2. April 2010

Der Samtborten: Kopfputz der konfirmierten Mädchen

Es ist eine Augenweide, wenn die konfirmierten Mädchen in Siebenbürgen im Ostergottesdienst zum ersten Mal mit geschmückten Borten in Trachtenkleidung erscheinen.
Der „Samtborten“ gehört seit Jahrhunderten als Kopfputz zum Kirchen- und Ehrenkleid der siebenbürgisch-sächsischen Mädchen. Er symbolisiert Ehrbarkeit, Jungfräulichkeit. In vielen Orten wird er zum ersten Mal bei der Konfirma­tion oder zu Ostern getragen, dann verpflichtend zum Kirchgang. Bei der Konfirmation sagt die Mutter ihrer Tochter: „Du sollst deinen Borten in Ehren tragen“ („Tia sollt dengen Buirten än Ihren driun“, Schönberg).

Der Borten wird bereits in einer Aufzeichnung aus dem Jahre 1569 als „Jungfernborten“ erwähnt („da ich eine Jungfraw im borten gewesen“), oder „welche zum Heiraten bald gehörten, tanzten mit dem Jungfernborten“ („dä zem froindern bauld gehuirten, dunzten mät dem jangfrebiurten“, 1860). In Bogeschdorf verbat man den Mädchen, ohne Borten an Sonn- und Festtagen zur Kirche zu gehen (1769, Statut, Bogeschdorf).
Prachtvoller Perlenborten aus Streitfort. Foto: ...
Prachtvoller Perlenborten aus Streitfort. Foto: Werner Förderreuther
An anderer Stelle heißt es: „Nicht mehr setze deinen Jungfer Borten auff, denn du bist nicht werth, daß du ihn tragest“ (1748). Hat sich ein Mädchen „vergangen“ und wird schwanger, darf sie den Borten nicht mehr aufsetzen, auch nicht auf der Mädchenbank in der Kirche sitzen. Dieses über ein schwangeres Mädchen verhängte Urteil wird bis 1942 mancherorts noch wahrgenommen.

Laut Kleiderordnungen gab der zu hohe und zu aufwändig geschmückte Borten oft Anlass zu Strafen. So erlässt der Hermannstädter Magistrat am 18. Oktober 1676 den Befehl, vor der Kirchentüre den Mädchen die zu hohen und brei­ten Borten abzunehmen. 1679 lässt er Scheren an die Kirchentüren hängen, um „den Weibern und Mägden die Hoffart damit zu bestrafen“.

In den meisten Orten ist der Borten aus schwarzem Samt, röhrenförmig, über einem Kar­ton geformt dem Kopf der Trägerin angepasst. Das Futter wird mit dünnem bestickten oder buntem gekauften Material, gelegentlich auch aus rotem Samt gewählt. Am oberen Rand des Bortens findet ein rotes gefälteltes Bändchen seinen Platz, darunter von Hand geklöppelte Brokatlitzen (Brenndorf) oder gehäkelte, gekauf­te Silberspitzen. Hinten über der scheinbaren Öffnung des Bortens, welche unten und oben mit einem Gänsekiel verbunden wird (Schweischer), befestigt man ein oder mehrere bunte, bestickte oder gekaufte, geblümte Trachtenbänder „Partir“. Der rückwärtige Bortenschmuck wird individuell angeordnet und besteht zumeist aus vielerlei Glasperlen, Bockelnadeln, Zelluloidröschen, Broschen und bunten Stecknadeln.
Bortenlädchen aus Arkeden, 26 x 26 x 29 cm. Foto: ...
Bortenlädchen aus Arkeden, 26 x 26 x 29 cm. Foto: Werner Förderreuther
Ortsgebundene Schmuckformen finden wir in Hahnbach, Hammersdorf, Klosdorf und in der Bistritzer Gegend. Hier bestickt man den Borten oben, ringsum mit Blüten und Blumenkränzchen. In Stolzenburg umhüllt man am Tag der Konfirmation den Borten mit einem weißen, dünnen Tüllschleier, in Kirchberg mit dem dunkelblauen Schleiertuch der Frauen, dem „Faichel“. In Frauendorf schmückt man beim Blumenfest den Borten mit einem strahlenförmigen bunten Blumenstrauß.

