17. Januar 2009

Elisabeth Hering – vor 100 Jahren geboren

In der Leipziger Stadtbibliothek wird zurzeit mit einer Lesung und Ausstellung der Schrift­stellerin Elisabeth Hering anlässlich ihres 100. Geburtstages gedacht. Die Siebenbürger Sächsin hat fast 40 Jahre bis zu ihrem Tod 1999 in dieser Stadt gelebt und gewirkt. Die in der DDR gern gelesene Autorin hat 24 Bücher geschrieben.
Am 17. Januar 1909 wurde Elisabeth Leicht, die spätere Frau Ackner und schließlich Schrift­stellerin Elisabeth Hering in Klausenburg geboren. Bei ihrer Großmutter Leicht, einer geborenen Thullner. Aber aufgewachsen ist sie in Schäßburg im Haus ihrer Großeltern mütterlicherseits. Und über ihren Großvater, Stadtphy­sikus Dr. Josef Bacon, den Begründer des Hei­matmuseums „Alt Schäßburg“, kam sie früh mit Geschichte in Berührung. Sie machte bereits im Alter von zwölf Jahren selbständig Führungen im Stundturm.

Die Schrifstellerin Elisabeth Hering (1909-1999) ...
Die Schrifstellerin Elisabeth Hering (1909-1999) war eine gern gelesene Autorin in der DDR.
Kindheitserinnerungen aus Schäßburg und Familiengeschichte hat die hoch betagte Autorin ihren fünf Kindern gewidmet und auf deren Wunsch geschrieben. Aber auch ältere Schäß­burger, die sich noch an Leicht Lieschen erinnerten oder von ihr gehört hatten, haben gerne darin gelesen. Der Weg zu diesem späten Buch war aber weit.

Noch vor dem Ablegen des externen Abiturs (in Schäßbug war das Gymnasium damals nur den Jungen offen) erfolgte 1927 die Heirat mit dem Schäßburger, dann Hermannstädter Stadt­prediger Hans Ackner. Aus dieser Zeit gibt es einige Gedichte in den Kirchlichen Blättern. 1943 begleitete die junge Pfarrfrau mit den Kindern ihren Mann in das von deutschen Truppen be­setzte Galizien, wo er im Auftrag der Landes­kirche als Geistlicher tätig war. Aber diese Zeit endete im November 1944 nach mehrmaliger Flucht in Thüringen, wo Hans Ackner eine Stel­le als Gemeindepfarrer erhielt. Bald wurde das Sowjetische Besatzungszone und später DDR.

Doch das frühe literarische Schaffen, wie ein Gedichtzyklus oder die Novelle „Jakob Reisiger“ (in Anlehnung an den siebenbürgischen Politiker des 19. Jahrhunderts Jacob Ranicher mit autobiographischen Bezügen) und anderes, blieb nach eigenen Aussagen in der Schublade. 1951 folgt die Trennung von Hans Ackner und 1952 die Heirat mit dem Verlagslektor Walter Hering. Nur das erste Werk, „Der Oirol“, zwei Liebesgeschichten aus dem alten Korea, ist unter dem Namen Elisabeth Ackner erschienen. Eine Sammlung rumänischer Märchen, Erzäh­lungen und Nacherzählungen gehören in die frühen Jahre der literarischen Tätigkeit von Elisabeth Hering, die Zeit vor dem Entstehen ihrer historischen Romane. Und auch 1955 das Jugendbuch „Drei Lebensretter“, in der sie anhand von Entdeckungen aus der Medizin Familiengeschichte und Heimatgeschichte ihrer Vaterstadt Schäßburg schildert.

Siebenbürgen fühlte sie sich immer zugehörig, so stand sie von 1949 bis 1952 in engem brieflichen Kontakt mit dem Schriftsteller Erwin Wittstock. Als 1955 ihre Stoffwahl auf rumänische Märchen fiel, war sie kurz vor ihrer ersten Besuchsreise in die alte Heimat. Viele Jahre später waren es rumänische Schwänke und Legenden, denen sie sich widmete, auch ein Ausdruck der Verbundenheit mit dem Land ihrer Herkunft.

Insgesamt hat Elisabeth Hering 24 Bücher veröffentlicht, davon elf kulturhistorische Roma­ne, ein populärwissenschaftliches Buch „Schrieb Noah schon?“, auch bekannt unter dem Titel „Rätsel der Schrift“, zwei Erzählungen für Kin­der, darunter „Der Heinzelmännchen Wieder­kehr“ sowie Märchen, Sagen und Schwänke.

