7. März 2017

Ein unermüdlicher Brückenbauer: Franz-Reimer Schullerus gestorben

Dr. Franz-Reimer Schullerus aus Wallhausen (Württemberg) ist am 25. Januar im Alter von 82 Jahren gestorben. Der gebürtige Hermannstädter, der mit seiner Frau Gerda Schullerus und den beiden Kindern Dietlinde und Siegfried in Bulkesch (Kreis Blasendorf) lebte, wanderte 1979 nach Deutschland aus. Seiner Heimat blieb er eng verbunden – besonders durch seine ehrenamtliche Tätigkeit für die „Bayerische Kinderhilfe Rumänien“: In Păstrăveni (Moldau) baute er im dortigen Behindertenzentrum der Kinderhilfe die Landwirtschaft und die Lebensmittelversorgung auf und betreute sie. Für seinen Einsatz wurde ihm 2006 das „Bundesverdienstkreuz am Bande“ verliehen, angeregt von der damaligen Sozial- und Gesundheitsministerin von Bayern und heutigen Landtagspräsidentin, Barbara Stamm.
Ein Fernsehbericht über die Zustände in den Heimen und die Situation der Kinder sowie die Tätigkeit der „Bayerischen Kinderhilfe Rumänien“, den Dr. Franz-Reimer Schullerus 1999 sah, stand am Anfang der langjährigen Tätigkeit. Er nahm Kontakt zu dem Verein auf und bot seine Mitarbeit an. Für die Organisation, die Barbara Stamm im Auftrag des bayerischen Landtages aufgebaut hatte, war das ein Glücksfall. Denn der ausgebildete Metzger und Tierarzt brachte Fachkenntnisse und Erfahrungen aus unterschiedlichen Bereichen mit.

14 Jahre war Franz-Reimer Schullerus alt, als er 1949 zusammen mit seinem jüngeren Bruder Dieter als Arbeiter in das staatliche landwirtschaftliche Gut in Hermannstadt eintrat. Er ließ sich zum Metzger ausbilden, arbeitete auf einem Schlachthof und wurde Geschäftsführer des Gastwirtevereins in Hermannstadt. Dort erlernte er das Kochen, was zu seiner Passion wurde. Sein Können in der Küche half ihm immer wieder weiter – auch bei der Armee, wo er fünf Jahre Koch war.

Dr. Franz-Reimer Schullerus. Foto: privat ...
Dr. Franz-Reimer Schullerus. Foto: privat
Die Weiterentwicklung war ihm immer wichtig: Am Abendgymnasium machte er das Abitur, in einem Kunstfaserwerk war er als Dolmetscher tätig und in Bulkesch unterrichtete er Grundschüler.

Als Franz-Reimer Schullerus sich 1968 an der Tierärztlichen Hochschule in Klausenburg einschrieb, um Tiermedizin zu studieren, war er bereits seit acht Jahren mit Gerda Schullerus aus Bulkesch verheiratet. Tochter Dietlinde und Sohn Siegfried wurden geboren. Nach Abschluss des Studiums wurde er Leiter einer Schweinefarm in Kokelburg (Cetatea de Baltă) im Kreis Alba.

Für eine in Rumänien nicht mögliche medizinische Behandlung des Sohnes zog seine Frau Gerda Schullerus mit dem Jugendlichen 1977 nach Deutschland. Ein Jahr später folgten Franz-Reimer Schullerus und seiner Tochter. Nachdem er wegen der beantragten Ausreise arbeitslos geworden war, fand er in Deutschland 1980 eine Stelle im Staatlichen Tierärztlichen Untersuchungsamt Stuttgart. Dafür hatte er weitere Prüfungen zur Anerkennung seines Diploms für Tiermedizin abgelegt und nötige Fortbildungen absolviert. So konnte er in den Folgejahren sehr vielen jungen Kollegen (Wirtschaftskontrolldienst und Lebensmittelchemiker) sein Wissen weitergeben. Im Untersuchungsamt arbeitete Franz-Reimer Schullerus bis zu seinem Ruhestand im Jahr 2000.

Eine Zeitungsanzeige Anfang der 80er Jahre führte die Familie in den Weiler Roßbürg (Gemeinde Wallhausen), wo sie einen kleinen Bauernhof kauften. Die Schweinezucht, für die er bereits in Kokelburg zuständig gewesen war, interessierte ihn auch in der neuen Heimat: Als ein Landwirt die Zucht des fast vergessenen Schwäbisch-Hällischen Landschweins in der Region Hohenlohe (Nordosten Baden-Württembergs) wieder aufnehmen wollte, war Franz-Reimer Schullerus als Berater dabei. Sein großes Wissen über das Einrichten eines Schlachthofes sei bei der Wiederbelebung der Schweinerasse von großem Wert gewesen, erinnert sich Gerda Schullerus.

Seine Tätigkeit als Koch und Metzger und die tierärztliche Ausbildung waren die Grundlage für die sehr wichtige Entwicklungsarbeit in Păstrăveni. Es sei ihm ein besonderes Anliegen gewesen, den dort betreuten Kindern und Jugendlichen eine gesunde Ernährung zu bieten. Gleichzeitig war es sein Ziel, Beschäftigungsmöglichkeiten für die behinderten Menschen zu schaffen. Franz-Reimer Schullerus baute eine Landwirtschaft auf, im Kuratorium der Bayerischen Kinderhilfe Rumänien war er für die Koordinierung und Leitung der Landwirtschaft verantwortlich. Schweine, Hühner und Großvieh wurden angeschafft. Kinder, die dazu in der Lage waren, arbeiteten mit. Heute sei die biologische Landwirtschaft ein Pfeiler der Arbeit im Behindertenzentrum – es gehe auch darum, den Bewohnern sinnvolle und lebenserfüllende Aufgaben zu bieten, hatte Barbara Stamm in einem Brief geschrieben.

Bis zu viermal im Jahr reiste Franz-Reimer Schullerus über 15 Jahre hinweg nach Rumänien und blieb jeweils zehn Tage dort. Es musste gesät und geerntet werden, Maschinen waren zu reparieren. Saatgut, Ersatzteile und einmal sogar einen Brutkasten transportierte er dorthin, sagt Gerda Schullerus. Er sorgte dafür, dass auch Dorfbewohner in der Einrichtung Arbeit fanden. „Enorme Geduld und Erfahrung“ seien nötig gewesen, um die Menschen zu motivieren, damit die Arbeit gut weiterläuft, wenn er nach Deutschland zurückkehrte. Die Fahrten und Aufenthalte kosteten stets viel Energie – „es war schwere Arbeit“, sagt Gerda Schullerus. Erholen konnte er sich dann auf dem kleinen Bauernhof in Roßbürg: „Dort haben wir wieder eine Heimat gefunden, es war unser zweites Bulkesch“, sagt Gerda Schullerus. Rumänien lag Franz-Reimer Schullerus immer am Herzen, ob es nun die Arbeit im Behindertenzentrum oder der ständige Kontakt zur Hochschule in Klausenburg war, wo er sein Wissen an Studenten und Bauern weitergab – „er war immer ein guter Brückenbauer“.

Sebastian Barthmes

Schlagwörter: Kultur, Soziales, Bulkesch, Rumänienhilfe

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