9. Juni 2008

Deutsche gestalten Kommunalpolitik in Rumänien mit

Die deutsche Minderheit in Rumänien wird nach den Kommunalwahlen am 1. Juni das politische Geschehen vor allem in den Kreisen Hermannstadt und Sathmar mitbestimmen. Klaus Johannis erzielte mit 83,26 Prozent der Stimmen ein drittes Mandat als Bürgermeister in Hermannstadt, um fünf Prozent weniger als vor vier Jahren, aber immerhin das beste Ergebnis bei den Bürgermeisterwahlen in Rumänien (diese Zeitung berichtete nach den ersten Hochrechnungen)..
Das deutsche Forum stellt 14 Stadträte in Hermannstadt, um zwei weniger als 2004, bleibt aber stärkste politische Kraft am Zibin mit 53,35 Prozent. Die PD-L erhält vier Sitze, die PSD drei und PNL zwei im Stadtparlament.

Das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR) hatte vor allem im Kreis Hermannstadt einen offensiven Wahlkampf geführt und erfreut sich weiterhin einer hohen Zustimmung in der Bevölkerung. Bei diesen ersten Kommunalwahlen nach dem EU-Beitritt Rumäniens wurden die Vorsitzenden der Kreisräte erstmals durch Personenwahl bestimmt. Eine einfache Mehrheit war ausreichend, Stichwahlen sind – im Gegensatz zu den Bürgermeisterwahlen – nicht erforderlich.
Nicht mehr als ein Heimspiel waren die Wahlen für ...
Nicht mehr als ein Heimspiel waren die Wahlen für den amtierenden Bürgermeister Klaus Johannis. Weitaus schwerer hatte es da schon Martin Bottesch. Im Bild das Forumshaus in Hermannstadt mit dem höchst professionell gestalteten Wahlplakat von Martin Bottesch und Klaus Johannis (im Hintergrund). Foto: Konrad Klein
Den hart umkämpften Wahlkampf um den Vorsitz des Hermannstädter Kreisrates konnte der DFDR-Kandidat Martin Bottesch mit 28,87 Prozent für sich entscheiden, dicht gefolgt Ion Ariton (PD-L) 25,53 % und Ioan Cindrea (PSD) 23,19. Der erste direkt gewählte Kreisratsvorsitzende im Kreis Hermannstadt ist somit ein Deutscher.

Bündnis mit PSD und PNL

Im Kreisrat stellt die PD–L mit 26,84 % der Stimmen zehn Kreisräte, das DFDR neun Kreisräte (24,58 %), die PSD neun Kreisräte (22,15 %) und die PNL vier (9,97 %). Das Forum verliert damit die Mehrheit im Kreisrat und wird nun ein Bündnis mit den Sozialdemokraten und Liberalen eingehen, um den Kreis weiter regieren zu können.

Eine Zusammenarbeit mit der PD-L lehnt Johannis kategorisch ab, nachdem diese Daniel Thellmann kurz vor den Wahlen abgeworben hatte. Thellmann wechselte die Fronten und nahm auch alle anderen Forumskandidaten in Mediasch in die rumänische Partei mit. Thellmann wurde als Kandidat der Demokratisch-Liberalen Partei mit 58,66% Prozent als Bürgermeister in Mediasch wieder gewählt, das deutsche Forum ging jedoch mangels eigener Kandidaten leer aus. Der Unmut über den „Überläufer“ hält im Forum auch nach den Wahlen an.

Martin Bottesch setzt sich für den ganzen Landkreis ein

Allerdings ergeben sich dadurch keine Nachteile für die Stadt Mediasch. Der wieder gewählte Martin Bottesch, der sich in den letzten vier Jahren als äußerst korrekter und effizienter Verwalter bewährt hat, erklärte nämlich kurz nach seinem Wahlsieg: „Unsere Verwaltung dient dem Interesse aller Bürgerinnen und Bürger. Wir werden uns für eine ausgeglichene Entwicklung des Kreises einsetzen und mit allen politischen Kräften zusammenarbeiten, die uns dabei unterstützen möchten.“ Die Hermannstädter hätten beim Urnengang die Leistungen der letzten vier Jahre im Kreis Hermannstadt und das Programm des Forums gewürdigt. Die Tatsache, dass dieselbe politische Formation den Bürgermeister des Kreisvororts und den Kreisratsvorsitzenden stellt, bedeute Stabilität, erklärte Bottesch. Mit ihrem eindeutigen Votum für den Bürgermeister und den Stadtrat von Hermannstadt, aber auch für den Kreisratsvorsitzenden und den Kreisrat hätten die Hermannstädter Wählerinnen und Wähler „die ethnische Schallmauer überwunden“ und eine rekordverdächtige Leistung erbracht, sagte der Vorsitzende des Hermannstädter Zentrumsforums, der wiedergewählte Stadtrat Hans Klein.

Gute Ergebnisse in Hermannstadt und Sathmar

Landesweit stellt das DFDR mehr als 70 Gemeinde- und Stadträte, die meisten im Kreis Sathmar (38 Gemeinderäte und vier Stadträte). Im Kreisrat wird das DFDR, dank der gemeinsamen Liste mit dem Ungarnverband, drei Vertreter haben.

Im Kreis Hermannstadt ist das deutsche Forum, wie erwähnt, durch neun Kreisräte, 14 Stadträte in Hermannstadt, vier Stadträte in Heltau, fünf Gemeideräte in Freck und einen in Kerz vertreten.

