27. Oktober 2019

Rosel Potoradi geehrt: Eine Begeisterung, die auch junge Leute ansteckt

Rosel Potoradi erhielt das Ehrenzeichen des Bayerischen Ministerpräsidenten für Verdienste von im Ehrenamt tätigen Frauen und Männern. Diese Auszeichnung überreichte Oberbürgermeister Dr. Thomas Jung am 9. Oktober im Rathaus Fürth an Rosel Potoradi und drei weitere Ehrenamtliche: Uwe Bischoff (Kanusport), Paul Elbert (Erwachsenenbildung) und Renate Strümpel (Kirchenvorstand). Jung betonte, dass die Stadt Fürth zwar wenig Geld habe, aber reich sei an Ehrenamtlichen, die sich in Kultur, Sport, Kirche, Sozialem oder anderen Bereichen engagieren. Rosel Potoradi, geborene Scheiner, geboren am 24. Januar 1933 in Marktschelken, setzt sich seit 1985 außerordentlich vielseitig in der siebenbürgisch-sächsischen Kulturarbeit in Deutschland ein. In einem Interview mit SbZ-Chefredakteur Siegbert Bruss gibt sie Auskunft über ihre vielen Tätigkeiten, die auch die junge Generation zum Mitmachen motivieren.
Herzlichen Glückwunsch zur Auszeichnung. Was bedeutet sie für dich?

Ich habe mich über die Verleihung des Ehrenzeichens vom Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder sehr gefreut, da es ein Beweis dafür ist, dass unsere siebenbürgische Kultur und unsere Vereinsaktivitäten auf höchster Ebene geschätzt werden. Meine verschiedenen Urkunden sowie das Silberne, Goldene Ehrenwappen und die „Pro Meritis“-Medaille vom Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland sind für mich sehr wertvoll, aber eine Anerkennung für meine ehrenamtliche Arbeit von der Landesregierung ist ebenso schön.
Der Fürther Oberbürgermeister Thomas Jung ...
Der Fürther Oberbürgermeister Thomas Jung überreicht Rosel Potoradi das Ehrenzeichen des Bayerischen Ministerpräsidenten. Foto: Annette Folkendt
Wie ist deine Begeisterung für unsere siebenbürgisch-sächsische Kultur entstanden?

Ich kann ruhig behaupten, dass mir die Begeisterung für unsere Kultur in die Wiege gelegt wurde. In der Familie Scheiner, in der in fast jeder Generation mehrere Pfarrer waren, galt Traditionspflege immer. Ich verbrachte eine schöne Kindheit in meinem Geburtsort Marktschelken. Die einmalige Dorfgemeinschaft, die Bräuche haben mich von Kindheit an geprägt. 1940 freute ich mich riesig auf den Schulanfang. Meine Mutter erzählte mir später, oft ganz gerührt, von meinem ersten Schultag: Das Schulglöckchen hatte bereits geläutet, freudig lief ich nach draußen, blieb plötzlich stehen, machte kehrt, lief in die Wohnstube zum Schreibtisch, packte das Bild meines Vaters und rief: Tatachen, Tatachen, ech gohn en de Schil! Der so Angesprochene war an der Front, und er musste natürlich auch von meinem Glück erfahren.

Schon als Schülerin im Lehrerseminar in Schäßburg war ich in verschiedenen Kulturgruppen aktiv. Hervorragende Lehrer förderten dabei unsere Begabungen. Als ich Lehrerin in Schlatt und dann in Marpod war, führten wir mehrere Theaterstücke auf, fuhren mit dem Chor zu Wettbewerben, boten Kulturprogramme in den umliegenden Dörfern und konnten viel Freude schenken. Als Lehrerin in Hermannstadt beteiligte ich mich mit dem Schulchor an Schulfeiern und Wettbewerben. Im Bach-Chor sang ich begeistert mit. Im Gesangsduett mit Sofia Weinhold erlebten wir wunderschöne Auftritte auf Dörfern und in Hermannstadt. Deutsches Liedgut zu erhalten, war unsere Freude. Auch gründete ich eine Schülervolkstanzgruppe, unsere Auftritte wurden auch in der deutschen Sendung des Rumänischen Fernsehens zur Freude aller gezeigt. Astrid Göddert, heute sehr aktive Tanzgruppenleiterin in Biberach, damals meine Schülerin, sagte mir vor einigen Jahren beim Heimattag in Dinkelsbühl: „Die Begeisterung von damals ist in mir geblieben.“

Weshalb war es für dich wichtig, die siebenbürgische Kultur auch nach deiner Aussiedlung zu pflegen?

1985 siedelten wir nach Bayern um, wo ich die zweite Lehramtsprüfung bestand und in den bayerischen Schuldienst übernommen wurde. Weil ich sehr heimatverbunden bin, war es für mich selbstverständlich, in der Gemeinschaft mitzumachen. Unser siebenbürgisch-sächsischer Kulturschatz – Liedgut, Bräuche, Mundart, Theaterstücke, Gedichte, Trachten – soll unsere Landsleute erfreuen, deshalb arbeitete ich gleich mit Leib und Seele für unsere Gemeinschaft. Aus diesem Grund habe ich auch das „Marktschelker Heimatbuch“ herausgebracht. In Waldkraiburg sang ich begeistert im Chor meines Bruders Kurt Scheiner mit, nachher bei Paul Staedel. Ich gründete eine Erwachsenentheatergruppe, eine Kinder-Sing-und Tanzgruppe, eine Blockflötengruppe, einen Stickkreis, einen Seniorenkreis bei der evangelischen Kirche.

