14. April 2008
Dr. Christoph Bergner: Rentner sollen nicht zusätzlich belastet werden
Dr. Christoph Bergner, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, will sich dafür einsetzen, dass die siebenbürgisch-sächsischen Rentner nicht durch zusätzliche Bürokratie belastet werden. In einem Interview mit dieser Zeitung zeigte er großes Verständnis für die bedrückende Situation der von massiven Rentenkürzungen betroffenen Landsleute. Vor 37 Jahren hatte Bergner als Student aus der damaligen DDR Siebenbürgen kennen und schätzen gelernt. Als Festredner beim Heimattag 2006 in Dinkelsbühl, aber auch bei mehrfachen Besuchen in Rumänien, zuletzt auch in Gesprächen mit Vertretern des landsmannschaftlichen Verbandes am 2. Mai 2007 in Berlin hat der CDU-Politiker aus Thüringen stets große Sympathie für die Siebenbürger bekundet und erklärt, sich für konstruktive Lösungen einsetzen zu wollen. Er vertritt die Überzeugung, dass die Bundesregierung die historisch-moralische Verantwortung Deutschlands wahrnimmt und im Rahmen der Hilfenpolitik weiterhin Solidarität mit der deutschen Minderheit in Rumänien ausübt. Die Fragen stellte Siegbert Bruss.
Die deutsche Minderheit in Rumänien wird in diesem Jahr mit knapp 1,7 Millionen Euro durch das Bundesinnenministerium unterstützt, das Auswärtige Amt fördert Kulturprojekte in Höhe von 600.000 Euro, und aus Rückflussmitteln stehen den fünf forumsnahen Wirtschaftsstiftungen weitere 1,3 Millionen Euro zur Verfügung. Welche Schwerpunkte setzen Sie mit dieser Förderung?
Wir führen die bisherigen Schwerpunkte natürlich fort, das heißt, wir setzen einen wesentlichen Teil, fast drei Viertel unserer jährlichen Zuwendung, für den Bereich der humanitären Hilfen ein. Praktisch zwei Drittel dieser Hilfen, stellen wir dabei für die Finanzierung der Altenheime in Hermannstadt, Temeswar und Kronstadt-Blumenau zur Verfügung. Darüber hinaus fördern wir die Stiftungen und die Jugendarbeit als weitere wichtige Bereiche. Das sind also die Schwerpunkte, die das Bundesinnenministerium durch seine jährliche Förderung abdeckt. Das Auswärtige Amt unterstützt Kulturprojekte. Die Rückflussmittel der Stiftungen werden in Eigenverantwortung der Stiftungen wieder für Wirtschaftshilfen eingesetzt, zum Teil auch für Reparaturmaßnahmen an Begegnungsstätten u.a.m.
Am 26. und 27. März hat die erste Sitzung der deutsch-rumänischen Regierungskommission für Angelegenheiten der deutschen Minderheit nach dem EU-Beitritt Rumäniens in Bukarest stattgefunden. Es wurde ein Protokoll zur gemeinsamen Zusammenarbeit mit dem Ziel unterzeichnet, die Identität und das kulturelle Erbe der Rumäniendeutschen zu wahren. Welche konkreten Ergebnisse wurden bei dieser 12. Sitzung erzielt?
Ein konkretes Ergebnis der 12. Sitzung ist zunächst einmal, wie bei allen Regierungskommissionen, dass wir uns wechselseitig über das, was wir getan haben und planen, informieren. Der rumänische Staat hat erfreulicherweise die finanzielle Unterstützung im Rahmen seiner gestockt – sie liegt jetzt bei 1,42 Millionen Euro. Auch wir haben unsere Beträge dargelegt, haben uns wechselseitig verständigt und haben uns auch dafür eingesetzt, dass diese Förderung fortgesetzt wird. Wir haben zum Zweiten sichergestellt, dass die Stiftungen in ihrem Arbeitsrahmen unverändert bleiben. Die rumänische Seite stellt weiterhin sicher, dass Zollbefreiungen im Falle von Importen von Hilfsleistungen und Ausrüstungen gewährt werden. Diese Regelungen sollen einheitlich über das ganze Territorium Rumäniens angewendet werden. Ein etwas schwieriger Diskussionspunkt war die Finanzierung der Altenheime. Bereits seit der Regierungskommission im Jahr 2005 hatten wir vereinbart, dass der Zuschuss des rumänischen Staates pro Altenheimbewohner erhöht wird, und zwar auf das Niveau, das für die Altenbetreuung in Rumänien im Durchschnitt pro Altenheimbewohner bezahlt wird. Diese Zusage wurde bisher nicht eingelöst. Ich bedauere, dass es uns nicht gelungen ist, mit den anwesenden Vertretern des Sozialministeriums Rumäniens einen dementsprechenden Anstieg der Zuwendung für die Altenheime zu vereinbaren.
