26. September 2019

KünstlerGilde ehrt Dagmar Dusil

Der Name Dagmar Dusil taucht in letzter Zeit gehäuft als Trägerin diverser Auszeichnungen auf. Nun erhielt die aus Hermannstadt stammende Autorin eine weitere Ehrung: den „Literaturpreis 2019“ als erster Preis in der Sparte Prosa, vergeben von der KünstlerGilde Esslingen bei ihrer diesjährigen „Begegnung“ am 21. September. Das Besondere dieser „Begegnungen“ besteht im künstlerischen Zusammenspiel der drei Sparten – Literatur, bildende Kunst und Musik –, die die Gilde unter ihrem Dach vereint, und die jeweils vergebenen Preise und Auszeichnungen. Mit Tim Lucas (Gesang) und Prof. Heinz Acker (Komposition und Klavier) gestalteten zwei weitere siebenbürgische Künstler die Veranstaltung mit.
Die Veranstaltung fand erstmalig an einem ganz exklusiven Ort statt, in der kunsthistorisch bemerkenswerten evangelischen Südkirche der Stadt Esslingen. Sie gilt als eine der gelungensten und stilistisch interessantesten Sakralbauten im Stile des Expressionismus des frühen 20. Jahrhunderts. In genialer Weise vereinigt die Kirche Gemeindesaal, Predigt- und Feierkirche unter einem Dach, ein ästhetisch idealer Austragungsort auch für Kunstveranstaltungen. Dies wusste die Gilde mit zwei Veranstaltungen zu nutzen: mit einer Nachmittagsveranstaltung im ansprechenden Gemeindesaal, bei der die Literatur im Vordergrund stand, flankiert von Musikbeiträgen, und einer Abendveranstaltung in der akustisch hervorragenden Predigtkirche, wo die Musik den Schwerpunkt bildete, eingebettet in Werke der Schwesterkünste.
Dagmar Dusil liest als Preisträgerin der ...
Dagmar Dusil liest als Preisträgerin der Esslinger KünstlerGilde 2019. Foto: Marianne Acker
Beide Veranstaltungen boten einen gelungenen Einblick in das Werk heutiger Künstler der Gilde, die im vergangenen Jahr ihr 70-jähriges Bestehen feierte. 1948 war sie aus einer Notsituation gegründet worden, nämlich um geflüchteten und ausgesiedelten Künstlern aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten materielle und ideelle Unterstützung zu geben. Heute versteht sich die Gilde eher als „Brückenbauer zu unseren europäischen Nachbarn wie auch als Pflegestätte des gemeinsamen Kulturgutes“, so Rainer Goldhahn, der neue Bundesvorsitzende der KünstlerGilde, in seiner Begrüßungsrede.

Das stellten auch die Lesungen der Literaturpreisträger in der Nachmittagsveranstaltung unter Beweis. Wie unterschiedlich in Thematik und Ausdrucksweise sich heute Lyrik darzustellen vermag, zeigten die Gedichtvorträge der drei Lyrik-Preisträger: Hannelore Nussbaum, Hella Ulrich und Norbert Sternmut.

Der erste Preis in der Sparte „Prosa“ wurde an Dagmar Dusil vergeben, die sich mit der Lesung des Textes bedankte, für den sie prämiert worden war, nämlich mit der Kurzprosa „Einbruch in die Vergangenheit“, in der ein Ich-Erzähler mit den Schatten seiner Vergangenheit „durch das Fernglas der Zeit“, das er in sich trägt, konfrontiert wird. Die äußere Heimatlosigkeit, ausgelöst durch die Überflutung des Dorfes, wird zur inneren Heimatlosigkeit. Ganz unvorhergesehen kam Dusil ein zweites Mal zum Zuge, weil etliche der vorgesehenen nachfolgenden Lesungen krankheitshalber ausfallen mussten. So sprang die Hermannstädter Autorin in die Bresche und konnte mit Gedichten aus ihrem 2015 erschienen Gedichtband „Transitschatten“ die differenzierte Palette ihres dichterischen Schaffens zusätzlich unter Beweis stellen. Für eines der nicht im Band enthaltenen Gedichte „Fremdes Sein“ hatte sie bereits einen zweiten Preis in der Sparte Lyrik beim Landschreiber Wettbewerb 2017 (Sprache und Seinskategorien) erhalten.
Tim Lucas (Bariton) singt Lieder von Heinz Acker ...
Tim Lucas (Bariton) singt Lieder von Heinz Acker begleitet am Klavier vom Komponisten. Foto: Marianne Acker
Das Nachmittagsprogramm wurde von zwei weiteren siebenbürgischen Künstlern musikalisch eingeleitet. Tim Lucas ein junger aufstrebender Sänger siebenbürgischer Abstammung sang drei Lieder aus der Feder von Prof. Heinz Acker, der ihn am Klavier begleitete. Seine kunstvolle Bearbeitung des alten Minneliedes „Et såß e kli wäld Vijelchen“ fand ebenso begeisterte Aufnahme wie zwei Lieder aus seinen amüsanten „Kalendersprüchen“. Des Weiteren waren Werke von Heinrich Simbriger und Roland Leistner-Mayer, ehemaligen Gildemitgliedern, zu hören.

Das Abendprogramm stellte dann die Bildende Kunst und die Musik in den Mittelpunkt mit Werken des bildenden Künstlers Hansjürgen Gartner (Bildinstallation „Hüter“) und Kompositionen von Ursula Görsch, Andreas Willscher, Widmar Hader, Violeta Dinescu und Ernst Pepping. Besonders beeindruckend erwies sich die Uraufführung des Melodrams „Albträume eines Organisten auf der Orgelbank“. Bernd Kebelmann, ein Berliner Schriftsteller, selber erblindet, schildert darin die Albträume eines erblindeten Organisten, stellvertretend für die vielen lange tabuisierten „Euthanasie-Geschädigten“, die die Nazis in ihrem Rassenwahn zu verantworten hatten. Drei Sprecher und der an der Orgel improvisierende Kirchenmusiker Dr. Dietmar Gräf machten das Melodram zu einem eindringlich-erschütternden Erlebnis. Schade, dass nicht eine größere Hörerschar den Weg in die etwas abseits gelegene Kirche gefunden hatte. Das Gebotene hatte nämlich Niveau.

Chr. E.

Schlagwörter: Dagmar Dusil, Heinz Acker, KünstlerGilde, Esslingen

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