13. Dezember 2015

8. Internetseminar in Bad Kissingen: Kulturprojekte im digitalen Zeitalter

Am zweiten Adventswochenende (4.-6. Dezember) trafen sich 30 interessierte Landsleute zum 8. Internetseminar in der Bildungs- und Begegnungsstätte „Der Heiligenhof“ in Bad Kissingen. In einer Zeit, da Krieg wieder als Ultima Ratio nicht nur gedacht, sondern auch geführt wird, war das Workshop-Thema Kultur sehr gut gewählt. Dass wieder Krieg herrscht, hängt mit dem Versagen der Vermittlung von Werten zusammen, die den Inhalt der Kultur einer Gesellschaft ausmachen. Gerade für junge Menschen ist die Vermittlung von Kultur eminent wichtig, um eine Identität zu entwickeln, ein Zuhause, eine Perspektive und Halt zu finden. Denn wenn sie sich selbst überlassen werden, besteht die Gefahr der Verwahrlosung. In ihrer Verzweiflung sind sie dann verführbar für „radikale Lösungen“, wie das an den zu Terroristen gewordenen Einwanderer-Kindern in Frankreich zu sehen ist.
Die Tagung begann am Freitagabend nach dem Abendessen mit der Begrüßung durch Studienleiter Gusti Binder, einer Vorstellungsrunde der Teilnehmer und dem Einführungsreferat unseres Internet-Fachreferenten Robert Sonnleitner. Er stellte zunächst kurz das Seminarprogramm und die Referenten vor, bot einen Überblick über die vorangegangenen sieben Internetseminare seit 2008. In seinen Ausführungen zum diesjährigen Thema ging er dann detailliert auf den Begriff der Kultur ein und skizzierte die Möglichkeiten des Gestaltens von Kulturprojekten und ihrer Vermittlung im digitalen Zeitalter.
Einführungsreferat des Internet-Fachreferenten ...
Einführungsreferat des Internet-Fachreferenten Robert Sonnleitner. Foto: Günther Melzer
Anhand des bekannten Spruches, dass ein Fisch erst dann merkt, dass Wasser zu seinen Lebensvoraussetzungen gehört, wenn er sich auf dem Trockenen befindet, beleuchtete der Referent die Bedeutung von Kultur für den Menschen. Dabei sei – analog zur Eisberg-Metapher – nicht nur der sichtbare, bewusste, sondern genauso der größere unsichtbare Kulturbereich wichtig. Zum ersten gehören Sprache, Sitten, Bräuche, Kleidung, Musik, Theater, Literatur, Essen usw. Zum unsichtbaren Kulturbereich zählen Normen, Werte und die Grundhaltungen zu Freiheit, Gerechtigkeit, Emanzipation, u. a.

Die Teilnahme und Vermittlung von Kultur wird in Zukunft digital sein. Der größte Teil unserer Tätigkeit verlagert sich schon heute sowohl im Beruf wie in der Freizeit zunehmend ins Internet, sei es die Kommunikation via Telefon, E-Mail, SMS, WhatsApp, Chat, das Lernen, Arbeiten, Einkaufen, Tätigen von Bankgeschäften, die Unterhaltung (Musikhören, TV, Videos), die Teilnahme am öffentlichen Leben, Suche und Austausch von Informationen.

Auch für die spezifisch siebenbürgisch-sächsische Kultur bieten die Digitalisierung und Bereitstellung der vorhandenen Kulturgüter über das Netz eine gute Möglichkeit zu vermehrter Teilnahme und Austausch. Hinzu kommen dann noch neue Programme und Spiele von und für junge Leute, den sog. „Digital Natives“. Nach dem Einführungsreferat von Robert Sonnleitner konnten sich die Teilnehmer in entspannter Runde austauschen und kennenlernen.

Samstag befassten sich die Seminarteilnehmer eingehender mit Werkzeugen und Plattformen für den digitalen Umgang mit unseren Kulturgütern. Gunther Krauss verschaffte uns einen Überblick über den Stand der Technik, die Werkzeuge zur Herstellung von E-Books, über „Selfpublishing”-Plattformen, den Prozess eines Digitalisierungsprojektes von der Idee bis zur Speicherung und Konservierung, und nicht zuletzt die Auswirkungen auf das Kulturgut Buch. Die „Digitale Revolution“ ermöglicht es auch einzelnen Menschen oder kleineren Vereinen und Unternehmen, Kulturprojekte umzusetzen. Kostengünstiges Erstellen und Verteilen von Kulturgütern sowie die Bedienung kleiner Zielgruppen mit speziellen Interessen können unabhängig vom Ort und Zeit einfach erreicht werden. Digitaltechnik ermöglicht dazu neue kreative Formen, wie Computerspiele, oder Augmented Reality als Teilbereich der Virtual Reality. Anregungen für das Starten eines Projektes bietet die Internetsite: https://www.kickstarter.com/