Haben Sie mit der rumänischen Seite vereinbart, die Verhandlungen fortzusetzen?
Wir betrachten die derzeitige Situation als unbefriedigend. Ich möchte aber klar sagen: Wir bekennen uns zu unserer Aufgabe der Finanzierung der Altenheime. Wir werden jetzt durch überplanmäßige Haushaltsmittel unsere Zuwendungen aufstocken müssen, weil der rumänische Staat den Erwartungen nicht nachkommt. Aber ich habe umgekehrt keinen Zweifel daran gelassen, dass wir uns die Finanzierung der Altenheime in Partnerschaft mit dem rumänischen Staat wünschen, denn es geht immerhin um die Betreuung rumänischer Staatsbürger. Wir müssen weiter eine partnerschaftliche Lösung suchen. Meine Co-Vorsitzende, die Staatssekretärin Matache aus dem Außenministerium, hat großes Verständnis für unsere Wünsche, aber die anwesenden Vertreter des Sozialministeriums haben sich nicht in der Lage ge- sehen, eine konkrete Entscheidung zu treffen. Deshalb werden die Verhandlungen fortgeführt, auch unter dem Gesichtspunkt, dass wir nach Möglichkeiten suchen wollen, wie wir auch in diesem Bereich EU-Mittel einwerben können. Ich denke, dass die Einwerbung von EU-Mitteln in unserer künftigen Zusammenarbeit wichtig sein wird. Der rumänische Staat hat Anspruch auf erhebliche Strukturfondsmittel und braucht geeignete Projekte. Die deutsche Minderheit kann einen Beitrag leisten, dass EU-Projekte nach Rumänien kommen und das Feld der Sozialarbeit ist eines der Felder, auf dem das geschehen kann.
Wir befürworten es sehr, dass die Minderheit auch als eine Brücke gesehen wird und dass sich Europa in seinen Strukturen zur europäischen Siedlungsgeschichte bekennt. Und dazu gehört beispielsweise, dass vor über 850 Jahren deutsche Siedlungen in Siebenbürgen und vor 250 Jahren im Banat entstanden. Aufbauend auf den Realitäten der deutschen Siedlungsgeschichte, die man im Vereinten Europa neu zur Geltung bringen kann, wollen wir einen Beitrag zu einer besonderen Form der europäischen Zusammenarbeit leisten. Ich sage noch einmal, wir wissen sehr wohl, die Kollegin Matache genauso wie ich, es geht zahlenmäßig um 60.000 Deutsche in Rumänien, es geht auch um eine größere Zahl in Deutschland, die sich der Verbindung mit der alten Heimat verpflichtet fühlen. Das europäische Haus braucht viele Bausteine und diese Zusammengehörigkeit kann einer der Bausteine sein.
Ich halte das Anliegen für sehr wichtig und stehe diesbezüglich auch mit dem Verband der Siebenbürger Sachsen im Kontakt. Die Frage der Übertragung von Rentenleistungen für Aussiedler betrifft nicht nur die Rumäniendeutschen, sondern auch die Russlanddeutschen, die aus den baltischen Staaten zugezogen sind. Es ist ein Problem, das wir in der nächsten Sitzung des Aussiedlerbeirates erörtern wollen. Federführend ist das Bundesarbeits- und Sozialministerium. Ich habe mich bei den Gesprächen in Rumänien überzeugen können, dass mein Kollege Klaus Brandner (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium, hier bereits einen Termin mit der rumänischen Regierung vereinbart hat. Als Aus- siedlerbeauftragter der Bundesregierung werde ich schon bei der nächsten Aussiedlerbeiratssitzung einen Bericht des federführenden Hauses einfordern. Wir wollen, dass die Übertragung der Fremdrentenleistungen für den Einzelnen nicht mit zusätzlichen bürokratischen Belastungen verbunden ist.
