17. September 2024
Dichter, Maler, Pazifist und Philosoph: Workshop Gusto Gräser (1879-1958) in Kronstadt, seiner Geburtsstadt, gewidmet
Eine Persönlichkeit, der in den letzten Jahren immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, ist der in Kronstadt geborene Gusto Gräser, ein europaweit bekannter Pazifist und Philosoph, der während seiner Lebensjahre Kontakte zu Persönlichkeiten wie Nobelpreisträgern, Schriftstellern und Politikern hatte. Es wurde geschätzt, sorgte aber auch für kontroverse Meinungen. Am letzten Wochenende des Juli fand in seiner Geburtsstadt in der Aula des Johannes-Honterus-Kollegs ein Workshop statt, der diesem Kronstädter Dichter, bildenden Künstler, Pazifist und Naturphilosophen gewidmet war.
Organisiert wurde die Zusammenkunft von dem Verein der Siebenbürger Sachsen in der Schweiz gemeinsam mit dem Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde e.V. am 27. und 28. Juli. Ein zweites Ereignis, Gespräche mit Videoausschnitten fand eine Woche darauf, am 3. August, in Hermannstadt statt. Die Veranstaltungen wurden aus Anlass des Großen Sachsentreffens in Hermannstadt, das vom 2.bis 4. August stattfand, organisiert und erfreuten sich namhafter Referenten – Politikwissenschaftler Dr. Thomas Cieslik, Berlin, Marianne Hallmen, Vorsitzende des Vereins der Siebenbürger Sachsen in der Schweiz, Dr. Ingrid Schiel, Geschäftsführerin des Siebenbürgen-Instituts an der Universität Heidelberg, des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde e.V. und Leiterin der Siebenbürgischen Bibliothek mit Archiv in Gundelsheim, und Dr. Frank-Thomas Ziegler, Kunsthistoriker und Pressesprecher der Evangelischen Kirche A.B. Kronstadt – wie auch sehr interessierter Zuhörer, was auch zu einem ergiebigen Dialog führte. Begrüßt wurden in der Aula des Kronstädter Honterus-Kollegs Gäste und Teilnehmer von Christian Macedonschi als Vertreter des Elternrates, der aus privaten Gründen abwesende Direktor Prof. Radu Chivărean konnte seine Wertschätzung zum Abschluss der Tagung nachholen.
Marianne Hallmen, eine gebürtige Stolzenburgerin, die seit der Gründung 2014 den Verein der Siebenbürger Sachsen in der Schweiz leitet, hat im Vorjahr anlässlich einer Tagung im Oktober mit dem Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde für die Aufarbeitung der Hinterlassenschaft Gusto Gräsers geworben und in der Schweiz viel bewegt, nachdem sie sich eine eingehende Dokumentation über das Schaffen und Leben dieses vielseitigen Kulturmenschen und Naturphilosophen aneignen konnte. Der am 16. Februar 1879 in Kronstadt geborene Gusto Gräser entstammte ursprünglich einer wohlhabenden Familie. Seine Vorfahren waren Gelehrte. Anfangs hat Gusto, nachdem sein Vater und eine Schwester früh verstorben waren, sein Talent für das Handwerk entdeckt. Er beteiligte sich als Künstler an der Weltausstellung 1896 in Budapest, auf der er eine Goldmedaille erhielt, zog dann weiter, befürwortete die Vegetarier und führte selbst ein strenges Regime. Er kehrte kurz zurück, studierte seit 1897 Kunst in Budapest, war Bildhauer, Maler, fühlte sich als Dichter berufen, kam nach Monte Verità, wo er sich gleichgesinnten Naturfreunden und Gesellschaftskritikern anschloss, wurde als Kriegsverweigerer zweimal zum Tode verurteilt, so war er u.a. auch in der Festung am Schlossberg inhaftiert. Seine Geschichte auf Monte Verità begann 1900, als der Belgier Henry Oedenkoven mit seiner Geliebten da die vegetarische Kolonie gründete und sich dieser anschloss. In Kürze kamen Intellektuelle, Schriftsteller hinzu, Gusto Gräser verbrachte einige Jahre auch in der Höhle von Arcegno im Tessin. Diesen Ausbruch aus dem bürgerlichen Leben hat er dann in mehreren Erzählungen geschildert.
