9. März 2015

Erneuerer der sächsischen Weintradition: Nachruf auf Dr. Karl Müller

Die Weinwirtschaft trauert: Dr. Karl Müller, anerkannter Weinfachmann, Lehrbeauftragter und Verfasser zahlreicher Facharbeiten, ist am 17. Februar 2015 in Würzburg gestorben. Der Wahl-Franke, der vielen als kompetenter Weinberater galt, wurde 76 Jahre alt. Sein Denken und Wirken waren stets global und international ausgerichtet, schließlich kannte er die Bedeutung der Weinwirtschaft und sah auch deren Potential mit ihrer rasanten Ausbreitung neuer Anbaugebiete während der vergangenen Jahrzehnte, die auch vor Kontinenten nicht Halt machte.
Anerkennung erlangte Karl Müller bereits an der Agronomischen Universität in Jassy als Jahrgangsbester. Danach leitete er eine Staatsfarm mit Schwerpunkt Weinbau in Nadesch, von wo aus er in die Forschung berufen wurde an die Versuchsanstalt für Weinbau und Kellerwirtschaft in Blasendorf. Er verließ das sozialistische System enttäuscht und frustriert sehr früh, 1973 siedelte er nach Würzburg um und fand bereits nach zwei Wochen Anschluss und Beschäftigung an der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim. Sein Können und Streben wurden bald schon belohnt, ihm wurde die Leitung eines neu geschaffenen Sachgebietes anvertraut. Als verantwortlicher Leiter durfte er so den Aufbau des Versuchswesens gestalten, einschließlich Unterricht über Versuchstechnik im Weinbau und in der Kellerwirtschaft an der Technikerschule der LWG Veitshöchheim. Karl Müller promovierte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn 1980 zum Dr. Agrar. und übernahm 1986 einen Lehrauftrag für Weinbau an der Technischen Universität München.

Die 80er Jahre stehen für seine kreativste und intensivste Schaffensperiode, aus dieser Zeit stammen allein 18 Veröffentlichungen über Beregnung im Weinbau. Er war beteiligt am Aufbau einer Neuzüchtungen-Prüfungsanlage mit 55 der wichtigsten deutschen Neuzüchtungen und veröffentlichte zahlreiche fachspezifische Arbeiten zur Bodenanalytik, insbesondere zur Nitratproblematik mit den Schwerpunkten Sickerwasseranfall, Mineralisation der organischen Substanz des Bodens u. v. m.

Karl Müller 2011 bei einem Weingutbesuch in ...
Karl Müller 2011 bei einem Weingutbesuch in Neustadt an der Weinstraße. Foto: Helmuth Gaber
Fachgespräche mit Karl Müller waren stets äußerst lehrreich und interessant zugleich, kundige Gesprächspartner reizten ihn regelrecht, er lief dann gern zur Höchstform auf und begeisterte mit seinem schier unerschöpflich breiten Wissen. Gepaart mit der ihm gegebenen Sprachgewalt wurden die von ihm kredenzten Weinproben so zu einem wahren Erlebnis, weniger kundige Weinfreunde fanden hierdurch erst Zugang zur aromatisch, blumig, säurebetonten Welt des Weines.

Am 16. März 1938 in Zuckmantel geboren, ist er seiner Heimat Siebenbürgen bis zuletzt treu geblieben. Er verfügte über hervorragende Kontakte und ein weit verzweigtes Netzwerk zu Universitäten, Forschungsanstalten und einflussreichen Vertretern der rumänischen Weinbranche. Lange vor dem EU-Beitritt Rumäniens unterstützte er in der Moldau zwischen 2001 und 2004 ein zukunftsweisendes Weinbauprojekt zur Gründung einer Gebietswinzergenossenschaft. Ab 2009 widmete er sich dann ganz dem Wiederaufbau der in Bogeschdorf aufgelassenen Weinberge. Mit Leidenschaft und großer Begeisterung spannte Karl Müller alle Beteiligten in das Königsboden-Projekt ein und initiierte so die Neuanlage moderner Weinberge nach aktuellem Stand der deutschen Weinbautechnologie. In langen Diskussionen und stets auch unter Abwägung wirtschaftlicher Gesichtspunkte setzte er den Rahmen für marktfähige Weißweinsorten wie Grauburgunder, Chardonnay und Rhein Riesling, dazu die allen Siebenbürgern bekannten Königsast, Traminer und Muscat. Mit seiner letzten Veröffentlichung „Der Weinbau in Siebenbürgen – vormals und heute“, einer Gemeinschaftsarbeit unter Einbindung des Betriebsleiters von TERRA REGIS, Harald Salceanu, die unlängst im Deutschen Weinbau Jahrbuch 2015 erschienen ist, erlangte er große Aufmerksamkeit unter Fachleuten und dazu eine persönliche Genugtuung, schließlich hinterlässt er ein wertvolles Nachschlagewerk über seine Herzensanliegen, den Weinbau und Siebenbürgen.

Karl Müller war ein feinsinniger und humorvoller Siebenbürger Sachse, der unsere Historie und Kultur sehr verinnerlicht hatte. Während eines Rückflugs von Hermannstadt nach Frankfurt im Frühjahr 2010 breitete er genüsslich zahlreiche Geschichten, Witze und Anekdoten über die Siebenbürger Sachsen aus. Das Ergebnis: Noch während des Flugs wurde der Markenname für den neuen Bogeschdorfer Wein TERRA REGIS, Wein vom Königsboden seit 1318, festgelegt und dann beim Patentamt eingetragen.

Die Jungweine des TERRA REGIS Jahrgangs 2014 konnte Karl Müller noch ausgiebig verkosten und fachkundig kommentieren. Die Weinwelt hat einen Lehrmeister verloren, TERRA REGIS seinen hoch geachteten Vordenker und die Siebenbürger einen guten alten Freund.

Helmuth Gaber

Schlagwörter: Nachruf, Weinbau, Porträt

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