28. Dezember 2009

„Gefährliche Launen“ – Gedichtband von Nora Iuga

Fast vier Jahrzehnete umspannt diese Auswahl von Gedichten Nora Iugas, erschienen im Klett-Cotta Verlag unter dem Titel Gefährliche Launen. Sie vermittelt einen Eindruck von der inhaltlichen und formalen Suche der Autorin und deren Vielseitigkeit. Sie sei jetzt 75 und schreibe nur von der Liebe, verrät Nora Iuga im Nachwort, in dem sie die Klippen, die sie im Leben zu um­schiffen hatte, mit dem ironischen Fazit abtut: „Ich hatte ein schönes Leben“.
Nora Iuga gehörte zu der Bewegung der Oni­riker, die den Versuch unternommen hatte, den Surrealismus in der rumänischen Literatur wiederzubeleben, so Mircea Cărtărescu in seinem Nachwort. Er schätzte sie als „diskrete wie be­eindruckende Erscheinung“ und las sie „leidenschaftlich gerne“. Doch als die Gruppe der Oni­riker zerschlagen wurde, verbot man auch die Bücher von Nora Iuga, die beinahe ein Jahr­zehnt nicht mehr veröffentlichen konnten.

Um so interessanter ist diese Werkschau in der Übersetzung von Ernest Wichner, die frühe und späte Gedichte aus den Jahren 1968 bis 2005 vereint: „es ist nicht meine Schuld“, „Himmels­platz“, Die Nachtdaktylograhin“, „Spital mit Man­nequins“, „Der Autobus mit den Buckligen“, so einige der Titel ihrer Bände.

Der Werkschau vorangesetzt ist ein Gedicht, in dem die Lyrikerin ihr Credo preisgibt: Wenn die Gedanken nicht mehr in Worte gefasst werden können „hat Ironie mich stets / beschützt und mir den Weg gewiesen über Hinter- / treppen“. So durchzieht ein schelmisches Schmun­zeln die hier versammelten Texte. Formal geht die Suche der Autorin von der Lyrik hin zur lyrischen Prosa beziehungsweise zum Fragment.

Inhaltlich umfasst die Suche ein Spektrum, das breiter ist als „nur die Liebe“. Abschied, Tod und Sprache werden ebenfalls thematisiert. Die Wörter nehmen dabei Gestalt an: „der papagei träumt wörter / rund und weiß / wie tabletten / auf rezept“, die Buchstaben werden zu leeren Muschelschalen oder die Wörter entkleiden sich viel zu schön bei Dunkelheit des Nachts im Bett.

Das Schreiben hat dabei eine erlösende Wir­kung: „Ich schreibe, damit ich nicht denke. Schreibe, um nicht zu weinen. Schreibe, damit es nicht weh tut.“ Manchmal ist das Schreiben der einzige Ausweg aus der Verzweiflung: „wie kannst du noch existieren/wenn der himmel ent­zweigeschnitten wird / [...] schreiben will ich jetzt / solange das hirn noch blutet / dieser kugelschreiber ist gott ebenbürtig“. Und Nora Iuga schreibt zuweilen auch gegen „das Auge im Hin­terkopf“ an, eine Metapher für die Selbstzensur.

Immer wieder schimmern surreale Elemente zwischen den Zeilen auf: „brennt etwa die Zeit?, „nun wächst ihm aus jeder Hand ein feigenbaum“, „die wirklichkeit ist mir zerrissen / ein pferdekopf kommt darunter hervor / der allein und ohne jockey rennt / und seine runde zu ende bringt“. Doch auch der Surrealismus kann die Lyrikerin nicht vor dem, was auf sie einbricht, schützen: „nun schützen mich weder zigaretten / noch der surrealismus“. Und das Frivole, das ihr immer schon gefallen hat, wird zum schweren Gepäck.

Immer wieder besticht die Lyrik Nora Iugas mit ungeahnten Bildern „wie die Blätter des Mondes“, das weiße Kamel, das den Tod bedeutet und in den Himmelsdünen herumirrt, oder der weiße Text auf den Lippen, „in dieser taverne / genannt poesie“.

Wehmütig vielleicht, surreal vielleicht, aber nie bitter und meistens mit einem ironischen Unterton, so kommen Nora Iugas Gedichte trotz ihrer Themen mit Leichtigkeit daher. Mircea Cărtărescu bescheinigt ihr vor allem in den letzten Bänden eine „paradoxale und vollkommen antiklassizistische Klassizität“.

Nora Iuga hat sich zudem als Übersetzerin von Autoren wie Herta Müller, Günter Grass und Aglaja Veteranyi, aber auch als Prosaautorin einen Namen gemacht.

Edith Ottschofski



Nora Iuga, „Gefährliche Launen“. Ausge­wählte Gedichte. Aus dem Rumänischen von Ernest Wichner, mit einem Nachwort von Mir­cea Căr­tărescu. Verlag Klett-Cotta, Suttgart, 2007, 134 Seiten, 19,00 Euro, ISBN 978-3-608-93708-4.

Schlagwörter: Rezension, Gedichtband, rumänische Literatur

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