In ihrem Vortrag, auch mit historischen Fotos illustriert, bezog sich Dr. Ingrid Schiel auf die siebenbürgisch-sächsische Gesellschaft zwischen Tradition und Moderne, ging auf die Jugendzeit von Gusto Gräser, die gesellschaftlichen Strömungen und auf die Städte ein, in denen sich dieser aufgehalten hat. Nachdem sein Vater nach Tekendorf bei Bistritz versetzt worden war, besuchte Gusto Gräser die Schulen in Tekendorf und in Hermannstadt. Als junger Mensch stellte er sich schon früh den kulturellen Fragen, wobei er der Meinung war, es geht nicht um Bildung, sondern um Erziehung zu einem neuen Menschen. Auch müssen wir uns auf für die eigene Identität auf die Natur besinnen, war seine Überzeugung. Nach seiner Kriegsverweigerung während des Ersten Weltkrieges, der Inhaftierung in Hermannstadt und dem Arrest in Kronstadt auf dem Schlossberg, wurde er zum Tode verurteilt, aber freigelassen, um in eine Irrenanstalt gebracht zu werden, aus der er bald entlassen wurde Gusto Gräser war kein Einzelfall der Kulturkritik unter den Siebenbürger Sachsen. Seine Radikalität führte zu einem großen Bekanntheitsgrat und polarisierte die Gemüter.
Dr. Thomas Cieslik ging in seinem Referat auf die geistesgeschichtliche Entwicklung in den Lebensjahren Gräsers ein, auf den wachsenden Nationalismus, auf die Industrierevolution, auf den Ersten Weltkrieg, deren Folgen auch in der Literatur Niederschlag gefunden haben. Der Pazifismus, der Gräser eigen war, bezeichnet eine Grundhaltung, die jede Anwendung von Gewalt ablehnt und mit aller Kraft für den Frieden eintritt. Nach der zweiten Verhaftung und dem neuerlichen Todesurteil sowie sechs Monaten Arrest in Klausenburg wurde er erneut freigelassen und kehrte zurück nach Ascona. 1917 soll es 16.000 Kriegsverweigerer in Deutschland gegeben haben. Der Schwärmer und Naturphilosoph Gusto Gräser starb am 27. Oktober 1958 in München. Anlässlich der in Kronstadt stattgefundenen Tagung wurde das Geburtshaus von Gusto Gräser in der Schulmeistergasse, zurzeit Vlad Ţepeș-Straße Nr. 1, aufgesucht. Zugang konnte nicht erzielt werden, da das Tor abgeschlossen war. Sowohl diesem wie auch jenem Haus von Gustos Bruder Karl am Fuße des Monte Verità, dem Nachlass von Gusto Gräser, den weiteren Forschungen über Leben und Schaffen soll sich eine zu gründende Gusto-Gräser-Gesellschaft widmen, wobei diesem Vorhaben Hermann Müller, der beste Kenner Gusto Gräseres einen besonderen Beitrag und Unterstützung bietet.
Während des Workshops stellte der Journalist Wolfgang Wittstock aus dem Familienbesitz zwei Postkarten aus dem Jahre 1914 aus. Bekanntlich hat Gusto Gräser jeweils für jeden Wochentag zwei Postkarten angefertigt, mit einem ansprechenden Text: „Auch die Not und die Entbehrung / wird ein rechter Mann begehren / Und er dankt für die Bescherung / Eines Lebens ohne Beschwerung. / Denn da kommt er nicht zu Ehren / Durch Kämpfe schwarz und schwer / kommt er lichtbeglückt / daher.“ Auch stellte unser ehemaliger Redaktionskollege einen Ausschnitt der Karpatenrundschau Nr. 13/1978 von Horst Schuller aus, der Gusto Gräser gewidmet war.