Premiere in Temeswar

Eine Premiere ereignete sich in Temeswar, wo Helene Wolf als erste Forumsvertreterin in den Stadtrat einzog. Den Erfolg verdankt das DFDR einem Wahlbündnis mit den Zaranisten (PNȚCD) und Liberalen (PNL). Im Kreis Karasch-Severin stellt das Forum fünf Gemeinderäte.

Nur vier Gemeinderäte im Kreis Kronstadt

Das Wahlergebnis der Deutschen in Kronstadt und Umgebung blieb, wie vor vier Jahren, weit hinter den Erwartungen zurück. Das Forum schritt zwar mit vollständigen Wahllisten sowie mit Spitzenkandidaten für das Kronstädter Bürgermeisteramt (Wolfgang Wittstock) und den Kreisratvorsitz (Karl-Arthur Ehrmann) in den Wahlkampf, erzielte aber nur drei Stadträte Erwin Albu (Zeiden), Karl Hellwig und Anna-Maria Țopa (Reps) sowie eine Gemeinderätin Bodendorf: Caroline Fernolend aus Deutsch-Weißkirch.

Neben dem spektakulären Wahlsieg in Hermannstadt stellen die Deutschen einen Bürgermeister (Karl Rank) in Wolfsberg im Banater Bergland und sechs Bürgermeister im Kreis Sathmar. Ein siebenter Kandidat tritt hier zur Stichwahl an. Im Kreis Hermannstadt haben die Bürgermeisterkandidaten Johann Krech in Heltau und Arnold Klingeis in Freck beim ersten Wahlgang die absolute Mehrheit verfehlt und stellen sich am 15. Juni ebenfalls zur Stichwahl.

Stimmungsbarometer vor den Parlamentswahlen

Die Kommunalwahlen in Rumänien gelten als wichtiges Stimmungsbarometer für die Parlamentswahlen, die im kommenden Spätherbst stattfinden werden. Bürgermeister und Kreisratsvorsitzender wurden direkt (Personenwahl), Gemeinde- bzw. Stadträte und Kreisräte per Listenwahl gewählt. Nach einer farblosen Wahlkampagne der Parteien wurde eine geringe Wahlbeteiligung verzeichnet: Nur 48,7 Prozent der über 18,3 Millionen Wahlberechtigten gingen zu den Urnen, in den Großstädten deutlich weniger als auf dem Lande, in Bukarest sogar nur 31 Prozent. An der Apathie der Wähler konnte auch Staatspräsident Traian Băsescu nicht viel ändern, der am 30. Mai die Bürger aufgerufen hatte, vom Wahlrecht Gebrauch zu machen und die politische Führungsklasse auf lokaler Ebene zu bestimmen. Die Kommunalpoliker in Rumänien verwalten EU-Fördergelder in Höhe von bis zu 20 Milliarden Euro, gab das Staatsoberhaupt zu bedenken.

Iliescu will Demokraten "politisch isolieren"

Der höchste politische Stellenwert kommt traditionell den Bürgermeisterwahlen in Bukarest zu. In der rumänischen Hauptstadt erzielten der angeblich unabhängige Kandidat Sorin Oprescu und der frühere Innenminister Vasila Blaga (PD-L) jeweils knapp über bzw. unter 30 Prozent, der offizielle PSD-Kandidat Cristian Diaconescu erhielt 12,6 Prozent. Blaga und Oprescu treten am 15. Juni in einer Stichwahl an. Der ehemalige Gesundheitsminister und PSD-Politiker Oprescu ist zwar umstritten (er soll auch einen Teil der für seine Bürgermeisterbewerbung nötigen Unterschriften gefälscht haben), wird aber vom konservativen Flügel der Sozialdemokratischen Partei (PSD) stark unterstützt. Der PSD-Ehrenvorsitzende Ion Iliescu definierte noch am Wahlabend als Ziel, die Demokratisch-Liberale Partei (PD-L) zu isolieren und von der Macht fernzuhalten. Die gleiche Botschaft verkündete kurz danach nicht nur der sozialdemokratische Parteivorsitzende Mircea Geoană, sondern auch – in abgewandelter Form – auch der liberale Parteichef und Ministerpräsident Călin Popescu-Tăriceanu. Es ist also durchaus möglich, dass es bei den Stichwahlen am 15. Juni in Bukarest und vor allem bei den Parlamentswahlen im November 2008 zu einer Neuauflage des letztjährigen Lagerkampfes kommt. Gegen die Stimmen der Demokratischen Partei (PD) hatten sich 322 Parlamentarier aller anderen Parteien am 19. April 2007 für eine Amtsenthebung von Staatspräsident Traian Băsescu ausgesprochen, ihr Vorhaben war aber einen Monat später an einem Referendum kläglich gescheitert.

PSD und PD-L gleichauf, PNL drittstärkste Partei

Bei den Kreisratswahlen liegen die Sozialdemokraten mit 28,38 Prozent gleichauf mit der Demokratisch-Liberalen Partei (28,22%), gefolgt von der PNL mit 18,65 Prozent.

Bei den Bürgermeisterwahlen konnte sich der Zaranist (PNȚCD) Gheorghe Ciuhandu ein viertes Mal (mit 53,6 Prozent der Stimmen) in Temeswar (Timișoara) behaupten. Emil Boc und Gheorghe Scripcaru (beide PD-L) wurden als Bürgermeister in Klausenburg (Cluj – 76,2 Prozent) und Kronstadt (Brașov – 69,8 Prozent) wiedergewählt. Radu Mazăre (PSD) erzielte 68,6 Prozent und bleibt damit Stadtoberhaupt in Konstanza.

Siegbert Bruss

Schlagwörter: Politik, Kommunalwahlen, Kommunalpolitik, Forum

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