17. September 2024
Dichter, Maler, Pazifist und Philosoph: Workshop Gusto Gräser (1879-1958) in Kronstadt, seiner Geburtsstadt, gewidmet
Eine Persönlichkeit, der in den letzten Jahren immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, ist der in Kronstadt geborene Gusto Gräser, ein europaweit bekannter Pazifist und Philosoph, der während seiner Lebensjahre Kontakte zu Persönlichkeiten wie Nobelpreisträgern, Schriftstellern und Politikern hatte. Es wurde geschätzt, sorgte aber auch für kontroverse Meinungen. Am letzten Wochenende des Juli fand in seiner Geburtsstadt in der Aula des Johannes-Honterus-Kollegs ein Workshop statt, der diesem Kronstädter Dichter, bildenden Künstler, Pazifist und Naturphilosophen gewidmet war.

Marianne Hallmen, eine gebürtige Stolzenburgerin, die seit der Gründung 2014 den Verein der Siebenbürger Sachsen in der Schweiz leitet, hat im Vorjahr anlässlich einer Tagung im Oktober mit dem Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde für die Aufarbeitung der Hinterlassenschaft Gusto Gräsers geworben und in der Schweiz viel bewegt, nachdem sie sich eine eingehende Dokumentation über das Schaffen und Leben dieses vielseitigen Kulturmenschen und Naturphilosophen aneignen konnte. Der am 16. Februar 1879 in Kronstadt geborene Gusto Gräser entstammte ursprünglich einer wohlhabenden Familie. Seine Vorfahren waren Gelehrte. Anfangs hat Gusto, nachdem sein Vater und eine Schwester früh verstorben waren, sein Talent für das Handwerk entdeckt. Er beteiligte sich als Künstler an der Weltausstellung 1896 in Budapest, auf der er eine Goldmedaille erhielt, zog dann weiter, befürwortete die Vegetarier und führte selbst ein strenges Regime. Er kehrte kurz zurück, studierte seit 1897 Kunst in Budapest, war Bildhauer, Maler, fühlte sich als Dichter berufen, kam nach Monte Verità, wo er sich gleichgesinnten Naturfreunden und Gesellschaftskritikern anschloss, wurde als Kriegsverweigerer zweimal zum Tode verurteilt, so war er u.a. auch in der Festung am Schlossberg inhaftiert. Seine Geschichte auf Monte Verità begann 1900, als der Belgier Henry Oedenkoven mit seiner Geliebten da die vegetarische Kolonie gründete und sich dieser anschloss. In Kürze kamen Intellektuelle, Schriftsteller hinzu, Gusto Gräser verbrachte einige Jahre auch in der Höhle von Arcegno im Tessin. Diesen Ausbruch aus dem bürgerlichen Leben hat er dann in mehreren Erzählungen geschildert.

Dr. Thomas Cieslik ging in seinem Referat auf die geistesgeschichtliche Entwicklung in den Lebensjahren Gräsers ein, auf den wachsenden Nationalismus, auf die Industrierevolution, auf den Ersten Weltkrieg, deren Folgen auch in der Literatur Niederschlag gefunden haben. Der Pazifismus, der Gräser eigen war, bezeichnet eine Grundhaltung, die jede Anwendung von Gewalt ablehnt und mit aller Kraft für den Frieden eintritt. Nach der zweiten Verhaftung und dem neuerlichen Todesurteil sowie sechs Monaten Arrest in Klausenburg wurde er erneut freigelassen und kehrte zurück nach Ascona. 1917 soll es 16.000 Kriegsverweigerer in Deutschland gegeben haben. Der Schwärmer und Naturphilosoph Gusto Gräser starb am 27. Oktober 1958 in München.

Während des Workshops stellte der Journalist Wolfgang Wittstock aus dem Familienbesitz zwei Postkarten aus dem Jahre 1914 aus. Bekanntlich hat Gusto Gräser jeweils für jeden Wochentag zwei Postkarten angefertigt, mit einem ansprechenden Text: „Auch die Not und die Entbehrung / wird ein rechter Mann begehren / Und er dankt für die Bescherung / Eines Lebens ohne Beschwerung. / Denn da kommt er nicht zu Ehren / Durch Kämpfe schwarz und schwer / kommt er lichtbeglückt / daher.“ Auch stellte unser ehemaliger Redaktionskollege einen Ausschnitt der Karpatenrundschau Nr. 13/1978 von Horst Schuller aus, der Gusto Gräser gewidmet war.
Welche Persönlichkeit Zeit seines Lebens Gusto Gräser, genannt auch evangelischer Apostel, darstellt, ist den Gesprächen und Kontakten, die er geführt hat, u.a. mit August Bebel, Hermann Bahr, Rainer Maria Rilke, Johannes Schlaf, Hermann Hesse, Wladimir Iljitsch Lenin und Thomas Mann zu entnehmen. Im fernen Mexiko erschien ein Roman über den Monte Verità, wobei die Heldin in ihrer Erzählung den Einsiedler auf dem Monte Verità verehrt. Gusto Gräser, der sich auch Arthur Siebenbürger nannte, war kein Unbekannter in Kronstadt auch durch gelegentliche Veröffentlichungen von Gedichten. Adolf Meschendörfer verewigte ihn mit einem Gedicht in seiner Zeitschrift Die Karpathen. Wie auch in dem Band „Aus Kronstädter Gärten“, der Festschrift für die Vereinstage 1930 in Kronstadt, die ebenfalls von Adolf Meschendörfer im Auftrag des Festausschusses herausgegeben worden war. Die Festschrift ist durch ihren Inhalt ein Zeugnis der Vielzahl und Vielfalt an Kulturschaffenden in der Stadt unter der Zinne. Ernst Kühlbrandt widmete Gräser sein Lustspiel in vier Aufzügen „Der Naturapostel“, das Dr. Frank-Thomas Ziegler den Teilnehmern des Workshops ausführlich vorgestellte. Besonderen Anklang fanden seine Führung durch die Schwarze Kirche, die Details über das Kirchenarchiv, einige besondere Archivalien, die von Dr. Agnes Ziegler geboten wurden, wobei die beiden Kunsthistoriker den Aufenthalt der Gäste in Kronstadt bei diesem Anlass zu einem besonderes Erlebnis werden ließen.
Dieter Drotleff (Karpatenrundschau vom 8. August 2024)
Schlagwörter: Gräser, Workshop, Kronstadt
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