15. Mai 2002

Dieter Reisenauer

Das heutige Interview führten wir mit Dieter Reisenauer, geboren in Hermannstadt, aufgewachsen in Neppendorf (heute Stadtteil von Hermannstadt), 1982 nach Deutschland ausgewandert. Der 32-Jährige organisiert Safaris und lebt zurzeit in Afrika am Rande der Kalahari, auf einer 11 000 Hektar großen Wildfarm, mit Nashörnern, Elefanten, Antilopen, Zebras, Giraffen, aber ohne Strom, Supermarkt, Kino und Zahnarzt um die Ecke - 180 Kilometer von der nächsten Stadt entfernt.

Kannst du uns etwas über deinen Werdegang in Deutschland erzählen

Nach den ersten Jahren in München zog es uns hinaus aufs Land. Meine Eltern kauften ein Haus in Emmering bei Fürstenfeldbruck. Ich besuchte zunächst die Realschule, holte das Abitur an der FOS München nach und absolvierte eine Lehre als Bankkaufmann. Während meines Studiums der Betriebswirtschaftslehre lernte ich meine Frau kennen, die in Namibia aufgewachsen ist und meine ersten Kontakte zu Namibia begründete.

Wie entstand die Idee dorthin auszuwandern?

Schon bei meinem ersten Namibiabesuch hat mich das Land fasziniert. Einerseits waren es die Natur, die Ursprünglichkeit und Wildheit einer Landschaft, die durch den Menschen noch kaum verändert wurde. Ganz im Gegensatz zu unserer europäischen Kulturlandschaft. Ausschlaggebend war aber das Gefühl der Freiheit, das man nur dann spüren kann, wenn man stundenlang unterwegs ist ohne Menschen zu treffen. Ja, es ging um die Freiheit und auch um die Neugierde etwas ganz anderes zu machen. Da sowieso persönliche Verbindungen existierten, war es nicht schwer die Wahl ausgerechnet auf Namibia fallen zu lassen.

Wie war es, das alte Leben mit Freunden und Familie hinter sich zu lassen und ein neues Leben auf einem anderen Kontinent wie Afrika zu beginnen?

Dieser Loslösungsprozess ist eigentlich alltäglich. Er findet schon dann statt, wenn man z.B. von dem Ort, in dem man viele Jahre gelebt hat in eine ferne Stadt zieht, sei es nun aus beruflichen oder persönlichen Gründen. Wie viele finden einen guten Job in USA oder Frankreich oder wo auch immer? Der Kontakt zur Familie und alten Freunden wird nie wirklich abreißen, schon gar nicht in einer Zeit, in der es Fax und E-Mail gibt. Es war spannend für mich, in eine völlig neue Umgebung zu kommen sowie neue Menschen und Mentalitäten kennen zu lernen. Als Siebenbürger, der schon einmal die "Heimat" hinter sich gelassen hat, war es kein Problem mich von Orten zu trennen, auch wenn ich sehr lange dort gelebt hatte. Es ist eine Erfahrung, die auch viele Landsleute zu ihrer Stärke machen können. Frei nach dem Motto: "Heimat ist da, wo Pudding ist".

Wo sind die Unterschiede zwischen Deutschland und Namibia?

Der entscheidende Unterschied besteht für mich in der räumlichen und persönlichen Freiheit. Räumlich muss man sich vorstellen, dass ca. zwei Millionen Menschen auf einer Fläche leben, die mehr als doppelt so groß ist wie die heutige Bundesrepublik Deutschland. Unmittelbar daraus resultiert die persönliche Freiheit. Wo so wenige Menschen leben, schränken auch weniger Regeln und Gesetzte den Einzelnen ein. Die Menschen hier sind auch viel weniger von dem Sicherheits- und Anspruchsdenken geprägt, das man immer öfter in Westeuropa und Deutschland antrifft. In Namibia ist man in einem hohen Maße für sich selber verantwortlich. Man versucht seine Probleme soweit wie möglich selber zu lösen, ohne zu erwarten, dass irgendeine Versicherung oder staatliche Organisation einspringt.

Gibt es Parallelen zwischen Siebenbürgen und Namibia?

Meiner Meinung nach, ja. Sowohl in Namibia als auch in Siebenbürgen lebt eine deutschsprachige Minderheit, die darauf bedacht ist die eigene Kultur, Sprache und Identität zu bewahren. Auch in Namibia hat man es mit einer Mehrheit zu tun, deren Mentalität, Religion, Geschichte und Sprache ein völlig andere ist. Der deutsche Einfluss ist hier natürlich wesentlich kürzer als in Siebenbürgen, was aber der Nachhaltigkeit keinen Abbruch tut.

Wie und wo genau lebst du in Namibia?

