25. Juli 2022

EU-Projekt in Martinsdorf wird engagiert fortgeführt

Der Verein Handwerkerschule Martinsdorf/Siebenbürgen e.V. ist nach den letztjährigen Corona-Einschränkungen 2022 mit seinem Projekt in Siebenbürgen wieder voll durchgestartet. Bereits vom 26. April bis zum 7. Mai waren 17 Zimmerer und Zimmererinnen mit ihren Ausbildern nach Martinsdorf gereist, um auf dem Gelände des evangelischen Pfarrhauses zu arbeiten. Drei Wochen später begann schon der nächste Projektabschnitt und so trafen sich vom 15. bis zum 28. Mai Vereinsmitglieder, das Organisationsteam, Ausbilder, elf Malerinnen und Maler, zwei Holzbildhauerinnen und acht Dachdecker-Azubis in Martinsdorf. Darunter waren erstmals drei Auszubildende aus der Schweiz. Die Kooperation mit den Schweizer Dachdeckern hatte sich im letzten Jahr angebahnt und wurde prompt in diesem Jahr erfolgreich umgesetzt.
Von links: Johann Seifert, Jaqueline Kuhn, Lukas ...
Von links: Johann Seifert, Jaqueline Kuhn, Lukas Bircher und Jessica Jörges arbeiten gemeinsam gewerk- und nationenübergreifend an einer mehrfarbigen Zierbordüre. Foto: Moni Schneider-Mild
Premiere im Projekt hatte auch das deutsche Maler-Nationalteam, eine bundesweite Förderinitiative des Maler- und Lackiererhandwerks, das mit einigen aktiven und einigen ehemaligen Mitgliedern sowie dem Nationaltrainer vor Ort war.

Unterstützung kam auch aus dem hohen Norden Deutschlands nach Martinsdorf, nämlich aus Hamburg: vier Maler-Azubis aus der Hamburger Begabtenförderung sowie der Bundesbildungsausschuss-Vorsitzende des Bundesverbandes „Farbe – Gestaltung – Bautenschutz“.

Die Stimmung im Projekt war von Anfang an prima und so machten sich alle mit Begeisterung und Tatendrang an die Arbeit, sei es auf dem Dach des Martinsdorfer Pfarrhauses, beim Erstellen einer Holzskulptur, beim Fliesen des Sanitärbereiches, der Administration oder in der Mardischer Kirche.

Jessica Jörges (24) und Johann Seifert (25), beide ehemalige Mitglieder im Maler-Nationalteam, sowie Jaqueline Kuhn (24), aktives Mitglied im Maler-Nationalteam, hatten die Aufgabe, gemeinsam die Wände und Decke eines Raumes farblich neu zu gestalten und herzurichten. Eine Besonderheit war für sie das Arbeiten mit traditionellen Kalkfarben und den entsprechenden Techniken. Ganz im Sinne dieses Erasmus+-Projektes – gewerkübergreifend zu arbeiten und zu lernen – nahmen sie dabei für zwei Tage den Dachdeckerlehrling Lukas Bircher unter ihre Fittiche. Lukas, der in Hagedorn im Schweizer Kanton Zug lebt, ließ sich bereitwillig auf die für ihn ungewohnten Arbeiten, Werkzeuge und Materialien ein. Auch wenn er seinen Dachdeckerhammer nicht für immer gegen Pinsel und Farben eintauschen würde, so war der kurzzeitige und kurzweilige Ausflug ins Malerhandwerk für ihn eine bereichernde Erfahrung. Seinen Aufenthalt in Martinsdorf beschreibt der 17-Jährige im Nachhinein wie folgt: „Es war eine Wahnsinnszeit in Martinsdorf und ich habe jeden Tag genossen. Nach den ersten Tagen fühlte es sich so an, als ob man alle anderen schon seit einer Ewigkeit kennen würde. Die Arbeit und die Ausflüge haben mir sehr gefallen und es war sehr interessant, einmal andere Sitten und Bräuche zu entdecken sowie die Menschen und die Natur. Ich würde jederzeit gerne wiederkommen.“

Auch Jessica Jörges, Maler- und Lackierermeisterin aus Dreieich bei Frankfurt am Main, zeigt sich zurück in Deutschland begeistert: „Die Reise nach Martinsdorf hat mich einfach nur überwältigt. Ich habe mir von Anfang an gedacht, dass es mir sehr viel Spaß machen würde, aber das, was ich dort erleben durfte, hat alle Erwartungen übertroffen. Es ist ein sehr einfaches Leben dort und damit sehr viel anders als bei mir zuhause, aber ich habe mich so schnell eingefunden, dass die Themen ‚Plumpsklo‘, ‚Duschwagen‘, ‚kein Handyempfang‘ und ‚die nächste größere Stadt mindestens 30 Minuten entfernt‘ gar kein Problem mehr waren.“

Jessica, die mit Handwerksthemen als Bloggerin und Influencerin versucht, junge Menschen für das Handwerk zu gewinnen, hebt hervor: „Am meisten gefallen hat mir unsere Gruppendynamik. Ca. 30 Leute aus unterschiedlichen Gewerken und Nationen, mit sehr vielen Dialekten, treffen aufeinander und können wunderbar zusammenarbeiten und bilden in einer wahnsinnig schnellen Zeit eine kleine Familie.“ Und weiter: „Auch das Land selbst hat mich sehr überrascht und es ist anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Gerade die Siebenbürger Sachsen, die wir während unserer Reise kennenlernen durften, haben uns so herzlich aufgenommen und es ist so schön gewesen, mehr über ihre Kultur zu erfahren. Die Art des Projekts, genau diese Kultur und ihre Bauwerke zu erhalten, finde ich wunderbar. Es ist sehr faszinierend, an denkmalgeschützten Objekten mitarbeiten zu dürfen, aber auch allgemein mit Farben zu arbeiten, die wir in Deutschland nicht oft benutzen.“

Schließlich resümiert Jessica: „Es war für mich eine ganz tolle Reise, mit Eindrücken, die ich nicht vergessen werde, Freundschaften, die hoffentlich auch trotz der großen Entfernungen lange halten, und jeder Menge Energie – ich weiß zwar noch nicht so ganz, wo sie herkommt, aber sie ist da –, die ich dazu nutzen möchte, meine Aufgaben hier zuhause so gut wie möglich zu bewältigen. Mein Fazit ist: Ich möchte wiederkommen und dieses Projekt weiter unterstützen!“

Ein Kennenlernen mit Martinsdorf und Siebenbürgen wird es für talentierte und interessierte Maler-Auszubildende vom 29. Juli bis zum 7. August geben. Dann werden junge Menschen – wie bereits im letzten Jahr – an dem Denkmalcamp der gemeinnützigen Sto Stiftung teilnehmen und so einen ganz besonderen „Blick über den Tellerrand“ wagen.

Moni Schneider-Mild

Schlagwörter: Martinsdorf, EU-Projekt, Restaurierung, Pfarrhaus, deutsch-rumänische Beziehungen, Jugend, Handwerk

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