Im zweiten Referat thematisierte Gunther Krauss ausführlich das E-Book. In diesem neuen Medium überwiegen die Vorteile, wie einfache Herstellung, geringer Platzbedarf im Vergleich zum analogen Buch, beliebig vervielfältigbar, Bearbeitungs- und Analysemöglichkeiten, direktes Übersetzen u. a. Als Nachteil kann die fehlende haptische Wahrnehmung, die Abhängigkeit von elektronischen Geräten und deren Schwächen (Ergonomie, Benutzerfreundlichkeit) und die reine Lizenzvergabe der Verlage (kein Weiterverkauf, Vererben möglich) angesehen werden. E-Books kann jeder herstellen und auch selber publizieren („Selfpublishing“) Die Siebenbürgische Zeitung bietet in ihrer Online-Ausgabe an, maximal 21 Artikel als E-Books abzurufen und im EPub-Forman chronologisch geordnet (neueste zuerst) auf verschiedenen Lesegeräten zu lesen: unter www.siebenbuerger.de/zeitung/ebook. Für weitere Informationen und Selfpublishing-Platformen seien beispielhaft folgende Seiten genannt: Mobileread, Tolino-Media, KindleDirectPublishing; für die Verwaltung und Bearbeitung eigener E-books die Programme Calibre und Sigil.

Das Kulturgut Fotografie behandelte anschließend Jochen Philippi. Er zeigte in seinem Vortrag am Beispiel von Arkeden, wie Bilder online zu publizieren sind. Die Kursteilnehmer erfuhren, wie Fotos sich in Bilddatenbanken und Archiven organisieren, verwalten und veröffentlichen lassen, weiter etwas über Hardware und Software zum Auslesen auch älterer Medien. Wie sicher ist das Speichern in der Cloud, wie finde ich Fotos? Beispielsweise über die Suchmöglichkeiten via Meta-Daten. Der Referent stellte dann einige Bildablage-Hoster vor wie: Flickr, Instagram, Panoramio und Snapfish, sowie die Bilddatenbanken Wikimedia Commons und Getty Images. Am Beispiel der Programme Windows Fotogalerie und Picasa wurde das Verwalten von Bildarchiven gezeigt. Das Teilen der eigenen Bilder kann auch über Dropbox, OneDrive und Google Drive erfolgen.

Über das Kulturgut „Siebenbürgisch-Sächsische Mundart“ referierte Hans-Detlev Buchner. Sprache eignet sich gut für digitale Aufzeichnung, Speicherung und Verbreitung, sei es als Audio- oder Videoaufnahme. Gerade die Mundart fördert die Identität der Volksgruppe. Gegenstände von Aufzeichnungen können Theateraufführungen, Lesungen, Diskussionen, Anekdoten und Nachrichten sein. Bereits vorhanden ist das „Schallarchiv der in Rumänien gesprochenen deutschen Mundarten des Linguistikinstituts Bukarest“ (1966-1975), unter der URL: http://www.siebenbuerger.de/medien/sprachaufnahmen/ zu finden. Mundartpflege war auch das Programm des ersten Internetradios RTI, das Sendungen in siebenbürgischer Mundart brachte und großen Anklang fand. Inzwischen gibt es zwei Internetradiosender, die sich in der Musikausrichtung differenziert haben, in beiden wird aber auch in sächsischer Mundart moderiert. Die Sender haben mit dazu beigetragen, dass das Sächsische in Liedtexten Einzug fand, was einen regelrechten Trend auslöste mit Gruppen wie „Memories Duo“, „Flessgoss Duo“, Manfred Ungar, „Uwe & Uwe“, „Bürger 7“, Harry Schiller u. a. Auf Radio Siebenbürgen finden neben Livesendungen in Mundart auch vorproduzierte Sendungen Platz, wo sich die einzelnen Ortschaften bzw. die HOG in ihrer Mundart vorstellen können. Über Zeiden gab es eine solche vorproduzierte Sendung und sie ist auch im Archiv des Senders nachzuhören.

