21. November 2011

Licht- und kunstvolle Botschaften des Sächsisch Regeners Günther Teutsch

Wie es dazu gekommen sei, dass er in Schweden Kirchenfenster gestalte? Das sei eine lange Geschichte, meint der aus Sächsisch Regen stammende Künstler Günther Teutsch. Genau genommen habe sie 1944 auf der Flucht aus Siebenbürgen begonnen.
Regener und Bistritzer Gymnasiasten des Flüchtlingstrosses wurden nach Reichenberg, im damaligen Sudetenland, zur Schule geschickt. Als jedoch die Front so nahe rückte, dass man die russischen Kanonen hörte, flohen die siebenbürgischen Schüler in Richtung Österreich und Deutschland. Einwohner jener Gegend, Bauern, Kaufleute und Handwerker, mussten auch fliehen. Nachkommen dieser Glashandwerksmeister aus dem Sudetenland und Böhmen haben die künst­lerische Idee des damaligen Gymnasiasten Jahrzehnte später in Glas umgesetzt.

Um an der Kunst­akademie München zu studieren, ging Günther Teutsch schwarz über die Grenze nach Deutschland, aus Österreich, wo sich seine Familie aufhielt. Selbst in der frühen Nachkriegszeit war es nicht einfach, ohne Papiere ­einer Institution klarzumachen, dass man existiere und Kunst studieren wolle. Es fügte sich, Gott sei Dank. Durch ein Stipendium kam er an die Kunstakademie nach Stockholm.
Günther Teutsch in der Dorfkirche in Holm. ...
Günther Teutsch in der Dorfkirche in Holm.
Günther Teutsch verleiht seinen Ideen in vielerlei Form Ausdruck: in Malerei, Graphik, Zeichnungen, Keramik, Mosaik, Glasgestaltung. Was ihn am meisten fasziniert, sind Menschen in ­ihrem Alltag. Es gibt nichts Gestelltes oder Zurechtgerücktes in seinem Werk. Er stellt in seinen Bildern einen gewöhnlichen Alltagsaugenblick dar. Gleichsam ist darin gebündelt, was war und was kommen wird. Nichts wirkt isoliert oder nur für sich.

Schon während der Studentenzeit hat er mit eigenen Bildern in Ausstellungen mitgewirkt und im Haus der Kunst, in der Kulturkirche in Stralsund ausgestellt. Es folgten Ausstellungen in Frankreich, England, Finnland, Schweden.

Seit 1964 lebt er mit seiner schwedischen Frau Anna-Lena in Holm/Schweden. Bei beiden Kindern, der Tochter Kerstin und dem Sohn Jan, sind künstlerische Züge nicht zu verkennen. Über viele Jahre war Günther Teutsch als Kunsterzieher in der Schule tätig. Längere Reisen nach Frankreich, Spanien und sogar Indien ließen ihn Eindrücke und Erfahrungen im Ausland sammeln. Nachhaltig beeindruckt hatten ihn die Fenster der Katharinenkirche in Frankfurt, geschaffen von Carl Crodel, seinem ehemaligen Professor an der Kunstakademie München. Günther Teutsch hatte selbst in den 60er Jahren schon Kirchenfenster in einer protestantischen Kirche in Haid/Österreich gestaltet.

Als er in seinem jetzigen Heimatort Holm in Schweden gefragt wurde, ob er sich künstlerisch bei der Ausgestaltung der Kirche einbringen wolle, nahm er das Angebot an. Ursprünglich waren Wandmalereien angedacht. Die schlichte, helle Wandbemalung der kleinen Dorfkirche aus dem 13. Jahrhundert erschien dem Künstler jedoch ­angemessen. Mehr Farbe würde den Raum kleiner, gedrungener und sicher dunkler erscheinen lassen. Da boten die Fenster neue Möglichkeiten.

Kunsthistorisch liest man Kirchenfenster von unten nach oben. Der untere Teil stellt die Gegenwart dar, unseren Alltag. Der mittlere Teil vermittelt die frohe Botschaft der Bibel in Gleichnissen und Geschichten. Der obere Teil beinhaltet Symbole und Bilder des lebendigen und schaffenden Gottes, des Schöpfers.

