12. Juni 2018

Zum Bild geronnene Visionen - Airbrush-Gemälde von Radu-Anton Maier in Dinkelsbühl gezeigt

Beim diesjährigen Heimattag wurden 30 ausgewählte Ölbilder des aus Klausenburg stammenden Malers Radu-Anton Maier im Kunstgewölbe in Dinkelsbühl präsentiert. Die Ausstellung RADUtopia des heute in Fürstenfeldbruck lebenden Künstlers (dort betreibt er mit seiner Gattin Svetlana Maier die Galerie Raduart; Website: www.raduart.de, dortiger Hinweis auf die Heimattags-Ausstellung in Dinkelsbühl) wurde auf Initiative des den Heimattag 2018 mitausrichtenden Landesverbandes Bayern realisiert. Lesen Sie im Folgenden die bei der Vernissage am 19. Mai gehaltene, leicht gekürzte Einführung des Bundeskulturreferenten Hans-Werner Schuster.
Ich bin sehr glücklich, dass auf Anregung des Landesverbandes Bayern die Ausstellung RADUtopia zustande gekommen ist – die erste Ausstellung, die wir unserem aus Klausenburg stammenden und dort an der Akademie der bildenden Künste ausgebildeten Landsmann Radu-Anton Maier widmen – nur einmal hat ihn unser Verband in einer Gruppenausstellung gezeigt.

Aber nicht weil es für Radu – so sein Künstlername – utopisch schien, je beim Heimattag ausgestellt zu werden, trägt die Ausstellung den Titel RADUtopia. Sie trägt ihn auch nicht, weil Radu ein fester Begriff – Topos – in der Kunstwelt ist, sondern weil Radus Utopien, seine zum Bild geronnenen Visionen, präsentiert werden, und weil mit dieser Ausstellung gewissermaßen die Topographie dieser Künstlerseele und ihres schöpferischen Impulses ausgelotet wird. Präziser gesagt: ausgelotet werden sollte, denn das ist uns leider nicht gelungen – wir haben uns dem allenfalls genähert. Vielleicht gelingt es in den nächsten Jahren einer dafür prädestinierten Institution wie z.B. dem Siebenbürgischen Museum Gundelsheim.

Es ist uns nicht gelungen, eine Retrospektive zu zeigen. Es fehlen ganze Gattungen. Aber auch den Maler Radu-Anton Maier können wir in dieser Ausstellung nur punktuell greifbar machen; es fehlen nicht nur viele Hauptwerke, sondern auch ganze Werkzyklen. Das Gros entstammt den letzten zehn Schaffensjahren. Aber immerhin gibt es einige Werke aus den frühen Jahren, sogar drei zwischen 1961-1965 in Rumänien entstandene: „Apfelgarten“, „Fassade II“, und „Imola“, also zu der Zeit, als er an der Klausenburger Akademie, damals noch „Institut für bildende Künste Ion Andreescu“, als Assistent von Prof. Aurel Ciupe tätig war und zusätzlich – periodisch – auch Prof. Corneliu Baba in Bukarest assistierte. Es sind sehr unterschiedliche Werke, in denen Radu verschiedenen Stilrichtungen nacheifert, die er spätestens bei seinem dank eines Stipendiums ermöglichten Aufenthaltes an der Kunstakademie „Pietro Vanucci“ in Perugia aus eigener Anschauung kannte. Radu hat sie gewissermaßen auf ihre Tauglichkeit als Mittel seiner künstlerischen Aussage „aus-probiert“ – im doppelten Wortsinn, denn bald danach findet er seine Sprache bzw. seine ganz persönliche Handschrift. Bald danach heißt, nach der Ausreise 1967 nach Deutschland. Er hat seither im Raum München gewirkt und gelebt, heute in Fürstenfeldbruck, wo er mit der Gattin Svetlana Maier die Galerie „Raduart“ betreibt.
Radu-Anton Maier: „Versuchung IV“ (2016), ...
Radu-Anton Maier: „Versuchung IV“ (2016), Airbrush auf Leinwand, 104 x 61 cm
Nicht nur Fachleute, auch Laien erkennen einen „Radu“. Aber, was ist es, was ein Kunstwerk als ein Werk von Radu kenntlich macht? Zum einen ist es sicherlich die Virtuosität des Malers, der penible, chromatisch fein abgestufte Farbauftrag, der in Verbindung mit dem glatten Firnis Radus Bildern immer eine Art irrealer Perfektion verleiht. Das ist zu guten Teilen den von ihm verwendeten Drucktechniken, wie etwa der Litho-Plasto-Typie geschuldet sowie der Spritzpistole, mit der er unter Zuhilfenahme von Schablonen Farbe auf die Leinwand sprüht. Airbrush heißt diese von ihm meisterhaft beherrschte Technik, die filigranste Farbschichten und -strukturen ermöglicht, die Radu aber mitunter brutal unterläuft, indem er den mehrfach übereinander aufgetragenen Schichten von Farbe, Isolierlack und Firnis mit Schaber, Fräsen oder Schleifpapier zu Leibe rückt.