Welche Persönlichkeit Zeit seines Lebens Gusto Gräser, genannt auch evangelischer Apostel, darstellt, ist den Gesprächen und Kontakten, die er geführt hat, u.a. mit August Bebel, Hermann Bahr, Rainer Maria Rilke, Johannes Schlaf, Hermann Hesse, Wladimir Iljitsch Lenin und Thomas Mann zu entnehmen. Im fernen Mexiko erschien ein Roman über den Monte Verità, wobei die Heldin in ihrer Erzählung den Einsiedler auf dem Monte Verità verehrt. Gusto Gräser, der sich auch Arthur Siebenbürger nannte, war kein Unbekannter in Kronstadt auch durch gelegentliche Veröffentlichungen von Gedichten. Adolf Meschendörfer verewigte ihn mit einem Gedicht in seiner Zeitschrift Die Karpathen. Wie auch in dem Band „Aus Kronstädter Gärten“, der Festschrift für die Vereinstage 1930 in Kronstadt, die ebenfalls von Adolf Meschendörfer im Auftrag des Festausschusses herausgegeben worden war. Die Festschrift ist durch ihren Inhalt ein Zeugnis der Vielzahl und Vielfalt an Kulturschaffenden in der Stadt unter der Zinne. Ernst Kühlbrandt widmete Gräser sein Lustspiel in vier Aufzügen „Der Naturapostel“, das Dr. Frank-Thomas Ziegler den Teilnehmern des Workshops ausführlich vorgestellte. Besonderen Anklang fanden seine Führung durch die Schwarze Kirche, die Details über das Kirchenarchiv, einige besondere Archivalien, die von Dr. Agnes Ziegler geboten wurden, wobei die beiden Kunsthistoriker den Aufenthalt der Gäste in Kronstadt bei diesem Anlass zu einem besonderes Erlebnis werden ließen.
Marianne Hallmen, eine gebürtige Stolzenburgerin, die seit der Gründung 2014 den Verein der Siebenbürger Sachsen in der Schweiz leitet, hat im Vorjahr anlässlich einer Tagung im Oktober mit dem Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde für die Aufarbeitung der Hinterlassenschaft Gusto Gräsers geworben und in der Schweiz viel bewegt, nachdem sie sich eine eingehende Dokumentation über das Schaffen und Leben dieses vielseitigen Kulturmenschen und Naturphilosophen aneignen konnte. Der am 16. Februar 1879 in Kronstadt geborene Gusto Gräser entstammte ursprünglich einer wohlhabenden Familie. Seine Vorfahren waren Gelehrte. Anfangs hat Gusto, nachdem sein Vater und eine Schwester früh verstorben waren, sein Talent für das Handwerk entdeckt. Er beteiligte sich als Künstler an der Weltausstellung 1896 in Budapest, auf der er eine Goldmedaille erhielt, zog dann weiter, befürwortete die Vegetarier und führte selbst ein strenges Regime. Er kehrte kurz zurück, studierte seit 1897 Kunst in Budapest, war Bildhauer, Maler, fühlte sich als Dichter berufen, kam nach Monte Verità, wo er sich gleichgesinnten Naturfreunden und Gesellschaftskritikern anschloss, wurde als Kriegsverweigerer zweimal zum Tode verurteilt, so war er u.a. auch in der Festung am Schlossberg inhaftiert. Seine Geschichte auf Monte Verità begann 1900, als der Belgier Henry Oedenkoven mit seiner Geliebten da die vegetarische Kolonie gründete und sich dieser anschloss. In Kürze kamen Intellektuelle, Schriftsteller hinzu, Gusto Gräser verbrachte einige Jahre auch in der Höhle von Arcegno im Tessin. Diesen Ausbruch aus dem bürgerlichen Leben hat er dann in mehreren Erzählungen geschildert.
In ihrem Vortrag, auch mit historischen Fotos illustriert, bezog sich Dr. Ingrid Schiel auf die siebenbürgisch-sächsische Gesellschaft zwischen Tradition und Moderne, ging auf die Jugendzeit von Gusto Gräser, die gesellschaftlichen Strömungen und auf die Städte ein, in denen sich dieser aufgehalten hat. Nachdem sein Vater nach Tekendorf bei Bistritz versetzt worden war, besuchte Gusto Gräser die Schulen in Tekendorf und in Hermannstadt. Als junger Mensch stellte er sich schon früh den kulturellen Fragen, wobei er der Meinung war, es geht nicht um Bildung, sondern um Erziehung zu einem neuen Menschen. Auch müssen wir uns auf für die eigene Identität auf die Natur besinnen, war seine Überzeugung. Nach seiner Kriegsverweigerung während des Ersten Weltkrieges, der Inhaftierung in Hermannstadt und dem Arrest in Kronstadt auf dem Schlossberg, wurde er zum Tode verurteilt, aber freigelassen, um in eine Irrenanstalt gebracht zu werden, aus der er bald entlassen wurde Gusto Gräser war kein Einzelfall der Kulturkritik unter den Siebenbürger Sachsen. Seine Radikalität führte zu einem großen Bekanntheitsgrat und polarisierte die Gemüter.