Plant der deutsche Gesetzgeber – und das wäre dann eine weitere Hiobsbotschaft für uns Aussiedler – weitere Änderungen, sprich Kürzungen, im Bereich der Fremdrenten?
Mir sind entsprechende Absichten nicht bekannt. Ich bedauere rückblickend, dass die Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils so restriktiv erfolgte und in einen allgemeinen Gesetzgebungsvorgang eingebettet war, nämlich die Verlängerung der Lebensarbeitszeit bzw. Verschiebung des Rentenantrittsalters. Das war eine grundsätzliche rentenrechtliche Entscheidung, die von so allgemeiner Bedeutung war, dass die Debatte über die Fremdrenten an den Rand gedrängt wurde. Dies habe ich als Aussiedlerbeauftragter bedauert, aber nicht verhindern können. Das Problem der Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils ist in der parlamentarischen Beratung sehr kurz gekommen.
Zunächst müssen wir würdigen, dass es dem zuständigen Kulturstaatsminister Dr. Bernd Neumann unmittelbar nach dem Regierungsantritt gelungen ist, bereits beim Haushalt 2006 die Mittel nach Paragraph 96 des Bundesvertriebenengesetzes um eine Million Euro aufzustocken. Es war ein wichtiges Zeichen, dass man trotz schwieriger Haushaltslage gewillt ist, eine Korrektur des vorherigen Kurses durchzusetzen. Wie sich das jetzt auf die einzelnen Landsmannschaften auswirkt, überblicke ich nicht. Mir sind diese Anliegen aber wichtig. Ich kann generell sagen, dass wir in Zukunft ein großes Augenmerk darauf legen müssen, dass unsere Hilfenpolitik für die deutschen Minderheiten im Ausland immer eng verkoppelt bleibt mit der Erhaltung und Pflege der deutschen Volksgruppenkultur, sowohl über die Landsmannschaften als auch über die Minderheiten im Ausland. Ich mache mir zum Beispiel ein bisschen Sorge über die Fluktuation von deutschsprachigen Lehrern in Rumänien. Wir haben dort ein erfreulich hohes Maß an deutscher Muttersprachbindung, die in Polen oder in den Nachfolgestatten der Sowjetunion oft verloren gegangen ist. Wenn unsere Hilfenpolitik nachhaltig sein soll, müssen wir die kulturelle Förderung stärker in den Blick nehmen.
Besteht die Möglichkeit, sich für die Gundelsheimer Kultureinrichtungen beim zuständigen Kulturstaatsminister Neumann stark zu machen?
Dies ist die originäre Ressortzuständigkeit des Kulturstaatsministers. Trotz meiner großen Sympathie gerade für die siebenbürgisch-sächsische Kultur kann ich mich da nur begrenzt einmischen.
Die genaue Bezeichnung für das Gremium lautet Spätaussiedlerbeirat. Er arbeitet auf der Grundlage eines Einsetzungsbeschlusses, der im Nachgang zum Zuwanderungsgesetz von der Vorgängerregierung verabschiedet wurde, und bezieht sich formal auf Spätaussiedler, die nach dem 31. Dezember 1992 zugezogen sind, und das sind in der überwiegenden Mehrheit Russlanddeutsche. Insofern ist es auch verständlich, auch wegen der großen Zahl und der damit verbundenen Probleme, dass eine Konzentration auf die Russlanddeutschen stattgefunden hat. Sie merken aber bei der Fremdrentenproblematik, dass ich meine Aufgabe darin sehe, die Dinge im Zusammenhang zu sehen. Ich möchte auch Anfang September 2008 in einer speziellen Fachkonferenz anlässlich des 20. Jahrestages zur Berufung des ersten Aussiedlerbeauftragten, Horst Waffenschmidt, die Problematik von Aussiedlern und deutschen Minderheiten übergreifend behandeln, denn das politisch-moralische Anliegen ist ja das Gleiche. Auch in der Koalitionsvereinbarung wird es in einem Kontext behandelt, und wir dürfen nicht zulassen, dass wir bei aller Besonderheit der Probleme die Anliegen in ganz unterschiedliche Kategorien auflösen. Klar ist, der Einsetzungsbeschluss dieses Gremiums bezieht sich auf Spätaussiedler, während die allermeisten Rumäniendeutschen Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre gekommen und insofern Aussiedler im klassischen Sinne sind.