Dieses sind einige herausgegriffene siebenbür­gisch-sächsische Brauchformen. In Großpold legt man den Borten 1918 ab; nur die sächsische Braut trägt ihn noch zu ihrer Hochzeit (aus: „Landler, Vergessene altösterreichische Tracht in Siebenbürgen“).

Im Brautstand erhält der Borten des Mädchens als besondere Zierde den Myrtenkranz oder einen örtlichen Brautbortenaufputz. Eine hohe gebogene Brautkrone aus Kunstblumen schmückt den Borten der Braut in Deutsch-Weiß­kirch und Urwegen. Der Brautkranz aus Zendersch wird aus acht pastellfarbigen Kunstblumensträußchen (Rosenknospen, Maiglöckchen und Vergissmeinnicht) gebunden und strahlenförmig angeordnet, wobei an jedem Strahlende das kleine „Päschken“, Sträußchen mit Engelhaarschmuck angebracht wird. Den Kranz befestigt man an einem Reifen aus Holz am rückwärtigen Borten. In der Hochzeitsnacht wird er regelrecht „abgetanzt“. In Rode setzt man dem Brautborten einen hohen Blumenbogen auf, in Gergeschdorf ein buntes Blumenrad und in Zuck­mantel einen üppigen Blumenstrauß u.a.m.

Schwere Bortenmaschen aus dunklem Samt, mit buntem oder goldbesticktem Blütenschmuck hängen schwer am Borten der Trägerin bis zum Rocksaum. Oft werden diese Bänder von Stickerinnen gefertigt.

Unzählige gestickte, gekaufte, buntgeblümte Bänder, die unten mit Quasten und Trachtenbandschmuck versehen sind, werden am Borten befestigt oder mit einem Bändchen am Kopf der Trägerin festgebunden. Auch in Nordsiebenbürgen wird der schmale, hohe Borten mit einem Bändchen am Haupt festgebunden. Im Burzenland wird der Borten niederer getragen als in anderen Gebieten Siebenbürgens. Hier werden die goldbestickten hellen Bortenbänder von Berufsstickerinnen gefertigt und an einem Bändchen am Kopf befestigt.

In der Repser Gegend bewahrt man den Borten gelegentlich in einem bemalten Bortenlädchen auf, in Hahnbach in einer Spannschachtel, „äm Kopper“.

Zum letzten Mal trägt das Mädchen den Borten bei ihrer Hochzeit. Auf dem Heimweg nach der Trauung bespritzt man die Braut mit Wasser oder wirft Weizenkörner in den Borten (Fruchtbarkeits-Zauber, Botsch, Schweischer u.a.m.). Sitte und Brauch begleiten das Tragen des Bortens bis zu der endgültigen Abnahme an ihrem Hochzeitstag. Das Bortenabnehmen, -abtanzen ist ein von Ort zu Ort unterschiedlicher Hochzeitsbrauch. In der Repser Gegend wird der jun­gen Frau der Borten um Mitternacht abgenommen, dabei singen ihre Jugendgespielinnen und die Hochzeitsgäste das Lied „Schön ist die Jugend in frohen Zeiten“ oder „Lebt wohl, geliebte Eltern“ u.a.m. Stirbt ein konfirmiertes Mädchen, wird sie als Braut mit geschmücktem Brautborten beerdigt. Die Bortenbänder lässt man beidseitig der Bahre hängen. Alle Mädchen tragen als Zeichen der Trauer am Borten oder um den Kopf geschlungene schwarze Patierbänder (Repser Gegend).

Heute wird der siebenbürgisch-sächsische Borten in Siebenbürgen auch von andern Ethnien stillschweigend getragen, etwa bei kulturellen Veranstaltungen oder um in evangelischen Kirchen konfirmiert zu werden. Hier, in der neuen Heimat, legt man den Borten als Vorzeigestück bei verschiedenen Trachtenveranstaltungen an, seltener bei der Konfirmation oder dem Kirchgang.

Rose Schmidt

Schlagwörter: Brauchtum, Trachten

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