12. März 2021

Die Saiten sind verstummt: Zum Tod des renommierten Cellisten Wolfgang Boettcher

Am 24. Februar 2021 ist der renommierte Cellist Wolfgang Boettcher im Alter von 86 Jahren überraschend in Berlin verstorben. Boettcher – in Berlin geboren, mit siebenbürgischen Wurzeln – gehörte von 1958 bis 1976 als Solocellist den Berliner Philharmonikern an und war Gründungsmitglied des weltweit bekannten Ensembles „Zwölf Cellisten der Berliner Philharmoniker“ sowie des Brandis-Quartetts. Als Solist konzertierte er weltweit mit vielen bedeutenden Orchestern, Musikern und Dirigenten, so mit Herbert von Karajan, Sergiu Celibidache, Yehudi Menuhin, Witold Lutoslawski oder Dietrich Fischer-Diskau und trat auf den größten Bühnen der Welt auf: bei den Berliner und Wiener Festwochen, den Salzburger Festspielen, dem Festival Marais Paris, dem English Bach Festival oder den Festspielen in Lockenhaus und Kuhmo. Konzertreisen führten ihn rund um den Globus durch alle europäischen Länder, nach Japan, Amerika, Ostasien und Israel.
Das Trio der Geschwister Boettcher: Ursula, ...
Das Trio der Geschwister Boettcher: Ursula, Wolfgang und Marianne (von links). Foto: privat
Wolfgang Boettchers Repertoire als Solist umfasste alle großen Werke der klassischen Celloliteratur. Aber Boettchers Interesse galt ebenso auch der Gegenwartsliteratur. Etliche Komponisten haben eigene Werke für den geschätzten Cellisten geschrieben, darunter Aribert Reimann, Giselher Klebe und Hans Vogt. Viele namhafte Komponisten schätzen den Interpreten Boettcher und vertrauten ihm ihre Werke an, etwa György Ligeti, Henri Dutilleux oder Witold Lutoslawski. Seine Position als Solocellist der Berliner Philharmoniker gab er 1976 auf, um sich ganz der Solistenkarriere wie auch der Kammermusik widmen zu können. Gleichzeitig übernahm er auch eine Professur für Cello an der Hochschule der Künste (HdK) Berlin. Als begehrter Pädagoge hat er hervorragende Cellisten ausgebildet. Allein bei den Berliner Philharmonikern sind es sieben Mitglieder der Cellogruppe, die seine Schüler waren. Auch das genügte dem umtriebigen Musiker nicht. Von 1986-1992 war er Künstlerischer Leiter der Sommerlichen Musiktage Hitzacker und seit 1988 auch Mitglied der Bayerischen Akademie der schönen Künste. Bei internationalen Kursen in Europa war er ein begehrter Pädagoge.

Der in Berlin geborene Musiker entstammte einer weitverzweigten Hermannstädter Künstlersippe, derer von Larcher – Hochmeister – Hannenheim, die schon etliche berühmte Musiker hervorgebracht hatte. Bereits der Ururgroßvater Martin Hochmeister d. Ä. hatte bleibenden Ruhm erworben durch die Errichtung des ersten ständigen Theaters Siebenbürgens (und darüber hinaus) im „Dicken Turm“ von Hermannstadt (1788). Die Großmutter Mathilde von Larcher (1870-1942) avancierte zu einer begehrten Opern- und Oratorien-Sängerin auf den Bühnen Europas. Deren Tochter Hildegard (1908-2009) zog zum Klavierstudium von Hermannstadt nach Berlin. Hier lernte sie den Musiker Hans Boettcher kennen. Aus ihrer Ehe (1932) gingen drei Kinder hervor, die Hildegard in schwierigen Kriegszeiten mit bewundernswerter Energie großziehen wird, denn der frontuntaugliche Hans wird als Vollkssturmmann einem sinnlosen Krieg zum Opfer fallen. Die tapfere Mutter geht Torf stechen, sammelt erfrorene Kartoffeln vom Acker und mahlt aus Eicheln ein bitteres Mehl, versteht es aber, ihren Kindern die Liebe zur Musik weiterzugeben. Alle drei sind hervorragende Musiker geworden: Ursula Trede-Boettcher (*1933), eine angesehene Pianistin, Organistin und Kammermusikerin, Wolfgang (*1935), der gefeierte Berliner Cello-Star, und Marianne Boettcher (*1940), die berühmte Geigerin und Professorin an der Universität der Künste Berlin. Oft sind die Geschwister zusammen aufgetreten. Die Diskographie der von ihnen eingespielten Werke ist erheblich. So traten sie auch wiederholt bei den Veranstaltungen des Künstlerprojektes „musica suprimata“ mit Konzerten in Klausenburg, Temeswar und Hermannstadt auf. Diese Plattform ist um die Pflege „verfemter“ Künstler des Naziregimes bemüht. Zu diesen zählt auch ein Vertreter der eigenen Familie: Norbert von Hannenheim, einer der eigenwilligsten Schönbergschüler, der in den Kriegswirren tragisch endete und dessen Werk fast zur Gänze vernichtet wurde.

Wolfgang Boettcher war mit Regine Vollmar verheiratet. Aus der Ehe gingen fünf Kinder, ein Sohn und vier Töchter, darunter die Schauspielerin Anna Boettcher hervor.

Nun sind die vier Saiten des Boettchercellos verstummt. Er wird als ein bedeutender Doyen des Cellospiels in Erinnerung bleiben.

Prof. Heinz Acker

Schlagwörter: Kulturspiegel, Nachruf, Musiker, Cellist, Berlin, Hermannstadt, Porträt

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