Geschichtliche Themen bildeten den Mittel­punkt ihres Schaffens. Spannend, anschaulich und historisch getreu. Die entscheidende Tiefe gewann sie dabei durch die bitteren Erfahrun­gen des Krieges, den Verlust der tradierten Wertvorstellungen und der daraus resultierenden Spurensuche in der Vergangenheit. Ihr erster Roman „Südseesaga“ (1956) führt auf die Osterinsel, ihr zweiter „Die Magd der Pharao­nen“ (1959) ins alte Ägypten. Schon in den ältes­ten Kulturen findet die Autorin das unstillbare Verlangen nach dem „Heil der Welt“. Wo wird es gesucht? Warum immer wieder verspielt? Fragen der Geschichte nachzugehen, wird im­mer wieder deutlich. So in den Romanen „Der Diakon von Monstab“, „Ihm zum Bilde“ und „Schatten Gottes auf Erden“, wo der Missbrauch der Religionen dargestellt wird, der ebenso zu Ketzerverfolgungen und der Verbrennung von Jan Hus führte wie zum Dreißigjährigen Krieg. Doch nicht nur im Christentum hat solcher Missbrauch zu unseligen Folgen geführt, sondern auch im Islam. Das wird erkennbar am Schicksal Ulug Begs, des Sultans von Samar­kand. Er war der größte Astronom seiner Zeit und fiel den Ränken der frommen Derwische zum Opfer.

Gerade „Schatten Gottes auf Erden“ ist aber auch ein Wegweiser für Toleranz und Verständnis gegenüber anderen Überzeugungen und Lebenshaltungen. Die Palette der Handlungsorte ist breit. Zwei Namen seien noch genannt: „Zu seinen Füßen Cordoba“ in Andalusien um das Jahr 1000 und „Wolken über Wien“ in den politisch bewegten 1920er und 1930er Jahren.

Elisabeth Hering war eine in der DDR gerne gelesenen Autorin, auch wenn es, neben dem Union-Verlag, nur kleinere private Verlage wa­ren, in denen ihre Bücher erschienen. Und die Auflagenhöhe war limitiert. Sie musste jahrelang regelrecht darum kämpfen, 1963 in den Schriftstellerverband aufgenommen zu werden. Einige ihrer Werke wurden ins Russische, Unga­rische, Rumänische, Slowakische, Italienische übersetzt. Lizenzausgaben erschienen im Boje-Verlag Stuttgart. 2007 wurde postum „Der Bild­hauer des Pharao“ in Tallinn in estnischer Spra­che herausgegeben.

In Leipzig schloss sich Elisabeth Hering auch den Quäkern an, deren pazifistische, tolerante, undogmatische Religiosität und deren basisdemokratische Strukturen und soziales Engage­ment ihrem eigenen Verständnis am nächsten kamen. Ihr Vermächtnis an die Quäkergeschich­te, das Werk „Swarthmoor Hall oder Begegnung mit Margaret Fell“, das im Berliner Union-Ver­lag erscheinen sollte, blieb ungedruckt.

Es bleibt zu wünschen, dass mehr Siebenbür­ger, die heute in der Bundesrepublik Deutsch­land leben, Zugang zu den Werken von Elisa­beth Hering finden.

Richard Ackner, Wilmi Gerber

Lesung und Ausstellung in Leipzig

Eine Lesung unter dem Titel „Junges Europa. Rumänien in Märchen, Legenden und Schwänken“ widmet die Leipziger Stadtbibliothek der Schriftstellerin Elisabeth Hering, die vor hundert Jahren, am 17. Januar 1909, in Klausenburg in Siebenbürgen geboren wurde. Die Lesung und Ausstellungseröffnung finden am Montag dem 19. Januar 2009, 18.00 Uhr, in der Leipziger Stadtbibliothek, Wilhelm-Leuschner-Platz 10 / 11, statt. Es lesen Wilhelmine und Wolfgang Gerber (Theater wiwo) und Karin Decker-That Wilhelmine Gerber ist die Tochter der Autorin. Karin Decker-That, eine Nichte der Autorin, war Schauspielerin am deutschen Theater Hermannstadt und Temeschburg. Die Kabinettausstellung heißt „Erforscht, gesammelt, erzählt und aufbewahrt“ und ist vom 19. Januar bis 28. März 2009 zu sehen.

Schlagwörter: Schriftsteller, Literatur, Klausenburg, DDR

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