Sehen Sie es als Ihre Aufgaben als Aussiedlerbeauftragter, an der Schnittstelle zwischen den Anliegen dieser Bürger, die offenbar in der Politik keine so starke Lobby haben, sowie der Bundesregierung und dem Gesetzgeber zu agieren?
Ich bekenne mich ausdrücklich zu dieser Verantwortung und nehme sie auch gerne wahr. Ich sehe auch die Notwendigkeit, das gemeinsame moralisch-politische Anliegen, das sich aus der Bewältigung des Kriegsfolgenschicksals ableitet, gegenüber den Deutschen als Minderheit im Ausland und gegenüber denen, die als Aussiedler zu uns gekommen sind, zusammen zu behandeln. Und dass es als besonderes Anliegen im Bereich der Zuwanderungspolitik gesehen wird. Wir reden bei der Zuwanderungspolitik im Moment überwiegend über die Probleme der Ausländerintegration. Die Aussiedlerpolitik darf nicht vergessen werden, und wir müssen Wert darauf legen, dass Aussiedlerpolitik nicht irgendeine Zuwanderungspolitik ist, sondern ein Teil einer besonderen moralisch-politischen Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Wir führen die bisherigen Schwerpunkte natürlich fort, das heißt, wir setzen einen wesentlichen Teil, fast drei Viertel unserer jährlichen Zuwendung, für den Bereich der humanitären Hilfen ein. Praktisch zwei Drittel dieser Hilfen, stellen wir dabei für die Finanzierung der Altenheime in Hermannstadt, Temeswar und Kronstadt-Blumenau zur Verfügung. Darüber hinaus fördern wir die Stiftungen und die Jugendarbeit als weitere wichtige Bereiche. Das sind also die Schwerpunkte, die das Bundesinnenministerium durch seine jährliche Förderung abdeckt. Das Auswärtige Amt unterstützt Kulturprojekte. Die Rückflussmittel der Stiftungen werden in Eigenverantwortung der Stiftungen wieder für Wirtschaftshilfen eingesetzt, zum Teil auch für Reparaturmaßnahmen an Begegnungsstätten u.a.m.
Am 26. und 27. März hat die erste Sitzung der deutsch-rumänischen Regierungskommission für Angelegenheiten der deutschen Minderheit nach dem EU-Beitritt Rumäniens in Bukarest stattgefunden. Es wurde ein Protokoll zur gemeinsamen Zusammenarbeit mit dem Ziel unterzeichnet, die Identität und das kulturelle Erbe der Rumäniendeutschen zu wahren. Welche konkreten Ergebnisse wurden bei dieser 12. Sitzung erzielt?
Ein konkretes Ergebnis der 12. Sitzung ist zunächst einmal, wie bei allen Regierungskommissionen, dass wir uns wechselseitig über das, was wir getan haben und planen, informieren. Der rumänische Staat hat erfreulicherweise die finanzielle Unterstützung im Rahmen seiner gestockt – sie liegt jetzt bei 1,42 Millionen Euro. Auch wir haben unsere Beträge dargelegt, haben uns wechselseitig verständigt und haben uns auch dafür eingesetzt, dass diese Förderung fortgesetzt wird. Wir haben zum Zweiten sichergestellt, dass die Stiftungen in ihrem Arbeitsrahmen unverändert bleiben. Die rumänische Seite stellt weiterhin sicher, dass Zollbefreiungen im Falle von Importen von Hilfsleistungen und Ausrüstungen gewährt werden. Diese Regelungen sollen einheitlich über das ganze Territorium Rumäniens angewendet werden. Ein etwas schwieriger Diskussionspunkt war die Finanzierung der Altenheime. Bereits seit der Regierungskommission im Jahr 2005 hatten wir vereinbart, dass der Zuschuss des rumänischen Staates pro Altenheimbewohner erhöht wird, und zwar auf das Niveau, das für die Altenbetreuung in Rumänien im Durchschnitt pro Altenheimbewohner bezahlt wird. Diese Zusage wurde bisher nicht eingelöst. Ich bedauere, dass es uns nicht gelungen ist, mit den anwesenden Vertretern des Sozialministeriums Rumäniens einen dementsprechenden Anstieg der Zuwendung für die Altenheime zu vereinbaren.
