4. Januar 2008

Hermannstadt im Bild erfasst

Als Hermannstadt zur europäischen Kulturhauptstadt 2007 erkoren wurde, berichteten zahlreiche Medien über diese Stadt in Siebenbürgen, auch Transsilvanien, Land jenseits der Wälder, genannt, das vor Jahrhunderten von Deutschen besiedelt wurde. In den Zeitungen und Zeitschriften wurden allerdings vor allem Texte veröffentlicht. Illustrationen blieben aus, obwohl diese historische Stadt mit ihren Wehrbauten, dem alten Rathaus, idyllischen Plätzen und Gassen mit malerischen barocken Bürgerhäusern Künstlern genügend Motive liefert. Die Bildhauerin Jutta Pallos-Schönauer hat denden Reiz Hermannstadts, der europäischen Kulturhauptstadt 2007, mit originärer Gestaltungskraft erfasst.
Eine Stadt der bildenden Kunst war Hermannstadt freilich nie, eher eine Musikstadt, gab es doch ein Sinfonieorchester, mit dem der Männergesangverein „Hermania“ sogar klassische Opern aufführte. Blaskapellen spielten bei Volksfesten auf. Schulchöre und gemischte Chöre Erwachsener erfreuten mit profanen und Kirchenkonzerten. Auf Bällen spielten die Amazulu-Boys zum Tanz auf, eine beliebte Tanzkapelle, bestehend aus Schülern und anderen Jugendlichen. Und zur Tradition gehörte es, dass Töchter und Söhne der Hermannstädter Bürger privaten Musikunterricht erhielten.

Aber die bildende Kunst? Dafür war eher das weiter südöstlich gelegene Kronstadt dank der modernen Maler und Grafiker bekannt. In Hermannstadt gab es den Zeichenlehrer Hans Hermann am deutschsprachigen Brukenthal-Gymnasium, der auch malte und bestimmte, was Kunst sei. Unter seinem Diktat hatten es seine malenden Kolleginnen und Kollegen nicht leicht, sich zu profilieren. Hermanns Gebiet, auf dem er Wertvolles leistete, war die Druckgrafik. Seine Radierungen, die historische Bauten Hermannstadts künstlerisch dokumentierten, waren bei den Bürgern beliebt und schmückten deren Wohnungen. Das war freilich vor vielen Jahren, der Künstler starb vor mehr als einem Vierteljahrhundert im Alter von 95 Jahren.
Jutta Pallos-Schönauer: Hermannstädter Ratsturm, ...
Jutta Pallos-Schönauer: Hermannstädter Ratsturm, Schilfrohrzeichnung, 59 x 44 cm, 2004.
Wie die Russlanddeutschen und Sudetendeutschen verließen auch Scharen von Siebenbürger Sachsen ihre alte Heimat, und im Flüchtlings- oder Auswanderungsgepäck hatten die Bilder wohl keinen Platz. Unter den Emigranten befanden sich natürlich auch Künstler, die in Deutschland unterkamen, weiter künstlerisch tätig sind, doch der Mäzene und Galeristen entbehren, die ihre Arbeiten der Öffentlichkeit bekannt machen. Infolge der kommunistischen Herrschaft in Rumänien waren die West-Ost-Beziehungen, also auch zu Siebenbürgen, gebrochen, um das Mindeste zu sagen, auch deshalb gibt es kaum werksbiographischen Kontinuitäten.

Jutta Pallos-Schönauer gehört zu jenen siebenbürgischen Künstlern, die in Deutschland Fuß gefasst haben. Mit ihrer Familie kam sie vor 20 Jahren nach Karlsruhe, war hier künstlerisch tätig und übersiedelte nach dem Tod ihres Mannes nach Stuttgart, wo ihre Tochter berufstätig ist. 1925 in Sächsisch Regen geboren, studierte Jutta Pallos-Schönauer an der Kunstakademie Klausenburg (rumänisch Cluj). Ihre ersten Erfolge erzielte sie mit ihren Ausstellungen daheim, in denen sie ihre figuralen Kompositionen präsentierte. Die sinnfälligen Bildunterschriften lauten „Im Kreislauf der Zeiten“, „Ausgelieferte“, „Verwurzelte“, „Zwischen alten Mauern“, „Verbliebenes“, „Entgegenkommende“, „Urkräfte“ etc. Parallel hierzu entstanden ihre architektonischen Bilder (Ölbilder, Aquarelle, Zeichnungen, Grafiken). Vor Ort skizzierte sie alte Bauten wie Rathaus, Kirchen, Wehranlagen sowie idyllische Gassen mit alten Bürgerhäusern in Klausenburg und Hermannstadt. Beim Betrachten dieser Bilder von der „Fingerlingsstiege“, der „Bürgerstiege“, dem „Großen Ring“, von Darstellungen alter Brücken und anderer Hermannstädter Motive mögen in jenen, die Hermannstadt für immer verlassen haben, nostalgische Erinnerungen wach werden. Und auch alle, die diese Stadt nie besucht haben, werden an der künstlerischen Gestaltung große Freude haben und der Künstlerin Anerkennung zollen.

Anders als avantgardistische Kollegen, die z. B. kubische Gebäude bis zu Wolkenkratzern in knapper Linienführung bis an die Grenze der Abstraktion abbilden, blieb Jutta Pallos-Schönauer dem traditionellen Stil treu, der Linearperspektive, den durch Schattierung erzielten körperhaften Formen und der malerischen Gestaltung, mit der sie die Aura, die von den historischen Gebäuden ausgeht, vortrefflich vermittelt. Thematik und handwerkliche Verwirklichung bilden eine beispielhafte Synthese.

In einem Aufsatz über die Künstlerin Jutta Pallos-Schönauer äußert sich Georg Aescht wie folgt: „Ihre Bedeutung erschöpft sich nicht im Detail, sondern geht ins Existentielle, winkt dabei aber nicht mit dem Zaunpfahl der Symbolik, sondern erscheint künstlerisch zwingend und wirkt beim Betrachten des Gesamtwerkes besonders nachhaltig.“ (Kulturpolitische Korrespondenz Nr. 1198)

Zwar wurde die deutsche Öffentlichkeit nach der Übersiedlung von Jutta Pallos-Schönauer nach Karlsruhe und Stuttgart in Einzel- und Gruppenausstellungen wiederholt mit ihren Werken konfroniert. Eine der Kulturhauptstadt Hermannstadt gewidmete Ausstellung gab es allerdings noch nicht, obwohl sie mit zahlreichen Exponaten bestückt werden könnte. Möglich, dass Kulturinstitute mit West-Ost-Brückenfunktion und hiesige Galeristen nichts davon wussten.

Dank der Wahl Hermannstadts zur Kulturhaupstadt 2007 und den Berichten darüber in den Medien erfuhr auch in Deutschland mancher vielleicht zum ersten Mal Näheres über diese Stadt und die Kulturlandschaft Siebenbürgen. Kunstausstellungen mit Hermannstädter Motiven würden die Kenntnis über Siebenbürgen in anschaulicher Weise erweitern. Doch die Blicke zumindest der auf kulturellem Gebiet maßgeblichen Leute in unserem kapitalistischen Staat sind eher gen Westen gerichtet. Das Kulturhauptstadt-Jahr wäre ein willkommener Anlass gewesen, dem Wort auch das Bild folgen zu lassen – in Form einer Hermannstadt-Ausstellung der Siebenbürgerin Jutta Pallos-Schönauer.

Günther Ott (KK)

Schlagwörter: Hermannstadt, Kulturhauptstadt, Malerei

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