22. Mai 2020

Streit um ungarische Autonomiebestrebungen in Rumänien

Bukarest – Rumäniens Staatspräsident Klaus Johannis hat in einer Presseerklärung am 29. April in scharfen Worten einen Gesetzesentwurf kritisiert, der die Autonomie des Szeklerlandes vorsieht. Der vom Ungarnverband UDMR eingebrachte Entwurf wurde ohne Debatten von der Abgeordnetenkammer verabschiedet. Johannis warf Marcel Ciolacu, Vorsitzender der Abgeordnetenkammer und Interimschef der Sozialdemokratischen Partei PSD, vor, ein Ränkespiele mit der Regierung in Budapest zu betreiben.
Rumäniens Staatspräsident Klaus Johannis ...
Rumäniens Staatspräsident Klaus Johannis kritisierte in einer Presseerklärung am 29. April 2020 einen Gesetzesentwurf für die Autonomie des Szeklerlandes, der von der PSD unterstützt wurde. Bildschirmfoto des Videos auf YouTube.
Die PSD reagierte prompt und wies den umstrittenen Gesetzentwurf im Senat, der Oberkammer des Parlaments, ab. Ciolacu und der Ungarnverband warfen Johannis vor, sich einer „nationalistischen Rhetorik“ zu bedienen und „gegen die Ungarn“ zu hetzen. Klaus Johannis stellte am 4. Mai klar, kein Problem mit der ungarischen Minderheit, sondern mit den Politikern der PSD zu haben, die die Autonomie des Szeklerlandes förderten, obwohl dies verfassungswidrig sei. Ungarns Präsident Viktor Orbán veröffentlichte daraufhin auf Facebook eine Landkarte vor 1918, die Siebenbürgen als Ungarn zugehörig zeigt.

Harsche Kritik an Klaus Johannis übte der Journalist Keno Verseck im Spiegel und der Deutschen Welle. Der für den Karlspreis designierte Politiker habe sich „übelster Klischees rumänischer Nationalisten“ bedient und die Verschwörungstheorie aufgewärmt, wonach Ungarn die Abspaltung Siebenbürgens betreibe.

Bundesaussiedlerbeaufragter Bernd Fabritius verteidigte Johannis‘ Vorgehen auf Facebook: Der Präsident habe zu Recht „eine heimtückische Aktion“ der PSD kritisiert, „eine relevante Frage, wie ein weitreichendes Autonomiegesetz für einen Teil des Staatsgebietes, in einem trickreichen Streich während der Krisenzeit, abseits einer notwendigen gesellschaftlichen Debatte, durch das Parlament zu bringen“. Enttäuscht über Johannis‘ Rhetorik, der als Siebenbürger Sachse selbst einer Minderheit angehört, zeigte sich der Schäßburger Pfarrer Bruno Fröhlich gegenüber der Siebenbürgischen Zeitung: Johannis sei mit dem Anspruch angetreten, eine andere Art Politik zu betreiben. Durch seine Aussagen habe er Schaden angerichtet „beim einfachen Volk und vor allem bei den Menschen, die sich schon länger von keiner Partei mehr vertreten fühlen“.

Die Aachener Zeitung zitiert Peter Mario Kreuter vom Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung (Regensburg). Johannis‘ Rede sei sicherlich „heftig und nicht gerade diplomatisch“ gewesen, doch „kein riesiges Drama“. In der Vergangenheit habe die Opposition gegen Johannis groteske Vorwürfe erhoben, sein Geld mit dem Handel von Organen kleiner Kinder zu verdienen und „mit der Mafia unter einer Decke zu stecken“. Ebenso schräg sei es, ihn nun als „nationalistischen Hetzer“ darzustellen. Jürgen Linden, Vorsitzender des Karlspreisdirektoriums, steht weiter hinter Klaus Johannis: „Wie andere europäische Staatslenker sei auch er nur bemüht, den Zusammenhalt seines Landes gegen separatistische Bestrebungen zu verteidigen.“

Der Nationale Rat gegen Diskriminierung (CNCD) in Bukarest verhängte in einer Sitzung vom 20. Mai eine Geldstrafe in Höhe von 5.000 Lei (rund 1.000 Euro) gegen Präsident Klaus Johannis, der in seiner Presserklärung vom 29. April die ungarische Minderheit verunglimpft habe. Klaus Johannis bezeichnete das gegen ihn erlassene Urteil als „zutiefst politisch“ und kündigte an, es anzufechten (Hotnews). Wie die Zeitschrift Revista 22 berichtet, habe der Antidiskriminierungsrat (Consiliul Național pentru Combaterea Discriminării - CNCD) in derselben Sitzung auch einen Jahre zurückliegenden Fall des ehemaligen PSD-Chefs Vasile Dragnea erörtert. Der inzwischen in Haft sitzende Politiker hatte damals vier Demonstranten als „Ratten“ beschimpft und wurde von der Behörde, anders als Johannis, in einem milden Urteil lediglich verwarnt.

Siegbert Bruss

Schlagwörter: Politik, Klaus Johannis, Ungarn, PSD, Minderheiten

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