschreiben lediglich darauf hingewiesen, dass die Rechtsmittel eingelegt werden müssten, um einen gesetzmäßigen und vor allem einheitlichen Vollzug zu gewährleisten. Abschließend wird festgehalten, dass nach „Ansicht der Bayerischen Staatsregierung elf Jahre nach der Aufhebung der gesetzlichen Vermutung eines aktuell vorliegenden Kriegsfolgeschicksals keinerlei rechtspolitischer Handlungsbedarf für Spätaussiedlerbewerber aus Rumänien (Hervorhebung der Redaktion) mehr bestünde. Eine Wiedereinführung würde bedeuten, dass einem EU-Beitrittskandidaten eine andauernde und aktuelle staatlicherseits sanktionierte Verfolgung von Deutschen zu unterstellen“ sei.

Diese Ausführungen lassen erkennen, dass für Spätaussiedlerbewerber aus Rumänien offensichtlich eine realistische Zuzugsmöglichkeit nicht (mehr) besteht. Andererseits stellt Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes nach wie vor fest, dass auch deutsche Volkszugehörige Deutsche im Sinne des Grundgesetzes sind, wenn sie Aufnahme im Bundesgebiet gefunden haben (Art. 116 Abs. 2 des Grundgesetzes). Wenn die Aufnahme allerdings so vonstatten geht, dass praktisch „das Tor zu ist“, dürfte die jetzige Aufnahmeregelung verfassungswidrig sein.

Fazit

Es bleibt nach alldem bedauerlicherweise zusammenfassend nur die Empfehlung an die Betroffenen übrig, den Rechtsweg zu beschreiten, da auch von dem Bundesland Bayern, das sich gerne als „Anwalt der Aussiedler“ bezeichnet, offensichtlich keine Unterstützung erwartet werden kann. Dies gilt insbesondere für diejenigen Betroffenen, die in den erstinstanzlichen Verfahren obsiegen. Dies alles in der Hoffnung, dass das Bundesverwaltungsgericht oder eventuell später das Bundesverfassungsgericht ebenfalls Entscheidungen zu Gunsten der betreffenden Antragsteller trifft, mit der Folge, dass diese dann auch für die unteren Instanzen und auch für die Behörden der Länder zwingend bindend sind und unter Umständen auch zu einer Änderung des BVFG führen müssen.

Dr. Johann Schmidt Bundesrechtsreferent der Landsmannschaft
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 13 vom 10. August 2004, Seite 3)

Weitere Artikel zum Thema Aussiedlerrecht:

Entscheidungen zugunsten von Aussiedlern, Siebenbürgische Zeitung Online, 16. Oktober 2001

Günstige Behördenpraxis für abgelehnte Spätaussiedler, Siebenbürgische Zeitung Online, 28. Oktober 2001

Vorzeitige Einbürgerung in Bayern möglich, Siebenbürgische Zeitung Online, 7. August 2002

Zuzug von Aussiedlern erheblich erschwert, Siebenbürgische Zeitung Online, 16. September 2002

Positives Urteil für Spätaussiedler, Siebenbürgische Zeitung Online, 18. Dezember 2003

Bewerten:

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.