11. September 2021

Russlanddeportation in der bildenden Kunst: Ausstellung am 27. August in Dinkelsbühl eröffnet

Im vergangenen Jahr fand sich das Publikum in Dinkelsbühl zur Eröffnung von „Skoro damoi!“, der kulturhistorischen Ausstellung zur Russlanddeportation, ein. In diesem Jahr ging es darum, wie die Verschleppung der Siebenbürger Sachsen in die Sowjetunion in der bildenden Kunst aufgenommen wurde. Noch bis zum 26. September ist die Ausstellung „‚Das Laub gesammelt aus fünf Herbsten.‘ Kunst und Deportation“ im Haus der Geschichte Dinkelsbühl zu sehen.
Auf der einen Seite heldenhafte Heimkehrer, auf ...
Auf der einen Seite heldenhafte Heimkehrer, auf der anderen Seite geschundene ­Lagerinsassen. Fotos: Dagmar Seck
Die Vernissage am 27. August ist genauso wie die Ausstellung selbst von Widersprüchen geprägt: Es ist Sommer, aber auf der Freilichtbühne weht ein kühler Wind. Es geht um die Russlanddeportation, aber die Musiker vermitteln mit ihren leichten, jazzigen Stücken Aufbruchsstimmung. Besonders irritierend jedoch: Die Ausstellung zeigt klar die Diskrepanz zwischen den persönlich erlittenen Traumata und der von der rumänischen Politik geforderten positiven Darstellung der Heimkehrer. Noch Anfang der 1950er Jahre galt es, die Deportierten in Kunst und Literatur als heldenhaften Aufbauarbeiter für eine neue Gesellschaftsordnung zu präsentieren. Es ist schwer zu fassen, wie das Leid und die Zwangsarbeit in den Lagern derart umgedeutet werden konnten.

Die Ausstellung in Dinkelsbühl stellt hauptsächlich die Werke von drei Künstlerpersönlichkeiten, die die Deportationsjahre in den Sowjetlagern überstanden hatten, in den Mittelpunkt der Präsentation: Karl Brandsch, Friedrich von Bömches, Eva Maria Scheiner. Sie gibt dabei nicht nur Aufschluss darüber, wie die Deportationserfahrung sich im Nachhinein in deren Werk niedergeschlagen hat, sondern sie zeigt auch auf, welche Bedeutung und Entfaltungsmöglichkeit künstlerisches Schaffen in den sowjetischen Lagern hatte: Selbstbestimmtes Malen oder Zeichnen war kaum möglich, doch halfen offizielle oder private Auftragsarbeiten (Stalin- und Lenin-Köpfe, Porträts, Gestaltung von Wandtexten) vielen Künstlern immerhin beim Überleben – da sie so mitunter von der schweren Arbeit verschont blieben oder sich wortwörtlich ein Zubrot verdienen konnten. Mit einer künstlerischen Aufarbeitung des erlebten Grauens hatte das freilich nichts zu tun, diese eintönigen, erzwungenen Arbeiten hemmten die Künstlerinnen und Künstler eher noch auf Jahre hinaus, die gemachten Erfahrungen wieder aufzugreifen.
Dr. Markus Lörz zeigt Bilder, die Karl Brandsch ...
Dr. Markus Lörz zeigt Bilder, die Karl Brandsch im Lager angefertigt hat.
Was Jahrzehntelang nicht offen thematisiert werden konnte oder durfte, findet heutzutage gottlob seinen Weg zum interessierten Publikum. Großer Dank gebührt daher nicht nur den Förderern – Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Verein zur Förderung des Siebenbürgischen Museums, Kulturwerk der Siebenbürger Sachsen, Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland –, sondern insbesondere Dr. Irmgard Sedler und Dr. Markus Lörz vom Siebenbürgischen Museum Gundelsheim, die die Ausstellung kuratiert und einfühlsam präsentiert haben.

Auch dem Haus der Geschichte und der Stadt Dinkelsbühl soll Dank dafür ausgesprochen werden, dass die Siebenbürger Sachsen erneut so offen aufgenommen wurden. Mit Nora Engelhard (Bürgermeisterin), Philip Schürlein (Leiter des Touristik Service), Ute Heiß (Haus der Geschichte) und Lars Groeneveld (Klarinette) sowie João Lucas Moreira (Gitarre) waren es bekannte Gesichter, die den Besucher empfingen – und die es sich nicht nehmen ließen, zusammen mit ihren siebenbürgisch-sächsischen Freunden aus nah und fern in die Ausstellung einzutauchen.

Die Ausstellung kann noch bis zum 26. September in Dinkelsbühl besucht werden, nähere Informationen sind unter www.hausdergeschichte-dinkelsbuehl.de zu finden. Ab dem 10. Dezember 2021 ist die Ausstellung in Gundelsheim zu sehen, dort wird auch der Katalog erhältlich sein.

Dagmar Seck

Schlagwörter: Deportation, Kunst, Russlanddeportation, Eröffnung, Ausstellung, Dinkelsbühl, Gundelsheim

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