25. Oktober 2017

Museologische Ausrichtung im Fokus: Tagung im Brukenthalmuseum

2017 feiert das Brukenthalmuseum in Hermannstadt sein 200-jähriges Bestehen. Es ist das älteste und eines der bedeutendsten Museen Südosteuropas. Aus diesem Anlass veranstalteten das Brukenthalmuseum und das Siebenbürgische Museum Gundelsheim vom 5. bis 8. Oktober gemeinsam ein internationales Symposium, das vom Beispiel Hermannstadts ausgehend die Ausrichtung der europäischen Museen im Spannungsfeld zwischen nationalen und universellen Ideen betrachtete.
Das Symposium begann am Abend des 5. Oktober mit einem feierlichen Empfang im Brukenthal-Palais. Am darauffolgenden Morgen eröffnete Generaldirektor Prof. univ. Dr. Sabin Adrian Luca die Tagung im Blauen Haus/Casa Albastră. Im Anschluss überbrachte der deutsche Konsul Hans Erich Tischler ein Grußwort.

Den Eröffnungsvortrag, der wie alle Redebeiträge simultan ins Rumänische bzw. Deutsche übersetzt wurde, hielt die Vorsitzende des Trägervereins des Siebenbürgischen Museums Gundelsheim und Leiterin der Städtischen Museen Kornwestheim, Dr. Irmgard Sedler. Ihr Referat über „Das Brukenthalmuseum zwischen Universal und National“ umriss das Leitthema des Symposiums und gab einen Überblick über die Entstehungsgeschichte der Brukenthalischen Sammlungen im Zusammenhang mit der Biografie des Stifters und der Ideengeschichte musealer Gründungen im ausgehenden 18. Jahrhundert.
Gruppenfoto bei der Museumstagung in ...
Gruppenfoto bei der Museumstagung in Hermannstadt, v.l.: Prof. Dr. Konrad Vanja, Heidrun König, Prof. Dr. Reinhard Johler, Prof. Dr. Erika Schneider, Dr. Markus Lörz, Dr. Irmgard Sedler, Dr. Matthias Henkel, Dr. Holger Jacob-Friesen, Alexandru C. Chituță.
Nach den einführenden Beiträgen der beiden Gastgeber eröffnete Prof. univ. Dr. Sergiu Nistor, Berater des Staatspräsidenten und Professor für Architekturgeschichte und Denkmalpflege in Bukarest, die Reihe der renommierten Referentinnen und Referenten aus Rumänien, Österreich und Deutschland. Er überbrachte zunächst ein offizielles Grußwort in seiner Funktion als Präsidialberater und ging daraufhin in seinem Vortrag der Frage nach: „Mehrheit und Minderheit: Wem gehört das Kulturerbe?“. Anhand anschaulicher Beispiele zu öffentlichen Räumen in verschiedenen europäischen Ländern erörterte Nistor die Thematik sowohl im speziellen rumänischen wie im allgemein-europäischen Kontext.

Bei einer Besichtigung des Brukenthalmuseums stellte Dr. Alexandru Sonoc, Kurator der Kunstsammlungen, den Teilnehmern nicht nur die Werke, sondern auch die museografische Neukonzeption des Hauses vor. Den Nachmittag eröffnete die Vizedirektorin des Brukenthalmuseums, Dr. Dana Hrib, die über die Entwicklung und Positionierung der Marke „Brukenthalmuseum“ seit dem Kulturhauptstadtjahr Hermannstadts 2007 und deren positive Wirkung auf die Wahrnehmung des Museums sowohl in der Fachwelt als auch bei den Besuchern referierte.