Haben Sie mit der rumänischen Seite vereinbart, die Verhandlungen fortzusetzen?
Wir betrachten die derzeitige Situation als unbefriedigend. Ich möchte aber klar sagen: Wir bekennen uns zu unserer Aufgabe der Finanzierung der Altenheime. Wir werden jetzt durch überplanmäßige Haushaltsmittel unsere Zuwendungen aufstocken müssen, weil der rumänische Staat den Erwartungen nicht nachkommt. Aber ich habe umgekehrt keinen Zweifel daran gelassen, dass wir uns die Finanzierung der Altenheime in Partnerschaft mit dem rumänischen Staat wünschen, denn es geht immerhin um die Betreuung rumänischer Staatsbürger. Wir müssen weiter eine partnerschaftliche Lösung suchen. Meine Co-Vorsitzende, die Staatssekretärin Matache aus dem Außenministerium, hat großes Verständnis für unsere Wünsche, aber die anwesenden Vertreter des Sozialministeriums haben sich nicht in der Lage ge- sehen, eine konkrete Entscheidung zu treffen. Deshalb werden die Verhandlungen fortgeführt, auch unter dem Gesichtspunkt, dass wir nach Möglichkeiten suchen wollen, wie wir auch in diesem Bereich EU-Mittel einwerben können. Ich denke, dass die Einwerbung von EU-Mitteln in unserer künftigen Zusammenarbeit wichtig sein wird. Der rumänische Staat hat Anspruch auf erhebliche Strukturfondsmittel und braucht geeignete Projekte. Die deutsche Minderheit kann einen Beitrag leisten, dass EU-Projekte nach Rumänien kommen und das Feld der Sozialarbeit ist eines der Felder, auf dem das geschehen kann.
Deutsch-rumänische Beziehungen als europäisches Modell
Bei der Unterzeichnung des Protokolls sprachen Sie und Staatssekretärin Răduța Matache von einem auf „europäischer Ebene gültigen Modell der Zusammenarbeit“. Welches sind die Vorzüge dieser bilateralen Zusammenarbeit, die europaweit Schule machen könnten?Wir befürworten es sehr, dass die Minderheit auch als eine Brücke gesehen wird und dass sich Europa in seinen Strukturen zur europäischen Siedlungsgeschichte bekennt. Und dazu gehört beispielsweise, dass vor über 850 Jahren deutsche Siedlungen in Siebenbürgen und vor 250 Jahren im Banat entstanden. Aufbauend auf den Realitäten der deutschen Siedlungsgeschichte, die man im Vereinten Europa neu zur Geltung bringen kann, wollen wir einen Beitrag zu einer besonderen Form der europäischen Zusammenarbeit leisten. Ich sage noch einmal, wir wissen sehr wohl, die Kollegin Matache genauso wie ich, es geht zahlenmäßig um 60.000 Deutsche in Rumänien, es geht auch um eine größere Zahl in Deutschland, die sich der Verbindung mit der alten Heimat verpflichtet fühlen. Das europäische Haus braucht viele Bausteine und diese Zusammengehörigkeit kann einer der Bausteine sein.