Ein Beispiel, wie ein Kulturprojekt zu finanzieren ist, demonstrierte Uwe Pelger in seinem Beitrag „Crowdfunding im soziokulturellen Kontext; Alternative und Ergänzung einer Finanzierung“ am Samstagabend. Von der anfänglichen Idee, seine Erfahrungen als Einwanderer nach Deutschland in einem Film zu dokumentieren, bis zu dem Gedanken, es über Crowdfunding zu finanzieren, war es eine spannende Geschichte, die dann anschließend auch praktisch durch die Vorführung des Films „Freiheit in Kinderschuhen“ gezeigt wurde.

Das Internet bietet die Grundlage für erfolgreiches Crowdfunding. Als Plattform gibt es z. B. die Internetseiten http://www.visionbakery.com/ oder https://www.betterplace.org/de. Für die weitere Vermarktung des Films ist der Verein FinK e.V (Freiheit in Kinderschuhen) gegründet worden. Eine Filmvorschau ist hier zu sehen: https://youtu.be/BxpXhYGFPN0.

Am Sonntag standen noch zwei Referate an. Günther Melzer referierte kenntnisreich über „Kulturprojekte in sozialen Medien präsentieren und bekannt machen“. Die Teilnehmerzahl in den Sozialen Medien erreicht heute schwindelerregende Höhen. Facebook allein hat – als bekanntestes Soziales Netzwerk – 1,55 Milliarden Nutzer, von denen täglich 1 Milliarde Nutzer auf Facebook online sind. Noch 1996 wurde das Internet hauptsächlich von Studenten und an Universitäten genutzt, über Webkataloge fand man passende Webseiten, bevor dann Suchmaschinen eine Recherche über fast alle Webseiten ermöglichten. Die gute Trefferquote bei Suchanfragen katapultierte die Suchmaschine Google ab 1998 an die Spitze der Suchmaschinen. Lange Zeit fungierten die Suchmaschinen bei den Nutzern als Startseite bzw. Eingangstor ins Internet, werden aber immer mehr von Diensten wie Facebook überholt.

Innerhalb der Sozialen Netzwerke findet ebenfalls ein rasanter Wandel statt. Viele junge Leute wandern von Facebook zu Instagram ab. Über die Internetadresse www.instagram.com/siebenbuerger/ findet man die Instagram-Beiträge des Verbandes – besonders beliebt ist dort die Sprüchesammlung „Ein richtiger Sox“. Andere beliebte Dienste sind WhatsApp und neuerdings Snapchat. Soziale Medien bieten vielfältige Möglichkeiten, Kulturprojekte zu präsentieren und die gewünschte Zielgruppe direkt anzusprechen.

Der letzte Beitrag kam von Dr. Marco Bogade, er stellte das Online-Lexikon „Deutsche Kultur im östlichen Europa“ vor. Das Online-Projekt wird in Zusammenarbeit des Instituts für Germanistik der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg mit dem Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa (BKGE) und mit Förderung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) aufgebaut. Das Lexikon befasst sich mit den Regionen Schlesien, Pommern, West- und Ostpreußen, Siebenbürgen und dem Banat, aber auch mit den böhmischen Ländern, den deutschen Siedlungsgebieten im Baltikum und in Russland (kurze Darstellung: http://www.bkge.de/Downloads/Projekte/Beitrag_Online-Lexikon.mp3).

Abschließend erwähnt sei eine Exkursion, die der Studienleiter Gusti Binder mit den Teilnehmern des Internetseminars nach Bad Kissingen unternahm. Es war einer der Höhepunkte dieses schönen Wochenendes. Unter seiner kundigen Führung erfuhren die Teilnehmer viel über die Geschichte der Stadt Kissingen, auch über einige Verbindungen zu Siebenbürgen, z. B. die Rákóczi-Quelle, benannt nach Franz II. Rákóczi, Fürst aus Siebenbürgen. Vielen Dank an Gusti Binder, aber auch an die Förderer der Veranstaltung, das Haus des Deutschen Ostens in München und das Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration.

Horst Staedel


Zum Fotoalbum: 8. Internetseminar in Bad Kissingen

Schlagwörter: Internetseminar, Bad Kissingen, Digitalisierung, Kultur, Internet, Siebenbuerger.de, AK Internet

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Neueste Kommentare

  • 02.01.2016, 14:57 Uhr von rolandsky: Viel Inhalt, übersichtlich und lesefreundlich gegliedert, mit den entscheidenden Links versehen. ... [weiter]

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