Dr. Holger Jacob-Friesens, wissenschaftlicher Leiter der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, stellte Samuel von Brukenthals Gemäldesammlung in den zeitgenössischen europäischen Kontext. Dabei zeigten sich sowohl Parallelen im Sammlungsaufbau und der Ausgestaltung der Galerieräume als auch Gegensätze zu anderen bürgerlichen und fürstlichen Sammlungen seiner Zeit, etwa der kaiserlichen Galerie im Belvedere in Wien oder dem „Mahlerey Cabinett“ der Markgräfin Karoline Luise von Baden, das den Grundstock der heutigen Karlsruher Kunsthalle bildet. Dr. Virgil Nițulescu vom Ministerium für Kultur und nationale Identität Rumäniens stellte „Das offizielle nationale Museumskonzept im heutigen Rumänien“ vor. Dabei erörterte er insbesondere die Kategorisierung der rumänischen Museen in nationale sowie Kreis- und Stadtmuseen. Über „Samuel von Brukenthal als Förderer der Naturwissenschaften in Siebenbürgen“ referierte Prof. Dr. Erika Schneiders vom Institut für Geografie und Geoökologie der Universität Karlsruhe (KIT) . Dabei wurde deutlich, wie der Stifter im aufklärerischen Sinne einer universellen Bildung in vielen Bereichen der Naturwissenschaften Pionierleistungen in Siebenbürgen förderte. So etwa die botanische Forschung durch Erkundungen der Pflanzenwelt und die Anlage eines botanischen Lehrgartens in seiner Sommerresidenz in Freck / Avrig oder die mineralogische Forschung, die eine bedeutende Sammlung an Mineralstufen hervorbrachte.

Den zweiten Tag des Symposiums eröffnete der leitende Kurator des Siebenbürgischen Museums, Dr. Markus Lörz, mit dem Vortrag „Das Museum als öffentliche Bildungseinrichtung. Die Stiftung Samuel von Brukenthals und die Geschichte der Museumspädagogik in Europa zwischen Bildungsideal und Besucherorientierung“. Er erläuterte den zentralen Aspekt des Museums als Bildungseinrichtung. Ausgehend von der bildungspolitischen Stiftungsidee Brukenthals ging er insbesondere auf das Verhältnis zwischen musealem Sendungsbewusstsein einerseits und den Ansprüchen des Publikums andererseits ein. In seinem Resümee stellte er u.a. heraus, wie wichtig es ist, in der heutigen Zeit, in der immer mehr Museen zu Orten oberflächlicher „Eventkultur“ werden, den Bildungscharakter der Institutionen zu betonen. Lörz dankte hierbei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, die das Siebenbürgische Museum sowie viele weitere Projekte in diesem Sinne fördere.

Prof. univ. Dr. Ioan Opriș stellte in seinem Vortrag „Grundsätzliche Themeninhalte und Hauptrichtungen in der Museografie Rumäniens im 20. und 21. Jahrhundert“ die identitätsstiftende Wirkung der Nationalmuseen für die junge Nation Rumänien im 19. und 20. Jahrhundert heraus. Im Anschluss stellte Prof. Dr. Reinhard Johler, Direktor des Ludwig-Uhland-Instituts für Empirische Kulturwissenschaft und wissenschaftlicher Leiter des Instituts für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde an der Universität Tübingen, die Frage: „Ethnographische Museen, ein ostmitteleuropäischer Museumstyp?“ In seinem Vortrag zur Geschichte und Gegenwart volkskundlicher Museen im Habsburgerreich und dessen Nachfolgestaaten verwies er auf die besondere Rolle dieses Museumstyps und dessen zum Teil gesellschaftspolitische Instrumentalisierung in diesen pluriethnischen Staaten. Es folgte der Beitrag von Prof. i.R. Dr. Konrad Vanja, ehemaliger Direktor des Museums Europäischer Kulturen in Berlin, über „Nationale Sammlungen, internationale Vernetzung. Wege nach Europa. Das Beispiel des Museums Europäischer Kulturen Berlin“. Er veranschaulichte den Weg des Hauses von einer Sammlung zur deutschen Volkskunde im 19. Jahrhundert hin zu einem interkulturell ausgerichteten Museum in der Gegenwart, in dem anhand musealer Objekte kulturelle Verbindungen zwischen den europäischen Regionen sichtbar werden und ein Dialog in vielfältiger Weise möglich wird. Der Nachmittag begann mit dem Vortrag Dr. Matthias Henkels vom Zentrum für Audience Development (ZAD) am Institut für Kultur- und Medienmanagement der Freien Universität Berlin. Sein Thema lautete: „Das Museum als politischer Ort. Zwischen Dokumentation, Interpretation und (Re-)Präsentation.“ Dabei zeigte er die verschiedenen Beziehungen zwischen Politik und Museum von der Förderung über das Museum als Ort politischer Bildung bis zur direkten Beeinflussung bzw. Vereinnahmung auf. Dabei zog er das Fazit: „Das Museum ist nicht neutral. (…) Um das Museum als sinnstiftende (…) Institution im politischen Raum fortzuentwickeln, ohne es zu einem reinen Instrument der Politik verkommen zu lassen, bedarf es (…) vielschichtiger Anstrengungen. Am Ende geht es stets darum, zeitgemäße Zugänge zu schaffen, um eine reale Gestaltung der möglichen Welten sinnlich, anschaulich und argumentativ – das heißt politisch – zu begleiten.“

