„80 Jahre: Erinnern – Bewahren – Gestalten“: Dr. Bernd Fabritius, Präsident des Bundes der Vertriebenen, zum Leitwort 2025
Der Bund der Vertriebenen hat das Jahr 2025 unter das Leitwort „80 Jahre: Erinnern – Bewahren – Gestalten“ gestellt. Damit wollen wir einerseits einen Teil zur Erinnerung an das Ende des von Deutschland ausgegangenen Zweiten Weltkrieges beitragen, denn damit endeten auch das Menschheitsverbrechen des Holocaust und die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten.
Gleichzeitig wollen wir andererseits entsprechend unserem Auftrag als Dachverband der deutschen Heimatvertriebenen, Aussiedler und Spätaussiedler die Erinnerung daran stärken, dass zum Kriegsende die Vertreibung von etwa 15 Millionen Deutschen aus ihren Heimatgebieten in Ostmittel-, Ost- und Südosteuropa im Gange war. Sie gehört zu den größten humanitären Katastrophen des 20. Jahrhunderts.
Flucht und Vertreibung hinterließen tiefe Spuren in Europa – bis heute. Städte und Dörfer, Landschaften und Provinzen, die über Jahrhunderte hinweg das Zuhause von Deutschen waren, mussten unter kaum vorstellbaren Bedingungen verlassen werden. Für viele Betroffene wurden Flucht, Vertreibung und die damit verbundenen Gewalterfahrungen zur Ursache tiefsitzender Traumata. Der Verlust der Heimat bedeutete nicht nur einen physischen und materiellen Verlust von Orten und Besitztümern. Er bedeutete ebenso einen emotionalen Verlust – von Identität, Erinnerung und sozialem Gefüge.
BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius bei seinem GrußwortErinnern: Daran zu erinnern ist nicht nur eine historische Pflicht, sondern ein unverzichtbarer Beitrag zur Wahrung von Frieden und Freiheit. Russlands völkerrechtswidriger Krieg in der Ukraine führt uns gerade heute wieder vor Augen, wie gefährdet grundlegende Menschenrechte in Kriegs- und Krisenzeiten sind. Gerade die Menschen, die Flucht und Vertreibung noch erlebt haben, fühlen sich bei den allabendlichen Fernsehbildern zurückversetzt in die Zeit ihrer Kindheit und Jugend.
Die Vertriebenen und ihre Verbände erinnern seit mehr als sieben Jahrzehnten an das Geschehen, das im Herbst 1944 begann, 1945 seinen Höhepunkt erreichte und mit den zu uns kommenden Spätaussiedlern in letzter Konsequenz bis heute andauert. Diese Erinnerung ist Mahnung und Auftrag zugleich.
Bewahren: Neben dem Erinnern wollen wir die Geschichte und das kulturelle Erbe der ehemaligen deutschen Provinzen und der Siedlungsgebiete der deutschen Heimatvertriebenen bewahren. Das umfasst die Siedlungsgeschichte ebenso wie Dialekte und Lieder, Brauchtum und Traditionen.
In der kulturellen Breitenarbeit in den Verbandsgliederungen, aber auch in den Landesmuseen, Kulturinstitutionen und -stiftungen oder durch wissenschaftliche Forschung wird dieses Wissen als unentbehrlicher Bestandteil der deutschen Kulturnation lebendig gehalten. Unser kulturelles Erbe ist nicht nur ein Schatz, den es zu bewahren gilt, sondern es spielt eine wesentliche Rolle im Dialog mit unseren östlichen Nachbarn – und ist eine Brücke zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Gestalten: Denn als Verband richten wir den Blick immer auch in die Zukunft. Die Nachkriegsgeschichte Deutschlands ist geprägt von einem Neuanfang, bei dem den Vertriebenen eine zentrale Rolle zukam. Sie haben sich aktiv neue Lebensgrundlagen aufgebaut, ihre kulturelle Identität bewahrt und mit großem Einsatz zum Wiederaufbau des Landes und der Gesellschaft beigetragen. Sie haben die Bundesrepublik Deutschland mitgestaltet und nach dem Fall des Eisernen Vorhangs gemeinsam mit unseren Nachbarn im Osten auch kontinuierlich an einem friedlichen Europa gearbeitet.
Genau darum geht es auch für die Zukunft. Wir wollen uns weiterhin gestaltend einbringen – mit den spezifischen Fähigkeiten und Kompetenzen, die aufgrund unserer langen Geschichte im Osten und den Jahrzehnten des verständigungspolitischen Einsatzes haben. Gemeinsam mit unseren Partnern im Osten setzen wir uns im Geiste unserer Charta der deutschen Heimatvertriebenen, die in diesem Jahr ihr 75. Jubiläum feiern kann, für ein geeintes und friedliches Europa ein.
Leider bleibt das Thema Flucht und Vertreibung von erschreckender Aktualität. Über 100 Millionen Menschen sind heute auf der Flucht, vornehmlich durch Krieg und Verfolgung, immer häufiger aber auch durch Armut und eine lebensfeindlicher werdende Heimat. Ein Ziel unserer Arbeit bleibt daher die Durchsetzung des Menschenrechts auf Heimat sowie eines internationalen strafbewehrten Vertreibungsverbotes. Gerade wegen unseres Schicksals blicken wir mit Empathie auf Flüchtlinge weltweit und ihre Sehnsucht nach Heimat. Das Gedenkjahr 2025 mahnt, dass wir gemeinsam Verantwortung tragen – für das Erinnern der Vergangenheit, das Bewahren von Kultur und Geschichte und das Gestalten einer friedlichen Zukunft.
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