8. November 2007

Die fotografische Entdeckung des Balkans

Besprechung der Zeitschrift "Fotogeschichte. Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie"; Marburg: Jonas Verlag, 2007, Jahrgang 27, Heft 103.
Im Zeitalter digitaler Fotografie mit Massenspeichern und der Möglichkeit, Fotos nachträglich den eigenen Wünschen entsprechend zu bearbeiten, ist es wohltuend, sich mit den Anfängen der Fotografie – in diesem Fall im Südosten Europas – zu beschäftigen. Die Zeitschrift „Fotogeschichte“ widmet ihr 103. Heft – es ist vor wenigen Monaten erschienen – diesem Themenbereich und hat dazu kundige Autoren angesprochen, welche auch für ein breites Publikum lesenswerte Beiträge verfasst haben.

Der Beitrag „9x13. Meine balkanische Fotokiste“ gibt einen ersten optischen Einblick in das heutige Südosteuropa. Es folgt der sehr lesenswerte Ausführungen von Anton Holzer zu Josef Roths albanischen Feuilletons und die Geschichte der Fotografenfamilie Marubi unter dem Titel „Der Orient beginnt in Albanien“.
Theodor Glatz: Selbstporträt als siebenbürgischer ...
Theodor Glatz: Selbstporträt als siebenbürgischer Rebhuhnjäger. Salzpapier, um 1860/65, Universitätsbibliothek Klausenburg. Abbildung aus dem hier besprochenen Aufsatz von Konrad Klein.
Am Beispiel Siebenbürgens und Rumäniens gehen Konrad Klein und Adrian-Silvan Ionescu der Frage nach, wie und warum es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Südosten Europas (und nicht nur hier) zu einem rasanten Aufstieg der folkloristischen und ethnografischen Fotografie gekommen ist. Die beiden Autoren zeigen, dass die „ethnografische Fotografie“, die in Wirklichkeit eine fotografische Inszenierung und (Wieder-)Erfindung idealistischer Trachten und Traditionen war, auf ein komplexes Geflecht an Interessen und Akteuren (lokale und zugereiste Fotografen, Reisende, Touristen, Händler, Zeitungen und Zeitschriften etc.) zurückgeht. Anhand zweier Fallstudien wird die sich mehrfach überlagernde Geschichte der frühen ethnologischen Fotografie in Siebenbürgen/Rumänien rekonstruiert. Im Mittelpunkt des Beitrags von Konrad Klein steht Theodor Glatz, dem 1871 in Hermannstadt gestorbenen „Nestor der Siebenbürger Photographen“, wie er in einem Nachruf der „Photographischen Notizen“ genannt wird. Die Frühzeit der Fotografie in Siebenbürgen ist aufs Engste mit dem Namen des 1843 nach Hermannstadt zugewanderten Malers und Grafikers verbunden. Konrad Klein verdeutlicht, dass sich in der Geschichte seines Ateliers viele Jahrzehnte südosteuropäischer Fotogeschichte widerspiegeln. Er beleuchtet Glatz’ Verdienste um die frühe ethnografische Fotografie in Siebenbürgen und seine Zusammenarbeit mit Carl Koller. Ein Anhang mit Kurzbiografien themenrelevanter Fotografen vervollständigt den Aufsatz. Sehr eindrücklich sind die abgebildeten Fotografien von Theodor Glatz! Das ausführliche Quellenverzeichnis belegt das umfassende Literatur- und Quellenstudium des Autors und lässt auf weitere fotogeschichtliche Arbeiten hoffen.

Abschließend behandelt Monika Schwärzler unter dem Titel „Der Feind aus dem Osten“ die Fotoserie „zur Errettung des Christentums“ von Franz Kapfer. Rezensionen und Kurzbiographien der Autoren runden das hochwertig hergestellte Heft ab. Es kann zum Preis von 20 Euro im Buchhandel oder direkt beim Jonas Verlag für Kunst und Literatur GmbH, Weidenhäsuer Straße 88, 35037 Marburg, Telefon: (0 64 21) 2 51 32, Fax: (0 64 21) 21 05 72, E-Mail: jonas [ät] jonas-verlag.de, bestellt werden.

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Schlagwörter: Fotografie, Balkan

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