21. November 2016

Jubiläumsband: 150 Jahre evangelische Kirche Braunau am Inn

Am 26. August 1866 wurde die evangelische Kirche in Braunau am Inn eingeweiht. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pfarrgemeinde Braunau haben das 150-Jahr-Jubiläum der Einweihung zum Anlass genommen, sich intensiv mit der Geschichte und Gegenwart der Evangelischen im weitläufigen Gebiet der Pfarrgemeinde zu beschäftigen. Daraus ist ein Buch entstanden, das den Rahmen der üblichen Festschriften und Chroniken bei weitem sprengt.
Auf mehr als 300 reich bebilderten Seiten entfalten sich die Vielfalt der heutigen Pfarrgemeinde und ihre bewegte Geschichte. Bewusst wurde dabei nicht der übliche Weg einer chronologischen Darstellung gewählt.
Stattdessen kommen Zeitzeugen aus Vergangenheit und Gegenwart zu Wort, heutige Sichtweisen werden mit historischen Dokumenten und Betrachtungsweisen verbunden oder diesen gegenübergestellt. Autoren aus dem oberösterreichischen kirchlichen und kulturellen Leben nehmen zu historischen oder künstlerischen Fragen Stellung. Wo es möglich ist, werden die wichtigsten handelnden Personen mit Originaltexten und Selbstzeugnissen vorgestellt. Damit ist das Buch zu einem spannenden Kompendium geworden. Immer wieder stößt der Leser auf Neues und Überraschendes. Es ist ein Buch zum Schmökern und Durchblättern, wobei der Leser immer wieder gefesselt wird durch die meist kurzen und spannenden Texte und die hervorragenden Bilder. Als die heutige Dankbarkeitskirche in Braunau 1866 eingeweiht wurde, gab es im Raum Braunau nur rund 60 Evangelische, die von der 1861 gegründeten Pfarrgemeinde Salzburg aus seelsorgerlich betreut wurden. Dass trotzdem, durch Umbau eines Getreidespeichers, eine Kirche entstehen konnte, war vor allem der Aktivität des auch in der Stadtgemeinde angesehenen Kaufmanns Jakob Schönthaler zu verdanken. Ihn bremsten weder Ängstlichkeit noch Engstirnigkeit seiner Zeitgenossen.

Mut und Festigkeit im evangelischen Glauben gab es auch schon früher. Im 16. Jahrhundert war Braunau eine überwiegend evangelische Stadt. Daran erinnert etwa das Grabdenkmal des Stadthauptmanns Hans Staininger (gestorben 1567). Am Beginn des 19. Jahrhunderts erwies die längst wieder katholisch gewordene Stadt dem auf französischen Befehl hingerichteten Buchhändler Johann Philipp Palm aus Nürnberg, einem überzeugten Evangelischen, die letzte Ehre. Dies und viel mehr über die bewegte Geschichte der Evangelischen in Braunau, aber auch in der „Muttergemeinde“ Salzburg (Braunau wurde erst 1900 selbständige Pfarrgemeinde) und im Land Oberösterreich kann man in dem Buch nachlesen. Dazu kommen Dokumente, Statistiken und Berichte über bauliche und künstlerische Veränderungen am Kirchengebäude, die nicht ohne Diskussionen vorgenommen wurden. Deutlich wird das Anliegen, die evangelische Pfarrgemeinde Braunau als Teil eines größeren Ganzen darzustellen, als Brücke zwischen Evangelischen in Österreich und Bayern, als ökumenisch engagierte Stimme innerhalb der Gesellschaft.

Die nachhaltigste Veränderung erlebte die Pfarrgemeinde Braunau durch die Ankunft tausender Flüchtlinge und Heimatvertriebener aus dem Osten Mitteleuropas zwischen Herbst 1944 und Frühjahr 1945. Darunter waren 11000 Evangelische. Viele von diesen sind in den folgenden Jahren ausgewandert. Viele haben aber im Bezirk Braunau eine neue Heimat gefunden. Als die ärgste Not überwunden war, konnten Anfang der 60er Jahre in den wichtigsten Siedlungsgebieten der neuen Gemeindeglieder Kirchen gebaut werden, in Mauerkirchen, Hochburg-Ach und Riedersbach. Auch heute ist die Prägung dieser Gemeinden (Predigtstationen) durch die Flüchtlinge und ihre Nachkommen sichtbar. Ausführlich geht das Buch auf Herkunft, Flucht und Ansiedlung der Vertriebenen ein, besonders auf die Flüchtlinge aus dem nordsiebenbürgischen Mettersdorf und aus Liebling im Banat. Sie haben in Mauerkirchen eine neue Heimat gefunden. Das Abendmahlsgerät aus Mettersdorf, das auf die Flucht mitgenommen wurde, wird auch heute im Gottesdienst verwendet.

Beim Lesen des Buches wird deutlich, wie mühsam, aber bei gutem Willen auch erfolgreich der Aufbau einer lebendigen Pfarrgemeinde ist. Die Buntheit des geschilderten Gemeindelebens, die große Zahl unterschiedlicher Menschen, die sich auf vielfältige Weise mit ihren Gaben und Traditionen einbringen, gibt Anlass zur Hoffnung, dass es auch in Zukunft viele Gründe zum Feiern geben wird. Damit ist das Buch eine Ermutigung und Anregung, nicht nur für die Evangelischen in Braunau und seinen Predigtstationen, sondern für alle, die neugierig sind und auf die positiven Kräfte in unserer Gesellschaft vertrauen.

Günter Merz




Evangelisches Pfarramt Braunau am Inn (Herausgeber): 150 Jahre evangelische Kirche Braunau am Inn, Moserbauer Druck & Verlag, Ried im Innkreis, 2016, 324 Seiten, Preis: 28,50 Euro, ISBN: 978-3-902684-54-7.

Schlagwörter: Braunau, Jubiläum, Oberösterreich, Kirche

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