Dr. Thomas Cieslik ging in seinem Referat auf die geistesgeschichtliche Entwicklung in den Lebensjahren Gräsers ein, auf den wachsenden Nationalismus, auf die Industrierevolution, auf den Ersten Weltkrieg, deren Folgen auch in der Literatur Niederschlag gefunden haben. Der Pazifismus, der Gräser eigen war, bezeichnet eine Grundhaltung, die jede Anwendung von Gewalt ablehnt und mit aller Kraft für den Frieden eintritt. Nach der zweiten Verhaftung und dem neuerlichen Todesurteil sowie sechs Monaten Arrest in Klausenburg wurde er erneut freigelassen und kehrte zurück nach Ascona. 1917 soll es 16.000 Kriegsverweigerer in Deutschland gegeben haben. Der Schwärmer und Naturphilosoph Gusto Gräser starb am 27. Oktober 1958 in München. Anlässlich der in Kronstadt stattgefundenen Tagung wurde das Geburtshaus von Gusto Gräser in der Schulmeistergasse, zurzeit Vlad Ţepeș-Straße Nr. 1, aufgesucht. Zugang konnte nicht erzielt werden, da das Tor abgeschlossen war. Sowohl diesem wie auch jenem Haus von Gustos Bruder Karl am Fuße des Monte Verità, dem Nachlass von Gusto Gräser, den weiteren Forschungen über Leben und Schaffen soll sich eine zu gründende Gusto-Gräser-Gesellschaft widmen, wobei diesem Vorhaben Hermann Müller, der beste Kenner Gusto Gräseres einen besonderen Beitrag und Unterstützung bietet.
Während des Workshops stellte der Journalist Wolfgang Wittstock aus dem Familienbesitz zwei Postkarten aus dem Jahre 1914 aus. Bekanntlich hat Gusto Gräser jeweils für jeden Wochentag zwei Postkarten angefertigt, mit einem ansprechenden Text: „Auch die Not und die Entbehrung / wird ein rechter Mann begehren / Und er dankt für die Bescherung / Eines Lebens ohne Beschwerung. / Denn da kommt er nicht zu Ehren / Durch Kämpfe schwarz und schwer / kommt er lichtbeglückt / daher.“ Auch stellte unser ehemaliger Redaktionskollege einen Ausschnitt der Karpatenrundschau Nr. 13/1978 von Horst Schuller aus, der Gusto Gräser gewidmet war.
Welche Persönlichkeit Zeit seines Lebens Gusto Gräser, genannt auch evangelischer Apostel, darstellt, ist den Gesprächen und Kontakten, die er geführt hat, u.a. mit August Bebel, Hermann Bahr, Rainer Maria Rilke, Johannes Schlaf, Hermann Hesse, Wladimir Iljitsch Lenin und Thomas Mann zu entnehmen. Im fernen Mexiko erschien ein Roman über den Monte Verità, wobei die Heldin in ihrer Erzählung den Einsiedler auf dem Monte Verità verehrt. Gusto Gräser, der sich auch Arthur Siebenbürger nannte, war kein Unbekannter in Kronstadt auch durch gelegentliche Veröffentlichungen von Gedichten. Adolf Meschendörfer verewigte ihn mit einem Gedicht in seiner Zeitschrift Die Karpathen. Wie auch in dem Band „Aus Kronstädter Gärten“, der Festschrift für die Vereinstage 1930 in Kronstadt, die ebenfalls von Adolf Meschendörfer im Auftrag des Festausschusses herausgegeben worden war. Die Festschrift ist durch ihren Inhalt ein Zeugnis der Vielzahl und Vielfalt an Kulturschaffenden in der Stadt unter der Zinne. Ernst Kühlbrandt widmete Gräser sein Lustspiel in vier Aufzügen „Der Naturapostel“, das Dr. Frank-Thomas Ziegler den Teilnehmern des Workshops ausführlich vorgestellte. Besonderen Anklang fanden seine Führung durch die Schwarze Kirche, die Details über das Kirchenarchiv, einige besondere Archivalien, die von Dr. Agnes Ziegler geboten wurden, wobei die beiden Kunsthistoriker den Aufenthalt der Gäste in Kronstadt bei diesem Anlass zu einem besonderes Erlebnis werden ließen.
Dieter Drotleff (Karpatenrundschau vom 8. August 2024)
Schlagwörter: Gräser, Workshop, Kronstadt
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- 17.09.2024, 09:55 Uhr von ingenius mobile: (y) [weiter]
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