Abschließend berichtete Heidrun König, die Leiterin des Landeskirchlichen Museums im Teutsch-Haus in Hermannstadt, für die aus Krankheitsgründen verhinderte Monica Vlaicu über „Das Teutsch-Haus – Ort der Begegnung, des Bewahrens und Erinnerns nach der Aussiedelung der Siebenbürger Sachsen“ und stellte im Anschluss noch ihren eigenen Beitrag zu „Sakrale Kunst im Museum am Beispiel des Schönberger Astkreuzes“ vor.

Nach der Abschlussdiskussion musste die geplante Stadtführung wetterbedingt leider ausfallen, wurde jedoch spontan seitens des Brukenthalmuseums durch die Vorpremiere eines Films zur Landesgeschichte ersetzt, der unter Beteiligung von Prof. Dr. Luca in diesem Sommer gedreht worden ist.

Das Symposium endete am Sonntag mit einer Studienexkursion, die die Teilnehmer zunächst nach Freck zur Sommerresidenz Samuel von Brukenthals führte. Einerseits freute man sich über den noch weitgehend originalen Charakter des spätbarocken Ensembles, andererseits fiel jedoch der beklagenswerte bauliche Zustand der Gebäude und die unverhohlene Kommerzialisierung des Ortes negativ ins Auge. In einem noch schlechteren Zustand stellte sich das Schloss bei Brukenthals ehemaligem Gestüt in Sâmbăta de Jos heraus, dessen Dach bereits teilweise eingestürzt ist. Die hierdurch entstandene ernüchterte Stimmung wurde durch den anschließenden Besuch im orthodoxen Kloster Sâmbăta de Sus wieder wettgemacht. Hier erhielten die Teilnehmer bei einer exklusiven Führung einen Blick hinter die „Kulissen“ und durften die Restaurierungswerkstatt für Ikonen und die hochmodernen Depoträume für die Kirchenschätze in Augenschein nehmen.

Nach der Rückkunft in Hermannstadt wurden die Exkursionsteilnehmer von Prof. Dr. Luca persönlich ins Jagdmuseum „August von Spiess“ eingeladen, wo Dr. Helga Stein, die Enkelin des August von Spiess, durch das Museum führte, bevor man die Tagung bei einem rustikalen Grillfest im Museumsgarten Revue passieren ließ. Das Symposium hat wieder einmal die gute Zusammenarbeit und die engen wissenschaftlichen Beziehungen des Brukenthalmuseums und des Siebenbürgischen Museums deutlich gemacht und gibt Anlass für weitere gemeinsame Projekte in der Zukunft.

Schlagwörter: Brukenthal, Brukenthalmuseum, Museum, Tagung

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