11. Januar 2023

BdV Bayern kritisiert Härtefallregelungen als „unsozial“

Als „instinktlos und unsozial“ hat BdV-Landesvorsitzender Christian Knauer die von der Bundesregierung im November beschlossene „Abmilderung von Härtefällen im Rentenrecht“ bezeichnet. Anstatt die mehrmaligen Kürzungen bei den Berechnungen der Altersrenten für Aussiedler und Spätaussiedler schrittweise zurückzunehmen, versuche man, einen Teil der Betroffenen mit einer Einmalzahlung von 2.500 Euro abzuspeisen.
 Christian Knauer, Vorsitzender des BdV Bayern, ...
Christian Knauer, Vorsitzender des BdV Bayern, beim Heimattag der Siebenbürger Sachsen 2009 in Dinkelsbühl. Foto: Judith Fehlau
Die von der alten Bundesregierung 2021 geplante Ausgestaltung des Fonds war hinsichtlich der Leistungshöhe eine „Kompromisslösung“, die ebenfalls dem Schicksal wie der Lebensleistung der Betroffenen nicht wirklich entsprochen hätte. Der Bund der Vertriebenen (BdV) werde weiterhin auf eine deutliche Nachbesserung der nunmehr beschlossenen Ausgestaltung des Härtefallfonds für Spätaussiedler, jüdische Kontingentflüchtlinge und Härtefälle aus der Ost-West-Rentenüberleitung drängen, auch um ein Abdriften von enttäuschten Landsleuten an die politischen Ränder aktiv und entschlossen entgegenzuwirken.

Auch BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius hat Anfang Dezember in einer Presseerklärung deutlich gemacht, dass sich der BdV weiter dafür einsetzen werde, Generationengerechtigkeit im Rentenrecht für die Aussiedler und Spätaussiedler über die Rücknahme der Kürzungen im Fremdrentenrecht zu erwirken. Ungerechte gesetzliche Regelungen, die den Weg in die Altersarmut zur Folge haben, gehörten abgeschafft. Die Kabinettsentscheidung stützt sich, so der BdV-Präsident, auf die Zustimmungen der jeweiligen Beauftragten der Bundesregierung für die Anliegen der Betroffenen. Sowohl die Beauftragte für die Anliegen der Spätaussiedler und deutschen Minderheiten, Natalie Pawlik, MdB, als auch jener für Ostdeutschland, Carsten Schneider, MdB, hätten der Mittelabsenkung durch das federführende Bundesministerium für Arbeit und Soziales zugestimmt.

Nach langen Debatten hatte 2021 die Regierung unter Angela Merkel den Härtefallfonds als Ausgleich für die niedrigen Renten und als Anerkennung der Lebensleistung auf den Weg angedacht. Durch die Bereitstellung eines Haushaltsbetrages von 1 Milliarde Euro als Anteil des Bundes und der Planung einer ebenso nachhaltigen Beteiligung der Länder beabsichtigte man einen Ausgleich für Härten in der rentenrechtlichen Eingliederung voranzubringen. Die neue Bundesregierung habe diesen Ansatz nunmehr völlig unzureichend durch eine untergesetzliche Übertragung der um die Hälfte gekürzten Bundesmittel in eine nichtrechtsfähige Stiftung des Privatrechts, gekrönt von der Entlassung der Länder aus der ursprünglich angedachten Pflicht zur Beteiligung, umgesetzt.

Mit ihrer Entscheidung hat die Ampelkoalition die Basis für eine würdige Regelung für den betroffenen oder begünstigten Personenkreis entzogen. Konnten die Betroffenen – nach den alten Plänen mit gleichwertiger Beteiligung der Länder – mit einer Ausstattung des Fonds in Höhe von rund zwei Milliarden Euro rechnen, so soll nunmehr eine halbe Milliarde ausreichen, um Nachteile zu mildern, die durch gesetzliche oder fehlende gesetzliche Regelungen erst entstanden sind. Zu beklagen ist zudem, dass neben jüdischen Kontingentflüchtlingen und Ostrentnern, die durch die Rentenüberleitung besonders benachteiligt sind, nur Spätaussiedler und nicht auch Aussiedler zu dem Kreis der Anspruchsberechtigten zählen. Als Aussiedler werden jene Vertriebenen bezeichnet, die bis zum 31. Dezember 1992 in Deutschland Aufnahme gefunden haben. Aber auch innerhalb der Gruppe der Spätaussiedler ist der Personenkreis nunmehr eingegrenzt. Der Anspruch soll nur erfüllt sein, wenn der Spätaussieder bei Einreise das 50. Lebensjahr überschritten und vor dem 1. April 2012 in Deutschland Aufnahme gefunden hatte sowie am 1. Januar 2021 in Rente stand. Die Umsetzung des Härtefallfonds soll eine beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales noch zu errichtende Bundesstiftung übernehmen, in die der Bund die entsprechenden Mittel einzahlt. Innerhalb von drei Jahren soll dann die Auszahlung an die Betroffenen erfolgen. Wie in einer Presseerklärung der Bundesregierung zu lesen ist, müsse die gesetzliche Rente zudem „in Grundsicherungsnähe“ liegen, um einen Anspruch auszulösen. Das Antragsverfahren solle bis zum 30. September 2023 beendet sein. Die geplante Einmalzahlung in Höhe von einmalig 2.500 Euro solle somit zur Abmilderung von empfundenen Härten beitragen und die Lebensleistung anerkennen.