Wie erwähnt, hatte ich das große Glück, bereits ein persönliches Umfeld in Namibia vorzufinden. Ich lebe mit meiner Frau und den zwei Kindern auf der Wildfarm meiner Schwiegereltern. Die Wildfarm ist ein Areal von 11 000 Hektar, auf dem Elefanten, Nashörner, Giraffen, Zebras bis hin zu allen vorstellbaren Antilopenarten wie Springböcke, Impala, Gnus, Kudus, Elande frei herumlaufen. Was fehlt, ist Raubwild. Dieses wurde leider schon vor vielen Jahren durch Rinderzüchter und Schaffarmer ausgerottet. Wir haben vor vier Jahren in diesem Gebiet unser Haus gebaut, unweit von den Schwiegereltern. Das Leben hier draußen ist recht ursprünglich, so gibt es kein Stromnetz und nur eine vorsintflutliche Telefonverbindung. Mit Dieselgeneratoren erzeugen wir jeden Vormittag Strom, um Kühlschränke, Waschmaschinen, Haushaltsgeräte zu betreiben und die Batterien aufzuladen, die uns abends elektrische Beleuchtung gewährleisten. Wenn es Störungen gibt, sitzen wir alle bei Kerzenschein und erzählen Geschichten, sehr zur Freude der Kinder.

Womit verdienst du deinen Lebensunterhalt in Namibia?

Eine mögliche Karriere als Bankdirektor war natürlich durch das Auswandern für immer beendet. Aber dafür konnte ich mein Hobby zum Beruf machen. Schon in Deutschland organisierte ich gerne Wandertouren, Radtrips oder Kanufahrten, damals mit Freunden und in der Freizeit. Diese Neigung ist mir in Namibia zugute gekommen. Hier gründete ich zusammen mit meiner Frau ein Safariunternehmen. Dadurch habe ich viel über Land und Leute kennen gelernt und bin in vielen schönen Regionen des Landes unterwegs.

Wie verlaufen die Safaris, die du organisierst?

Bei unseren Safaris verfolgen wir zwei Konzepte. Das eine Konzept könnte man mit dem Begriff "Abenteuersafaris" umschreiben. Bei diesen Touren wird am Lagerfeuer gekocht, in Zelten übernachtet, und man lernt bei ausgedehnten Wanderungen das Land sehr intensiv kennen. Wir benutzten dabei spezielle Fahrzeuge, Pinzgauer 6 x 6, die so ausgestattet sind, dass wir mit unseren Gästen (5 bis 10 Personen) für viele Tage unabhängig von irgendwelchen Versorgungsmöglichkeiten unterwegs sein können. Dadurch kommen wir auch in Gebiete, die nur schwer zugänglich und noch sehr ursprünglich sind, so richtig in die Wildnis. Dabei kommt es uns auf gute Gelegenheiten für Wildbeobachtungen an. Außerdem führen viele unserer Safaris in Areale, die man nur mit Sondergenehmigungen bereisen darf oder in die man gar nicht reinkommen würde, da sie in besonderen Konzessionsgebieten liegen. Spezialgebiete sind hier das Buschmannland, das Siedlungsgebiet der Kalaharibuschleute, und das Kaokoland, der Lebensraum der Ovahimbas. Wer gerne Wüstenelefanten sehen möchte, kann dies im Dammaraland tun.
Das andere Konzept wendet sich an die Komfortbewussten. Sie übernachten in festen Unterkünften wie Lodges, Pensionen, Hotels. Auch in sehr abgelegenen Gebieten Namibias sind teilweise sehr gute Unterbringungsmöglichkeiten zu finden. Unsere "Lodge-Safaris" starten wir bereits ab vier Personen. Dies ist ein Vorteil, wenn zum Beispiel zwei bekannte Ehepaare oder eine Familie gerne unter sich bleiben wollen.

Wo kann man mehr über deine Tourenangebote erfahren?

Entweder direkt bei uns in Namibia,
per Fax unter 00264-62-581663,
E-Mail: outdoor-adventure@gmx.net,
Homepage: www.outdoor-adventure-namibia.de,
Facebook: www.facebook.com/OASafaris

oder über unsere Partner, das ist in Deutschland

BLUE PLANET Erlebnisreisen München,
Telefon: (0 89) 1 39 29 44,
Fax: (0 89) 1 39 29 45,
und in Österreich

JEDECK Reisen Wien,
Telefon: (00 43) 1-3 69 66 02,
Fax: (00 43) 1-3 69 66 05.

Bist du ab und zu in Deutschland anzutreffen?

Von Anfang Januar bis Ende Februar bin ich jährlich mit meiner Familie in Deutschland. In dieser Zeit werden keine Safaris durchgeführt, da es sehr heiß ist. In Deutschland treibe ich Wintersport und stelle unsere Safaris auf Tourismusmessen in Stuttgart, Hamburg, München und Wien vor.

Wir danken für das Gespräch.

Link: AZ Namibia: Hikers Heaven - eine Wanderung in Namibia

Schlagwörter: Interview, Wirtschaft, Namibia

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