7. Oktober 2018

Amüsante Miniatur von Frieder Schuller

Der vielseitige Sprachbastler und Wortjongleur, Stückeschreiber, Journalist und Filmemacher Frieder Schuller entdeckte und erweckte nicht nur das siebenbürgische Katzendorf bei Reps zur Residenz des vielbesprochenen „Dorfschreibers von Katzendorf“, er hinterließ auch bitterböse Gedichte an die Adresse des kommunistischen Alltags in Rumänien.
Damals unmöglich in Druck zu erscheinen, sind sie heute unter dem Titel „Mein Vaterland ging auf den roten Strich – Gedichte aus den Jahren keiner Begeisterung 1975 – 1978“ ein Nachschlagewerk unserer damaligen Befindlichkeit in der Diktatur. Verse gleicher Art sind uns aus jener Zeit in der rumäniendeutschen Literatur nicht bekannt. Auch Schullers Theaterstück „Umzug“, das schon 1970 die Auswanderung der Siebenbürger Sachsen zum Thema hatte, fiel der Zensur zum Opfer. Nicht besser erging es „Viele Grüße, Michael Kohlhaas“ (1977), das von der Bühne verbannt wurde, in Wien jedoch 2017 uraufgeführt wurde.

In Deutschland kam sein mitgebrachtes Siebenbürgen auch in Schullers weiteren Gedichtbänden wie „Pass für Transsilvanien (1979) oder zuletzt in „Die Angst der Parkbank vor dem Abendrot“ (2016) nicht zur Ruhe. Sein Verdienst als Filmemacher wird bleiben: Eindringlich und eindrucksvoll hat er mit dem „Glockenkäufer“ den ersten Spielfilm über das Schicksal unseres Sachsenvolks gedreht (1986). Das 2012 geschriebene Theaterstück „Ossis Stein oder Der werfe das erste Buch“, als Uraufführung auf der deutschen Bühne des Hermannstädter „Radu Stanca-Theaters“ von Daniel Plier inszeniert, behandelt die Leidensgeschichte des überragenden Lyrikers und Büchnerpreisträgers Oskar Pastior, der sieben Jahre lang von der Securitate bevormundet wurde.
In Schullers jüngstem Elaborat „Larissa googelt Hermannstadt“ hielt ihn keine Zensur im Zaum. So entstand eine amüsante Miniatur mit sachsennostalgischem Touch und liebevollen Seitenhieben. Einleitend meint der Autor, dass man gerne „aus dem Brunnen der Vergangenheit Eimer voller Namen und Zahlen“ herausziehen kann, was schon Emil Sigerus, wenn auch nicht mit so humorvollen Pointen praktizierte. Während der für Omas Kränzchen gedachte Apfelkuchen im Ofen gart, will dieses wohl selbstbewusste, aber bei einigen Termini und Geschehnissen mit Lokalkolorit nicht mehr ganz sattelfeste Großmütterchen unbedingt von ihrer mitten in fiebernden Prüfungsvorbereitungen steckenden, computerversierten Enkeltochter Larissa schnell noch einiges Wissenswertes über die Haupt- und Hermannstadt erfahren, um vor ihren Kranzfreundinnen auftrumpfen zu können.

Omas Interessensgebiet ist auf das historische Geschehen Hermannstadts zentriert, wobei der Sachsenbischof G. D. Teutsch und Martha Lies ihre Bestsellerliste anführen. Köstlich, wie Schullers Schalk bei den Namensverbiegungen der Oma wortspielerisch zuschlägt. Johanna Balkan (statt Balk) ersticht sich eher, als vom rüden Gabi Bartholdi (statt Gabriel Bathory) entehrt zu werden; Zeitungs- und Theatergründer im 18. Jahrhundert in Hermannstadt war nicht „Dickmeister im Hohen Turm“ wie die Oma meint, sondern Hochmeister im Dicken Turm. Larissa muss, fleißig googelnd, ständig korrigieren und komplettieren, so geht es bei Omas „Biopillen-Fanatiker“ um den für Brukenthal arbeitenden Homöopathiebegründer Samuel Hahnemann. Oma durchstreift, von Larissa sekundiert, von der Zeit der Türkenkriege und Feuersbrünste, der Pestepidemien und Belagerungen im Zickzackkurs die Geschichtsepochen und berührt wichtige Ereignisse wie die Pflasterung Hermannstadts (damit die Bürgertöchter nicht mehr im „Schaff“ über den Straßenmorast getragen werden müssen), wie die Einführung der Hausnummern in Maria-Theresianischer Zeit, und erwähnt all die Schrecklichkeiten, die im Laufe der Jahrhunderte am Hermannstädter Großen Ring stattfanden: Es wurde geköpft, gehängt und gevierteilt, wo heute unser „Sachsen-Cliff Richard“ Ricky Dandel „vor tosender Menschenmenge singend vergisst, alt zu werden“.

In der Nobelherberge „Römischer Kaiser“ nächtigten neben Bojaren, Kavalieren und Kokotten auch Kaiser Joseph II und der deutsche Kaiser Wilhelm II. Auch von berühmten Musikern, die hier konzertierten, weiß Oma zu berichten: Liszt, der den schlechten Zustand des Flügels beklagte, Brahms, dem die vorgesetzte Bohnensuppe mundete, und „einer dieser Sträuße“. Oskar von Miller ist das erste Elektrizitätswerk Rumäniens am Zoodt bei Hermannstadt zu verdanken, aus der ehemaligen Bodenkreditanstalt wurde das Bürgermeisteramt. Im ältesten Zoo Rumäniens im Jungen Wald langweilte sich der einzige Löwe zu Tode, „weil er immerfort eine Landschaft von Hans Hermann anschauen musste“. So und ähnlich verläuft, Zeiten und Epochen launisch durcheinander werfend, die Diskussion zwischen Larissa und der Großmutter (die allerdings ausgewandert ist und heimatnostalgisch mit Euros die Gräber „unten in der Heimaterde wachhält“), bis der Computer der Enkelin vor Überbeanspruchung abstürzt. Und der Apfelkuchen anbrennt.

Die mit Schwung und Rasanz daherkommende Humoreske vermittelt wortverliebt und pointenreich Wissen, vor allem für die ausgewanderte Junggeneration, über die im Dunstschleier der Vergangenheit versinkende, über Jahrhunderte allen Aggressionen widerstehende rote Trutzburg am Zibin. Die 22-seitige Broschüre ist eine Veröffentlichung der Heimatgemeinschaft der Deutschen aus Hermannstadt e.V. und erschien 2017 im Honterus Verlag Hermannstadt, zu beziehen zum Preis von 5 Euro über: Erasmus Büchercafé, Telefon: (0228) 90919557, E-Mail: info[ät]schiller-hermannstadt.de.

Kurt Thomas Ziegler

Schlagwörter: Literatur, Frieder Schuller, Hermannstadt, Besprechung, Humor

Bewerten:

21 Bewertungen: ++

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.