Zum anderen ist es die Gestaltungsweise. Radu, der nie abstrakt, sondern immer gegenständlich-realistisch malt – mitunter gar „fotorealistisch“, man betrachte z. B. sein Selbstbildnis von 2013 –, hat zu einer symbolisch-surrealistischen Gestaltungsweise gefunden, die auch für den Großteil der ausgestellten Werke typisch ist. Ausnahmen bilden die Blumenbilder und Akte.

Auf den ersten Blick handelt es sich um Landschaften, und das scheinen Werktitel wie „Dinkelsbühl im Frühling“, „Luxor-Tempel“ oder „Starnberger See“ zu bestätigen. Tatsächlich sind es eher Stimmungsbilder oder Seelenlandschaften, das, was Radu mit den Versatzstücken wirklicher Landschaften verbindet bzw. dem Betrachter vermitteln will. Vielleicht steht ja das in zartem frischem Grün gehaltene „Dinkelsbühl im Frühling“ für die alljährlich zu Pfingsten hier aufblühende siebenbürgisch-sächsische Gemeinschaft und Kultur? Verbindet Radu das mit Dinkelsbühl? Will er uns das vermitteln?
Radu-Anton Maier (Mitte) folgt der Einführung des ...
Radu-Anton Maier (Mitte) folgt der Einführung des Bundeskulturreferenten Hans-Werner Schuster; rechts im Bild Bundesvorsitzende Herta Daniel. Foto: Christian Schoger
Auch wenn das nur meine Interpretation bleibt, ändert das nichts daran, dass Radu ein Vermittler ist, dass er mit seiner Kunst Verbindungen herstellt. Aber nicht nur mit seiner Kunst, auch als Galerist stellt er Verbindungen her zwischen alter und neuer Heimat, zwischen Künstlern aus Rumänien und Künstlern aus Bayern und Deutschland und ist dafür ebenso wie für sein künstlerisches Schaffen vielfach geehrt worden.

Verbindungen sind in vielen Werken des Künstlers auch als Gestaltungs- und Kompositionselemente zu finden. Nicht nur in dem Zyklus „Transfusion“ legt sich – Lebenssaft und -kraft pumpend – ein Netz von Adern über das Bild. Auch sonst wird der Bildvordergrund von unterschiedlichsten Strängen durchzogen, die nicht nur eine Verbindungsfunktion erfüllen zwischen Elementen, die uns verborgen bleiben. Sie erfüllen auch einen ähnlichen Zweck wie der Verfremdungseffekt im Brechtschen Theater: sie rütteln den Betrachter gewissermaßen wach und bewahren ihn vor dem psychedelischen Sog, der Radus verführerischen Fantasiewelten eigen ist. Auch diese Fantasiewelten sind als „typisch“ zu erkennen. Nicht nur durch die enorme Tiefe und Weite, in die sie führen, sondern auch durch weitere „typische“ Elemente. Es sind symbolhafte Versatzstücke, die Radu in unterschiedlichen Kombinationen und Zusammenhängen in neue Werke einbaut. Einer Collage ähnlich, handelt es sich dabei aber nicht um das Zusammensetzen und Zusammenfügen von Dingen. Diese Elemente werden mittels Schablonen jeweils neu erstellt. Diese Versatzstücke oder „Zitate“ sind Ergebnis der frühen Studienreisen, die Radu rund um das Mittelmeer unternahm und auf denen er sich mit den griechischen wie orientalischen Fundamenten der abendländischen Kultur auseinandergesetzt hat. Oft sind es Säulen, Portale oder Arkaden. Nicht zuletzt ihnen, als Zeichen der Macht – man denke nur an die Triumphbögen oder die Trajanssäule – ist es zu verdanken, dass Radus Bilder monumental wirken, obwohl sie in der Regel von mittlerem Format sind.

Auf ein Werk will ich zum Schluss noch hinweisen: „Kloster Fürstenfeld I“. Wer das Kloster kennt, könnte auf Radus Gemälde sowohl die Fassade als auch den in Gold und leuchtenden Farben strahlenden Innenraum wiedererkennen, obwohl das Gemälde alles andere als ein Abbild ist. Es ist ein Sinnbild, Sinnbild für das von Katholizismus und Barock geprägte Bayern und für bayerische Lebensart. Radu, der im Schatten der gotischen Mathiaskirche aufgewachsen und von orthodoxer Liturgie geprägt worden ist, ist nach bald 60 Jahren in Bayern und Fürstenfeldbruck heimisch geworden und hat hier Wurzeln geschlagen – so der Tenor eines am 4. Mai in der Süddeutschen Zeitung erschienenen Künstlerporträts.

Nichtsdestotrotz bin ich mir sicher, dass sich heute das, was ihm 2001 widerfahren ist, wiederholen könnte. Damals wurde er bei der Eröffnung seiner Ausstellung im Hermannstädter Brukenthalmuseum von Museumsdirektor Prof. Alexandru Lungu als „rumänischer Maler deutscher Herkunft“ und vom Kulturattaché der deutschen Botschaft als „deutscher Künstler rumänischer Herkunft“ bezeichnet.

Schlagwörter: Heimattag 2018, Dinkelsbühl, Ausstellung, Kunst, Radu-Anton Maier, Maler, Fürstenfeldbruck

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