28. Februar 2014

Polarisiert und provoziert: Birgit Kelles Streitschrift „Dann mach doch die Bluse zu“

Birgit Kelle war viel unterwegs im vergangenen Jahr. Als Gast in den Talkshows der Republik äußerte sich die gebürtige Heltauerin zu Themen wie Sexismus, Frauenquote, Betreuungsgeld – und auch als Kolumnistin des Online-Debattenportals „The European“ erreichte sie ein breites Publikum. Über 140.000 Reaktionen in sozialen Netzwerken generierte allein ihr Beitrag „Dann mach doch die Bluse zu“, in dem sie sich ihre Wut über die Reaktionen auf Rainer Brüderles verbalen Ausrutscher einer „stern“-Redakteurin gegenüber von der Seele schrieb (SbZ Online vom 20. Februar 2013). Sexismus-Vorwürfe überzogen den FDP-Politiker im Januar 2013, weil er der Journalistin Laura Himmelreich das zweifelhafte Kompliment gemacht hatte, sie könne „ein Dirndl gut ausfüllen“. Ihre Reportage im „stern“ Nr. 5 vom 24. Januar 2013, in der sie die Begebenheit thematisierte, brachte die Feministinnen mit Alice Schwarzer an der Spitze auf die Barrikaden – und auch Birgit Kelle, der dieser „Aufschrei“ viel zu weit ging, so weit, dass sie dem ein Buch entgegengesetzt hat.
Benannt nach der erfolgreichen Kolumne „Dann mach doch die Bluse zu“, die am 29. Januar 2013 veröffentlicht wurde, ist das Buch mit dem Untertitel „Ein Aufschrei gegen den Gleichheitswahn“ eine Abrechnung mit dem aggressiven Feminismus und ein Pamphlet für den ver­nünftigen Umgang der Geschlechter miteinander. Eine Begründung dafür liefert Birgit Kelle im Vorwort: „Ich bin es leid, mich zu entschuldigen. Denn sich zumindest ein bisschen schlecht zu fühlen, ist Mindestmaß für eine Hausfrau und Mutter in Deutschland. Sich schlecht zu fühlen, weil man kein Problem mit Männern im Allgemeinen und dem Ehemann im Speziellen hat, der die Familie ernährt. Sich schlecht zu fühlen, weil man ,nurʻ Hausfrau und Mutter ist, statt sich in die höheren Weihen einer Karriere zu begeben, und das, obwohl man doch bestens dafür ausgebildet wäre. Sich schlecht zu fühlen, weil man darauf beharrt, die Kinder selbst großzuziehen, anstatt sie in einer staatlichen Betreuungsstelle abzugeben. Sich schlecht zu fühlen, weil man durch sein Handeln das große Frauenkollektiv mit einer altmodischen Daseinsform als Ehefrau und Mutter behindert.“ Dieser Auszug macht deutlich, in welchem Stil das Buch abgefasst ist: Ironisch bis zur Bissigkeit behandelt die Autorin in neun Kapiteln die Themen, die ihr auf den Nägeln brennen, und bedient sich dabei gern, wenn auch ein wenig zu oft, des Stilmittels der Wiederholung. Das ist durchaus amüsant zu lesen, vor allem dann, wenn sie Statistiken oder Umfra­gen von seriösen Institutionen ad absurdum führt oder „Was wäre, wenn …-Szenarien“ durchexerziert, z.B. mit der provokanten Überlegung, George Clooney und nicht Rainer Brüderle hätte spätabends an der Hotelbar leicht angetrunken einer Journalistin gegenüber ein gewisses Dirndl erwähnt – obwohl uns die Werbung natürlich glauben macht, der Schauspieler trinke ausschließlich Kaffee.