Enorme Rentenkürzungen bedrücken die Siebenbürger Sachsen
Ich möchte einige Entwicklungen ansprechen, die unsere Landsleute bedrücken und ihnen zu schaffen machen. Ich beziehe mich in erster Linie auf die enormen Rentenkürzungen, die 1996 beschlossen wurden, die 2007 durch restriktive Übergangsbestimmungen der Bundesregierung bestätigt wurden, was unsere ältere Generation und deren Nachkommen sehr stark belastet und teilweise in die Armut drängt. Als starke Belastung kommt neuerdings hinzu, dass die Rentner ihre in Rumänien zurückgelegten Zeiten gegenüber den rumänischen Behörden geltend machen müssen, die dann auf ein rumänisches Bankkonto ausgezahlt und von der deutschen Rente abgezogen werden sollen. Können Sie sich vorstellen, dass ein institutioneller Austausch der Rentenversicherungsträger in Deutschland und Rumänien stattfindet, um die erwähnte individuelle Belastung der Rentner zu vermeiden? Welche anderen Chancen sehen Sie, dass man diesen geplagten und zum Teil enttäuschten älteren Bürgern helfen kann?Ich halte das Anliegen für sehr wichtig und stehe diesbezüglich auch mit dem Verband der Siebenbürger Sachsen im Kontakt. Die Frage der Übertragung von Rentenleistungen für Aussiedler betrifft nicht nur die Rumäniendeutschen, sondern auch die Russlanddeutschen, die aus den baltischen Staaten zugezogen sind. Es ist ein Problem, das wir in der nächsten Sitzung des Aussiedlerbeirates erörtern wollen. Federführend ist das Bundesarbeits- und Sozialministerium. Ich habe mich bei den Gesprächen in Rumänien überzeugen können, dass mein Kollege Klaus Brandner (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium, hier bereits einen Termin mit der rumänischen Regierung vereinbart hat. Als Aus- siedlerbeauftragter der Bundesregierung werde ich schon bei der nächsten Aussiedlerbeiratssitzung einen Bericht des federführenden Hauses einfordern. Wir wollen, dass die Übertragung der Fremdrentenleistungen für den Einzelnen nicht mit zusätzlichen bürokratischen Belastungen verbunden ist.
Plant der deutsche Gesetzgeber – und das wäre dann eine weitere Hiobsbotschaft für uns Aussiedler – weitere Änderungen, sprich Kürzungen, im Bereich der Fremdrenten?
Mir sind entsprechende Absichten nicht bekannt. Ich bedauere rückblickend, dass die Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils so restriktiv erfolgte und in einen allgemeinen Gesetzgebungsvorgang eingebettet war, nämlich die Verlängerung der Lebensarbeitszeit bzw. Verschiebung des Rentenantrittsalters. Das war eine grundsätzliche rentenrechtliche Entscheidung, die von so allgemeiner Bedeutung war, dass die Debatte über die Fremdrenten an den Rand gedrängt wurde. Dies habe ich als Aussiedlerbeauftragter bedauert, aber nicht verhindern können. Das Problem der Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils ist in der parlamentarischen Beratung sehr kurz gekommen.
Gundelsheimer Kultureinrichtungen sind stark unterfinanziert
Die rot-grüne Bundesregierung hat ab 1998 sehr viele Kulturfördermittel für Vertriebene und Aussiedler gestrichen. Die neue Bundesregierung (CDU-/CDU und SPD) hat bei ihrem Antritt im Jahr 2006 angekündigt, die Kulturarbeit gemäß Paragraph 96 des Bundesvertriebe- nengesetzes (BVFG) wieder stärker zu fördern. Bisher wird die kulturelle Breitenarbeit des Verbandes der Siebenbürger Sachsen nur ungenügend unterstützt, und das Siebenbürgen-Institut mit Bibliothek bleibt sehr stark unterfinanziert. Ein Forschungsbetrieb in Gundelsheim ist nur in sehr beschränktem Maße möglich, obwohl es Fachleute gibt, die sich engagieren würden. Was kann man in diesem Bereich bewegen, damit Kulturarbeit wieder unter akzeptablen Bedingungen möglich ist?Zunächst müssen wir würdigen, dass es dem zuständigen Kulturstaatsminister Dr. Bernd Neumann unmittelbar nach dem Regierungsantritt gelungen ist, bereits beim Haushalt 2006 die Mittel nach Paragraph 96 des Bundesvertriebenengesetzes um eine Million Euro aufzustocken. Es war ein wichtiges Zeichen, dass man trotz schwieriger Haushaltslage gewillt ist, eine Korrektur des vorherigen Kurses durchzusetzen. Wie sich das jetzt auf die einzelnen Landsmannschaften auswirkt, überblicke ich nicht. Mir sind diese Anliegen aber wichtig. Ich kann generell sagen, dass wir in Zukunft ein großes Augenmerk darauf legen müssen, dass unsere Hilfenpolitik für die deutschen Minderheiten im Ausland immer eng verkoppelt bleibt mit der Erhaltung und Pflege der deutschen Volksgruppenkultur, sowohl über die Landsmannschaften als auch über die Minderheiten im Ausland. Ich mache mir zum Beispiel ein bisschen Sorge über die Fluktuation von deutschsprachigen Lehrern in Rumänien. Wir haben dort ein erfreulich hohes Maß an deutscher Muttersprachbindung, die in Polen oder in den Nachfolgestatten der Sowjetunion oft verloren gegangen ist. Wenn unsere Hilfenpolitik nachhaltig sein soll, müssen wir die kulturelle Förderung stärker in den Blick nehmen.