Die Herausforderung in der Kirche in Holm war, ein Gesamtbild zu schaffen, in einer schon durch Längs- und Quersprossen zerteilten Fensterscheibe. Das habe ihm einiges Kopfzerbrechen bereitet, erinnert sich Teutsch. Und dann diese Lösung: Kreise als in sich geschlossene Einheiten, die sich verbindend über mehrere Fensterteile ausbreiten. Er hat eine Form gefunden, die sich strukturierend durch alle Fenster zieht. Selbst einem neuen Fenster begegnet man dadurch wie einem Bekannten. Wie viele Möglichkeiten und künstlerische Freiheit diese Darstellungsform eröffnet!
Eines der zehn Kirchenfenster ist der ...
Eines der zehn Kirchenfenster ist der Schöpfungsgeschichte gewidmet.
Das „Hochzeitsfenster“ stellt eine Trauung durch den Pfarrer dar, geladene Gäste. Alles in fröhlichen bunten Farben, mitten im irdischen Leben: viel Braun, Gelb, Grün. Die Hochzeit zu Kana mit tanzenden Gästen, ein fröhliches Fest. Jesus, der Wasser zu Wein werden lässt: Gott „mischt mit“ in unserem Leben. Biblische Musikinstrumente, Posaunen, Trommeln, als Ausdruck der Freude und des Glücks, und eine Hochzeit ist ein solcher Anlass, im obersten Kreis des Fensters. Gleichzeitig ist es Ausdruck für Lob und Preis zur Ehre Gottes. Gelb, Gold, Licht dominieren.

Das „Tauffenster“ enthält kühle Farben, mehr Blau: Taufwasser, Wasser als Lebensspender. Die Taube als Symbol des Heiligen Geistes auf blauem Grund, Gottes Schöpferhand ebenfalls auf Blau. Zuunterst die kirchliche Taufzeremonie. Die biblischen Geschichten: Jesu Taufe im Jordan, die Frau am Jakobsbrunnen, wo es heißt, Gottes Wasser ist „eine Quelle“, die in das „ewige Leben quillt“. Die Symbole im obersten Kreis vermitteln die Taufbotschaft. Gottes Schöpferhand: Gott hat uns geschaffen, ER ist Alpha und Omega, der Anfang und das Ende, ER begleitet uns durchs Leben.

Noch bevor wir die Bilder im Detail aufgenommen haben, wirken sie auf uns. Die Gliederung, die ausgewählten Farben sind Teil der Aussage. Verstärkt wird dieser Eindruck durch das spezielle Glas. Luftblasen, eingeschlossen im Glas, eine Technik eben der Glasmachermeister aus Böhmen, jener Flüchtlinge während des Zweiten Weltkriegs, wie der Künstler selbst, verleihen dem Material Lebendigkeit. Die Sonne, die vorüberziehenden Wolken, das grüne Laub im Sommer, die kahlen Äste im Herbst bewirken sich ständig ändernde Effekte auf der Glasstruktur. Es entsteht eine mitteilsame Dynamik. Das Umfeld der Kirche wird Teil der Botschaft der Kirchenfenster.

Insgesamt zehn Fenster hat Günther Teutsch in der Dorfkirche in Holm gestaltet: das Sakrament der Taufe, Konfirmation, Hochzeit, Tod, die Schöpfung, ein Marienfenster, drei Szenen des Alltags im Kirchenraum sowie zwei Fenster mit lokalen Besonderheiten im Vorbau, dem so genannten Waffenhaus: Hirschzunge, eine nur noch hier erhaltene Pflanze, und eine schon zu Urzeiten existierende Quelle. Die ersten Kirchenfenster wurden 2000, die letzten 2009 eingeweiht. Beim 10-jährigen Jubiläum der ersten Fenster 2010 war die aus Marienburg bei Kronstadt gebürtige, in Halmstad/Schweden lebende Verfasserin dieses Beitrags dabei. Die Kirchenfenster lieferten den Predigtstoff.

Wie für jedes räumliche Kunstwerk gilt auch in diesem Fall: ansehen, an Ort und Stelle. Einzelpersonen, organisierte Gruppen kommen, um die Kirchenfenster von Holm zu besichtigen. Die meisten Siebenbürger in Schweden haben die Kirchenfenster schon auf sich wirken lassen. Für Schwedentouristen aus Deutschland und insbesondere Siebenbürger existiert mit den von unserem Landsmann Günther Teutsch, gestalteten Fenstern der Holmer Dorfkirche eine neue Sehenswürdigkeit.

Dr. med. Christel Gross

Schlagwörter: Künstler, Porträt, Kirchen, Schweden

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