4. Mai 2013

Einladung zum siebenbürgischen Stammtisch in München

Einladung zum siebenbürgischen Stammtisch „Lederhose und sächsisches Hemd“ – diese E-Mail erreichte mich kürzlich. Jeden 2. Montag im Monat findet diese Veranstaltung in München statt auf Einladung des Kreisvorsitzenden Wilhelm Jakob Hermann. Siebenbürgischer Stammtisch in München? Lederhose? Was hat denn das bitte mit Siebenbürgen zu tun? Eine Reihe von Fragen, die zu beantworten ich mich im Folgenden als Nicht-Siebenbürger Sachse bemühen möchte.
So befremdlich der Titel des Stammtisches auf den ersten Blick aussehen mag, so ergibt er doch Sinn. Zunächst erkennt er an, dass sich hier eine zutiefst deutsche Volksgruppe, die Siebenbürger Sachsen, in einer Diaspora-Situation befindet, zwei Welten zusammenfinden. Nachdem die Siebenbürger Sachsen wegen des Ceaușescu-Regimes in großer Mehrheit ihrer Heimat den Rücken kehrten, wo sie etwa 800 Jahre lebten und ihre Sprache, Kultur, Religion, Bräuche und Traditionen aufrecht erhielten, entschlossen sie sich, sich auch in Bayern niederzulassen. Sicher fiel die Wahl auf Bayern nicht rein zufällig, zeichnet sich doch Bayern auch durch starke Verbundenheit zu seinen Wurzeln und Traditionen aus. Eben diese Gemeinsamkeit, die Betonung der Wurzeln für das eigene Sein, die Erkenntnis, dass Tradition, Brauchtum, Kultur wichtige Teile dieser Wurzeln sind, versucht der provokante Titel als Bindeglied aufzunehmen.

Dass diese wertkonservative Haltung parallele Interessen, Anstrengungen, Bemühungen erfordert, ist sicher als Chance für Besucher des Stammtisches anzusehen (Diaspora ja, fremd nein) und wirft auch für Nicht-Siebenbürger ein Licht der Erkenntnis auf die Schwierigkeiten, die regional verwurzelte Menschen mit unserer globalisierten, oberflächlichen Welt haben. Siebenbürger Sachsen wie andere. Der Blick über den Tellerrand, den sich die Stammtischbrüder und -schwestern aller Zugehörigkeiten wünschen und gegenseitig bieten, ist der Kitt, der diese Veranstaltung nun schon seit mehr als einem Jahr zusammenhält. Folgerichtig kreisen die Themen des Stammtisches nicht nur um Siebenbürgen, sondern vielfach um die größeren Zusammenhänge, Fragen der Kulturpolitik über die Arbeit von Interessenverbänden, deutsche Innen- und Außenpolitik, Integration bis hin zu europäischer Politik. Lebhaft werden hier unterschiedliche Sicht- weisen der Beteiligten diskutiert, die sich aus den unterschiedlichen Stammländern und Zugehörigkeiten ergeben. So gesehen bewegt sich der Stammtisch weniger um Themen, die man auf Siebenbürgen beschränken könnte, sondern vielmehr ist es ein Anliegen der Beteiligten, sich dem europäischen Nachbarn Rumänien in seiner ethnischen Vielfalt zu nähern, zu verstehen, wie verschieden die Uhren in Westeuropa und den neuen EU-Mitgliedern in Südosteuropa ticken, wie unterschiedlich sich etwa Entscheidungen der Brüsseler Technokraten jeweils auswirken, welche Forderungen dort an Deutschland gestellt werden, welche von Deutschland dort gestellt werden.

Darüber hinaus ist eine Korrektur des häufig falschen Eindrucks, den sich der hiesige Zeitungsleser von Rumänien, speziell Siebenbürgen, macht, ein Wunsch, der die Mitglieder des Stammtisches treibt. Siebenbürgen ist eine Schönheit, ein Hort deutschen Kulturschaffens über Jahrhunderte, eine Oase langsamerer Zeit, eine Rettungskapsel für vieles hier längst Vergangenes. Touristisch fast unerschlossen ist Siebenbürgen eine Reise wert. Dies einem breiteren Publikum zu vermitteln, Kontakte dorthin zu schaffen, Reisetipps und Informationen zu geben, die Möglichkeiten, die sich dort finden, aufzuzeigen, ist ein Angebot an Interessierte, das leider nur selten angenommen wird. Wer sein Bild Rumäniens schärfen möchte, Urlaubstipps für den nächsten Urlaub möchte, wem es hier zu eng ist, wer sich einen Platz im Leben erkämpfen möchte in einer Landschaft, in der noch nicht alles verteilt ist, wer eine Weltgegend kennenlernen möchte, in der nicht alles perfekt organisiert ist, ohne Europa und die EU zu verlassen, wer Abenteuer sucht, wo so viel Westeuropa ist, dass man zurechtkommt, aber so viel Orient, dass es exotisch ist, der ist am Stammtisch willkommen, und seine Neugier wird uns Ansporn sein. Wir treffen uns in der Regel an jedem zweiten Montag des Monats im Restaurant „Ludwigs“ am Viktualienmarkt um 19.00 Uhr. Kontaktperson ist Wilhelm Jakob Hermann, Telefon: (0 89) 23 54 82 95.

Alexander Eickhoff

Schlagwörter: München, Stammtisch, deutsch-rumänische Beziehungen

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