Besteht die Möglichkeit, sich für die Gundelsheimer Kultureinrichtungen beim zuständigen Kulturstaatsminister Neumann stark zu machen?
Dies ist die originäre Ressortzuständigkeit des Kulturstaatsministers. Trotz meiner großen Sympathie gerade für die siebenbürgisch-sächsische Kultur kann ich mich da nur begrenzt einmischen.
Gemeinsames moralisch-politisches Anliegen: Aussiedlerpolitik darf nicht vergessen werden
Der Aussiedlerbeirat widmet sich fast ausschließlich den Problemen der Russlanddeutschen. Könnte sich dieses Gremium auch stärker der Anliegen der Aussiedler aus Rumänien annehmen?Die genaue Bezeichnung für das Gremium lautet Spätaussiedlerbeirat. Er arbeitet auf der Grundlage eines Einsetzungsbeschlusses, der im Nachgang zum Zuwanderungsgesetz von der Vorgängerregierung verabschiedet wurde, und bezieht sich formal auf Spätaussiedler, die nach dem 31. Dezember 1992 zugezogen sind, und das sind in der überwiegenden Mehrheit Russlanddeutsche. Insofern ist es auch verständlich, auch wegen der großen Zahl und der damit verbundenen Probleme, dass eine Konzentration auf die Russlanddeutschen stattgefunden hat. Sie merken aber bei der Fremdrentenproblematik, dass ich meine Aufgabe darin sehe, die Dinge im Zusammenhang zu sehen. Ich möchte auch Anfang September 2008 in einer speziellen Fachkonferenz anlässlich des 20. Jahrestages zur Berufung des ersten Aussiedlerbeauftragten, Horst Waffenschmidt, die Problematik von Aussiedlern und deutschen Minderheiten übergreifend behandeln, denn das politisch-moralische Anliegen ist ja das Gleiche. Auch in der Koalitionsvereinbarung wird es in einem Kontext behandelt, und wir dürfen nicht zulassen, dass wir bei aller Besonderheit der Probleme die Anliegen in ganz unterschiedliche Kategorien auflösen. Klar ist, der Einsetzungsbeschluss dieses Gremiums bezieht sich auf Spätaussiedler, während die allermeisten Rumäniendeutschen Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre gekommen und insofern Aussiedler im klassischen Sinne sind.
Sehen Sie es als Ihre Aufgaben als Aussiedlerbeauftragter, an der Schnittstelle zwischen den Anliegen dieser Bürger, die offenbar in der Politik keine so starke Lobby haben, sowie der Bundesregierung und dem Gesetzgeber zu agieren?
Ich bekenne mich ausdrücklich zu dieser Verantwortung und nehme sie auch gerne wahr. Ich sehe auch die Notwendigkeit, das gemeinsame moralisch-politische Anliegen, das sich aus der Bewältigung des Kriegsfolgenschicksals ableitet, gegenüber den Deutschen als Minderheit im Ausland und gegenüber denen, die als Aussiedler zu uns gekommen sind, zusammen zu behandeln. Und dass es als besonderes Anliegen im Bereich der Zuwanderungspolitik gesehen wird. Wir reden bei der Zuwanderungspolitik im Moment überwiegend über die Probleme der Ausländerintegration. Die Aussiedlerpolitik darf nicht vergessen werden, und wir müssen Wert darauf legen, dass Aussiedlerpolitik nicht irgendeine Zuwanderungspolitik ist, sondern ein Teil einer besonderen moralisch-politischen Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Schlagwörter: Politik, Bundesregierung, Verband, Aussiedlerfragen, Rente, deutsch-rumänische Beziehungen
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