Nach Berechnungen der BdV-Bundesgeschäftsstelle könnten somit maximal 200.000 Menschen von der Neuregelung profitieren. Dabei rechnet man lediglich mit rund 60.000 berechtigten Spätaussiedlern, obwohl rund 750.000 Spätaussiedler Rentenbezieher sind und nur wenige ausreichend hohe Renten beziehen. Angesichts dieser Daten wird diese Härtefallfondslösung zur Bekämpfung der Altersarmut unter den Spätaussiedlern kaum beitragen und durch die hohen Energiepreise sowie die aktuelle Inflation unbemerkt verpuffen. Außerdem bleibe die Gruppe der Aussiedler ausgeschlossen, obwohl auch diese von den Kürzungen im Fremdrentenrecht in den 1990er Jahren stark betroffen sind.

Auch wenn die Planungen der Bundesregierung, so Knauer, „völlig unzureichend“ seien, bleibt zumindest zu hoffen, dass ähnlich wie in der ursprünglichen Planung auch die Bundesländer zu einer Zusatzausstattung des Härtefallfonds beitrügen. Hierfür räumt ihnen der Härtefallfonds bislang eine Frist bis zum 31. März 2023 ein. Eine Frist, die aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und der hohen ­Erwartungen an die Höhe der Zusatzmittel nicht haltbar erscheint, da die Länder an ihre eigene Haushaltsgesetzgebung gebunden sind. Daher wäre es der Sache zuträglich, wenn der Bund den Fonds offenhalten und Zustiftungen und Beteiligungen längerfristig möglich wären.

Es sei mehr als „schmerzlich und unsozial“, so BdV-Landesvorsitzender Christian Knauer, dass die vor 25 Jahren beschlossenen einschneidenden Kürzungen im Rentenrecht für Aus- und Spätaussiedler nicht abgebaut worden seien. Dadurch hätten sich Altersarmut und Abhängigkeit der Spätaussiedler von staatlichen Leistungen im Alter deutlich manifestiert, obwohl die Menschen langjährig beschäftigt waren, zum Wohlstand des Landes und zur Wirtschaftsleistung im hohen Maße beigetragen und für ihre Lebensleistung Respekt, Anerkennung und eine angemessene Versorgung im Alter verdient hätten. Die Absenkung um 40 Prozent, die Deckelung der Entgeltpunkte, die pauschale Kürzung der Kindererziehungszeiten sowie die Ausgrenzung der nichtdeutschen Ehepartner aus dem Rentenrecht seien die Hauptursachen der Altersarmut von Aussiedlern und Spätaussiedern. Fast überall seien sie es selbst, die in den Familien die Hauptlast der finanziellen Versorgung im Alter tragen, weil ihre nichtdeutschen Ehepartner keine Anerkennung der Renten aus den Herkunftsgebieten erfahren würden. Hinzu komme, dass Aussiedler und Spätaussiedler lange Zeit, ebenfalls aufgrund politischer Versäumnisse, große Schwierigkeiten mit der Anerkennung ihrer Berufs- und Bildungsabschlüsse hatten und so auch keine ausreichende rentenrechtliche Absicherung aufbauen konnten.

Enttäuscht über den Kabinettsbeschluss zeigte sich auch BdV-Vizepräsident und Bundesvorsitzender der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung der CDU/CSU, Egon Primas. „Mit diesem Beschluss kann keine der Zielgruppen dieses Härtefallfonds zufrieden sein, zumal er weit von einem sozialen Ausgleich entfernt ist. Er fällt eklatant hinter die von der letzten Koalition bereits beschlossenen Beträge zurück.“ Mit den Stichtagsregelungen würden große Teile der Aussiedler und Spätaussiedler aus der Regelung ausgeschlossen. Vor der Bundestagswahl seien Anerkennungszahlungen in Höhe von 10.000 Euro pro Fall im Gespräch gewesen. Zur Wahrheit gehöre auch, dass die neue Bundesregierung den Härtefallfonds gar nicht mehr umsetzen wollte. Erst nach vehementen Forderungen der Bundestagsabgeordneten Ottilie Klein, Silke Launert sowie Christoph de Vries habe die Ampel überhaupt eine Anerkennungsleistung für die Betroffenen beschlossen. Es mache fassungslos, dass die Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen, die selbst aus dem Personenkreis stammt, der Mittelkürzung durch die Bundesregierung und dem Ausschluss der Aussiedler aus der neuen Regelung ausdrücklich zugestimmt hat. Die Union stehe nach wie vor zur ihrem Regierungsprogramm zur Bundestagswahl 2021. Dort heiße es wörtlich: „Wir wollen Aussiedler und Spätaussiedler sowie jüdische Kontingentflüchtlinge besser stellen und rentenrechtliche Benachteiligungen beseitigen.“

Quelle: Bund der Vertriebenen (BdV), Landesverband Bayern

Schlagwörter: BdV, Politik, Rente, Aussiedler

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