12. Februar 2006

Joachim Szaunig: "Jeder Theaterauftritt ist ein neues Leben"

Manch einer mag sich gewundert und gestaunt haben, als er hörte, dass sich Joachim Szaunig, der 2003 auf eine vierzigjährige Theaterlaufbahn zurückblicken konnte, mit dem Euro-Studio-Landgraf seit dem 12. Januar 2006 auf einer Tournee durch ganz Deutschland befinde. Denn unter unseren Landsleuten hatte es sich herumgesprochen, dass Szaunig im November eine Hirnblutung erlitten hatte, so dass an Theaterspielen eigentlich nicht mehr zu denken war.
Sprach man mit ihm selbst über Theaterspielen und eine Teilnahme an der Tournee, blieb er stur. Doch es sollte noch schlimmer kommen. Am 24. Dezember 2005 erlitt Szaunig einen Darmverschluss und wurde mit Blaulicht ins Krankenhaus gebracht. In einer dramatischen Operation konnte sein Leben gerettet werden. Dem Tod buchstäblich von der Schippe gesprungen, machte er nach kurzer Rekonvaleszenz einen weiteren Satz – direkt auf die Bühne. Äußerten Anverwandte, Ärzte und Freunde Bedenken, meinte er nur: „Jeder Theaterauftritt ist ein neues Leben.“

Bei Schopenhauer heißt es treffend: „Jeder Tag ist ein kleines Leben.“ Und so brillierte der Mime auch auf dieser Tournee trotz seines kritischen Gesundheitszustands in Gerhart Hauptmanns Komödie „Der Biberpelz“. Regie führte Frank Matthus. Im voll besetzten Saal des Gögginger Parktheaters (Augsburg) konnten wir Joachim Szaunig am 2. Februar an der Seite der bekannten Schauspielerin Doris Kunstmann bewundern. Er verlieh der Gestalt des Julius Wolff, Ehemann der „Wolffen“, die rollenkonforme Schwäche und Selbstaufgabe und ließ dadurch Doris Kunstmann, der die Rolle der Waschfrau „Mutter Wolffen“ wie auf den Leib geschrieben war, umso vitaler und kraftvoller agieren. Er, der einst die theaterfreudigen Hermannstädter in den Klassikerrollen der deutschen Literatur begeisterte, beendete nun seine künstlerische Laufbahn in einer leisen Rolle der Resignation.
Doris Kunstmann und Joachim Szaunig nach der Vorstellung in Augsburg. Nicht nur Kollegen, sondern auch gute Freunde nach zahlreichen gemeinsamen Auftritten.
Doris Kunstmann und Joachim Szaunig nach der Vorstellung in Augsburg. Nicht nur Kollegen, sondern auch gute Freunde nach zahlreichen gemeinsamen Auftritten.


Die Zuschauer erlebten eine gelungene Inszenierung dieser Gaunerkomödie, ohne billige Effekthascherei, sondern mit feinem Humor, was vom Publikum entsprechend nicht mit lautem Lachen, sondern mit leisem Lächeln quittiert wurde. In den Umbaupausen – das Stück wird mit klassischer Kulisse gespielt – deklamierten die beiden Töchter schüchtern, verschämt, ja gar komisch patriotische Gedichte der Kaiserzeit und parodierten Volkslieder. Ein origineller Einfall des Regisseurs, wenn auch nicht nach jedermanns Geschmack.

Hauptmanns sozialkritisches Stück zählt zu den bedeutendsten deutschen Komödien. Manche gegenwartsbezogene Parallele lässt sich entdecken. Man sollte nun meinen, bei dieser Aufführung in Augsburg recht viele Siebenbürger Sachsen anzutreffen, denn neben dem hochkarätigen Namen Doris Kunstmann hätten doch unsere Landsleute bei dem Namen Joachim Szaunig aufhorchen müssen. Dem war leider nicht so. Und doch schloss sich nach der Vorstellung ein Kreis. Wer erinnert sich nicht an Annemarie Schunn, ihre Hauptrolle in Brechts „Dreigroschenoper“ in Hermannstadt? – Sie, die heute in Augsburg lebt und einem anderen Beruf nachgeht, kam, um dem großen alten Mann des Hermannstädter deutschen Theaters zu gratulieren. Jeder Theaterauftritt ist ein neues Leben. Für Joachim Szaunig trifft dies zu. Dass er ein großer Schauspieler ist, hat er uns nochmals bewiesen.

Dagmar Dusil


Schlagwörter: Theater, Porträt

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