5. Juni 2024
Thomas Perle liest im Haus der Heimat in Wien
Es ist durchaus nicht leicht, den vielbeschäftigten, gerade fieberhaft an den Vorbereitungen einer neuen Theaterpremiere arbeitenden Autor für eine Lesung im Wiener Haus der Heimat frei zu bekommen – doch am Freitag, den 3. Mai, gelang es uns trotzdem.
Der in der nordsiebenbürgischen Zips geborene Prosaschriftsteller und Dramatiker emigrierte samt seiner Familie schon als Kind nach Deutschland, um dann später in Wien ein Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaften zu absolvieren. Für seinen Kurzprosaband „wir gingen weil alle gingen“ erhielt er schon frühzeitig einen Literaturpreis, dem andere Stipendien und Auszeichnungen, vor allem für seine in rascher Folge erscheinenden Theaterstücke sich anschlossen. Von letzteren zu erwähnen sind „Europas Töchter“, „mutterseele, dieses leben wollt ich nicht“, „Karpatenflecken“, „ein jedermann, domnul iederman“, „Sidy Thal“ und „Protestanten“. Perle war 2019 Dorfschreiber in Frieder Schullers Katzendorf, auch Stadtschreiber in Rottweil und in der Kulturhauptstadt Temeswar 2023. Im selben Jahr erhielt er bei der Wiener „Nestroy-Theater-Gala“ seine bisher wichtigste Auszeichnung für eines seiner früheren Stücke, nämlich für die „Karpatenflecken“ den „Nestroy“-Preis für das beste Stück. Bei uns las der sympathische, durch seine Erfolge so gar nicht abgehobene Thomas Perle aus seinem Prosaband zunächst den längeren Einführungs-Text „wir gingen weil alle gingen.“ Beginnend mit den tumultuösen Dezembertagen 1989, mit den Schusswechseln in den Straßen und dem Aburteilen des Diktatoren-Ehepaares und mit einigen Rückblenden auf die mehr oder weniger darbende kommunistische Vergangenheit, wird gleich anschließend zu den Freudentänzen der plötzlich Freiheit schnuppernden Bevölkerung übergegangen. Allmählich verschwanden aber immer mehr Kindergarten- und Schulfreunde nach einem „Familienurlaub“, von dem keiner mehr zurückkam. Endlich entschloss sich auch die resolute Mutter nach etlichen Vorbereitungen zur Emigration und so kam es, dass die Familie im der eigenen roten „Dacia“ am 4. Juli 1991 die rumänische Grenze passierte – ihr höchst persönlicher „independence day“. Doch bald realisierten es die in Deutschland Angekommenen, vor allem jene kindlichen Gemüts, dass man da zwar frei ist, aber weder in den Bächen Milch und Honig fließen, noch Schokolade auf den Bäumen wächst und alles schließlich doch etwas kostet.
Sehr wirklichkeitsnah werden die Mühen der Ankunft im Aufnahmelager, der späteren Wohnungsteilung mit einer Familie Russlanddeutscher und der Einordnung in der fremden, einen anderen Zungenschlag gewohnten Schule, das Wunder voller Regale und jenes der schließlichen Anschaffung eines neuen, die klapprige Dacia ablösenden Wagens beschrieben. Erst später, so der Autor im Schlusssatz, begriff er, was ihm damals die Mutter ins Ohr geflüstert hatte: „Für euch“. Diesem Kapitel schloss Perle noch den Kurztext „Holz“ an, in dem er auf die Herkunft der vor Generationen unter Maria Theresia in die Zips eingewanderten Berg- und Waldarbeiter eingeht und das Schicksal der Großelterngeneration anhand eines konkreten Beispiels beschreibt, ein vom ersten Weltkrieg, von der schweren Arbeit und vom Verlust der Gefährtin gezeichnetes Leben. Erstaunlich ist, wie der einer späten Generation angehörige phantasievolle Autor aus den Erzählungen der Eltern und Großeltern während seiner Kindheit sowie auch aus Angelesenem alle Details seiner Beschreibungen, das mal bunte, mal düstere Bild der geschichtlichen Hintergrundkulisse so ungeheuer plastisch und prägnant zu formulieren weiß – es ist wahrlich hohe Erzählkunst. Das empfanden auch die dankenswerterweise zahlreich erschienenen Zuhörer und bedankten sich mit langanhaltendem Applaus und dem zahlreichen Kauf von signierten Exemplaren des Bandes.
Sehr wirklichkeitsnah werden die Mühen der Ankunft im Aufnahmelager, der späteren Wohnungsteilung mit einer Familie Russlanddeutscher und der Einordnung in der fremden, einen anderen Zungenschlag gewohnten Schule, das Wunder voller Regale und jenes der schließlichen Anschaffung eines neuen, die klapprige Dacia ablösenden Wagens beschrieben. Erst später, so der Autor im Schlusssatz, begriff er, was ihm damals die Mutter ins Ohr geflüstert hatte: „Für euch“. Diesem Kapitel schloss Perle noch den Kurztext „Holz“ an, in dem er auf die Herkunft der vor Generationen unter Maria Theresia in die Zips eingewanderten Berg- und Waldarbeiter eingeht und das Schicksal der Großelterngeneration anhand eines konkreten Beispiels beschreibt, ein vom ersten Weltkrieg, von der schweren Arbeit und vom Verlust der Gefährtin gezeichnetes Leben. Erstaunlich ist, wie der einer späten Generation angehörige phantasievolle Autor aus den Erzählungen der Eltern und Großeltern während seiner Kindheit sowie auch aus Angelesenem alle Details seiner Beschreibungen, das mal bunte, mal düstere Bild der geschichtlichen Hintergrundkulisse so ungeheuer plastisch und prägnant zu formulieren weiß – es ist wahrlich hohe Erzählkunst. Das empfanden auch die dankenswerterweise zahlreich erschienenen Zuhörer und bedankten sich mit langanhaltendem Applaus und dem zahlreichen Kauf von signierten Exemplaren des Bandes.
Kurt Thomas Ziegler
Schlagwörter: Lesung, Literatur, Perle, Wien, Haus der Heimat
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