Aus familiären Gründen zogen wir im Jahr 2000 nach Würzburg um. Dort leitete ich zeitweilig den siebenbürgisch-sächsischen Chor, gründete eine Theatergruppe, mit der wir mehrere Mundartstücke aufführten, Ausfahrten unternahmen und viel Freude schenkten.

2004 riefen Oma-Freuden und Pflichten und du zogst nach Zirndorf um. Wie ging es weiter?

Dort übernahm ich die Leitung der Fürther Nachbarschaft des Kreisverbands Nürnberg, die sich im Gemeindehaus St. Paul trifft. Ich organisiere mit einem Team Vortragsreihen, Muttertags- und Weihnachtsfeiern, Ausfahrten zu Ausstellungen, Tagesfahrten u.a. In die Veranstaltungsreihe „Fürth ist bunt“ bringen wir siebenbürgische Themen ein, z.B. Trachten, gestickter Wandschmuck, Keramikkunst, Häuserfassaden, gestickte Sinnsprüche und anderes mehr.

In Fürth hast du 2008 – anlässlich des 100. Geburtstages der Dichterin Frida Binder-Radler – die Singgruppe „Sälwerfädem“ gegründet. Seit 2012 leitest du auch den gemischten Chor.

Die „Sälwerfädem“ sind zehn Sängerinnen, die an der Gitarre von Angelika Meltzer begleitet werden. Schöne Auftritte hatten wir in Fürth, Nürnberg, zehn Mal im Siebenbürgischen Altenheim in Rimsting am Chiemsee, vier Mal in Berlin beim Verband der Siebenbürger Sachsen. Sehr oft singen in Altenheimen, z.B. in Burgfarnbach, im Vitanas Seniorenheim Nürnberg.

Mit dem Fürther gemischten Chor treten wir oft im großen Saal des Gemeindehauses auf, organisieren aber auch Weihnachtsfeiern in der St. Paulskirche in Fürth. Auftritte haben wir aber auch in Nürnberg, zum Beispiel in der Reformationsgedächtnis-Kirche, der Paul-Gerhard-Kirche, der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche und im Haus der Heimat.

Welches waren die wichtigsten Tätigkeiten, die du als Kulturreferentin des Landesverbandes Bayern von 1996 bis 2004 entfaltet hast?

Als solche organisierte ich Kulturreferententagungen, schrieb Berichte zu verschiedenen Themen für die Siebenbürgische Zeitung, lieferte Ideen für Veranstaltungen der Kulturreferenten vor Ort in den Kreisgruppen. Zudem organisierte ich mehrere Sängerfeste der Siebenbürgischen Chöre aus Bayern, z.B. in Kösching, Nürnberg und Waldkraiburg.

Seit 2014 gestaltest du auch den „Siebenbürgischen Kulturnachmittag“ im Haus der Heimat in Nürnberg. Was bietet ihr den Gästen jeden dritten Mittwoch im Monat?

In unseren Vorträgen und Gedenkfeiern rücken wir, auch gebunden an die vier Jahreszeiten, bedeutende Persönlichkeiten der Siebenbürger Sachsen, Dichter, Musiker, Maler in den Mittelpunkt. Die Besucher freuen sich besonders über siebenbürgisch-sächsische Gedichte von Otto Piringer, Schuster Dutz, Karl Gustav Reich u.a. Und im Kreis werden immer viele siebenbürgisch-sächsische und deutsche Lieder gesungen.

Als Lehrerin hast du einen sehr guten Draht zu den jungen Leuten. Wie motivierst du sie zum Mitmachen?

Ich bin begeisterungsfähig, pünktlich und versuche ein gutes Beispiel vorzuleben. Durch interessante Veranstaltungen versuche ich, bei den Jugendlichen Interesse und Freude zum aktiven Mitmachen zu wecken. Mit meinen Kinder- und Jugendgruppen habe ich regelmäßig beim Heimattag in Dinkelsbühl das Jugendprogramm „Unser Nachwuchs präsentiert sich“ mitgestaltet. Diese abwechslungsreichen Darbietungen auf der Bühne haben viele Jugendliche begeistert und motiviert, im Verband weiter aktiv zu sein. Kathrin Kepp z.B. leitet zurzeit mit Erfolg die Nürnberger Jugendtanzgruppe. Katharina Theil, die dreifache Siegerin auf Bundesebene beim Karnevalistischen Tanzsport, war ab dem sechsten Lebensjahr in meiner Kindergruppe. Beim Sängerfest in Nürnberg haben drei Mädchen aus meiner Kindergruppe, Katharina Theil, Lisa Schuster und Marie-Luise Potoradi, die Moderation des Festes glänzend gemeistert. Ich freue mich sehr, dass junge Leute unsere Kultur so begeistert in die Zukunft tragen.

Schlagwörter: Kultur, Verbandsleben, Nürnberg, Fürth, Waldkraiburg, Marktschelken

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