Birgit Kelle. Foto: Kerstin Pukall ...
Birgit Kelle. Foto: Kerstin Pukall
Kelle arbeitet sich von der Sexismus-Debatte vor zur „Diktatur des Feminismus“ durch dessen bekannteste Vertreterinnen und erklärt das in ihren Augen überstrapazierte und meist falsch verstandene Phänomen Gender Mainstreaming (Gleichstellung der Geschlechter unter Berücksichtigung der Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern). Sie schreibt über das Schreckgespenst Frauenquote (die von der Großen Koalition inzwischen beschlossen wurde) als vielleicht „perfidester Form der Unterdrückung durch das Patriarchat“, den Streitpunkt Betreuungsgeld, dessen Aufstockung sie fordert, den Schutz der Familie (Vater, Mutter, Kind/er) als „kleinster Zelle jeder Gesellschaft“ und die Rollen von Mann und Frau: Sind sie festgelegt oder aufgebrochen? Gibt es den „neuen Mann“ im rosa Hemd, Stichwort „metrosexuell“, überhaupt? Ist es nicht Zeit für eine von den Frauen aktiv unterstützte „Männerbewegung“, denn wenn jene wollen, „dass Männer sich um unsere Probleme kümmern, dass sie Verständnis haben, uns unterstützen, fördern, einsichtig sind, wäre es dann nicht das Mindeste, dass wir uns im Gegenzug auch um ihre Problemfelder kümmern?“ Ina Deter sang 1982 „Neue Männer braucht das Land“. Wenn man Birgit Kelle liest, verwandelt sich dieser Schlachtruf 2014 in „Echte Männer braucht das Land“: echte Kerle und keine verweichlichten Bubis, die Elternzeit nehmen, ihr Kind im Bauchtuch vor sich hertragen und mindestens einmal täglich eine vollwertige, ausgewogene und schmackhafte Mahlzeit zubereiten. „Eine Politik, die Frauen und Männer zwingen will, im Namen der Gleichstellung alle Lebenslagen möglichst paritätisch aufzuteilen, fördert nicht die Rechte der Frau, sondern betreibt Gleichmacherei, und das auch noch zu Lasten der Frauen, die das nicht wollen.“

Trotz der Themenvielfalt verliert Kelle nie die sich wie ein roter Faden durch das Buch ziehende Mutterschaft als höchstes Gut und Wendepunkt ihres Lebens aus den Augen. Die vierfache Mutter wirkt sympathisch und sehr nahbar, wenn sie von ihrer Herkunft aus Siebenbürgen erzählt, die ihre Ansichten über Familie und Kindererziehung geprägt hat, von der ungeplanten ersten Schwangerschaft, vom Alltag mit vier Kindern, der anstrengend, chaotisch und laut ist, aber unvergleichlich, wertvoll und durch nichts zu ersetzen. Man nimmt ihr das als Leser sofort ab, aber die Redundanz, mit der sie das Glück des Mutter- und Hausfrauendaseins – dieses „Verrats an der Frauensache“, wie sie sarkastisch bemerkt – beschwört, überschreitet dann doch das erträg­liche Maß.

Vieles, was in Birgit Kelles erstem Buch steht, hat sie so oder ähnlich schon in ihren Kolumnen geschrieben und in Diskussionsrunden gesagt, u.a., dass Kinder ein Recht auf Vater und Mutter haben, was die Homosexuellenverbände gegen sie aufbrachte, oder dass die Debatte über den Sexismus überzogen war (und ist), weil es bei Brüderles „Dirndlgate“ gar nicht um Frauen­feindlichkeit ging (und geht), sondern eigentlich nur um Anstand, gutes Benehmen und respektvollen Umgang miteinander. Dennoch ist „Dann mach doch die Bluse zu“ ein wichtiges Buch, ein Statement, mit dem die vor kurzem 39 Jahre alt gewordene Publizistin polarisiert und provoziert. Die Streitschrift ist Zusammenfassung und Fortführung ihrer gesellschaftspolitischen Arbeit als Vorsitzende des Vereins „Frau 2000plus“ und vor allem als engagierte Frau, deren Ansichten man nicht teilen, mit der man aber rechnen muss.

Doris Roth


Birgit Kelle: „Dann mach doch die Bluse zu“. Ein Aufschrei gegen den Gleichheitswahn. adeo Verlag, Asslar, 2013, 224 Seiten, 17,99 Euro, ISBN 978-3-942208-09-3

Weiterlesen:
SbZ Online vom 29. April 2013, 2. Mai 2013 und 12. Dezember 2013.

Schlagwörter: Frauen, Buch, Rezension, Feminismus, Kelle

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